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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 3
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Kluge, Kurt: Neue Forschungsergebnisse an antiken Bronzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0121

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hat uns die verschüttete antike Welt ein Erzwerk
übriggelassen, das jetzt in Brescia steht und —
zweier schroff gegensätzlicher Epochen mißhandel-
tes Kind — den Spiegel verloren hat, den die schö-
nen Arme einst umspannten und der das Antlitz
aufgehellt hat: die sogenannte Viktoria von Brescia.

Das Mädchen ist ein köstlicher Wachserzguß
aus einer Zeit, die im Vollbesitz des Könnens war.
Sie hat als Viktoria bei einem Triumphzug Magd-
dienst tun müssen und trägt heute noch die falsche
Maske. Die ebenfalls noch vorhandenen Zierstücke
des Wagens und des Geschirrs sind grober, eiliger
Sandguß, und ich habe feststellen können, daß aus
diesem selben Sandguß auch die Flügel der Nike
bestehen. In einer Zeit erzplastischen Tiefstandes
hat also jemand diesem alten köstlichen Erzwerk
zwei schlechtgegossene und überhaupt nicht zise-
lierte Flügel angesetzt und in derselben Sandguß-
technik auch den figürlichen und ornamentalen
Plunder der Wagen- und Geschirrteile hergestellt.
Wir bilden hier die Bronze ohne die entstellenden
Flügel ab, die übrigens ziemlich roh und unter
Verletzung des Rückens montiert sind.

So kann es denn geschehen, daß an einem Werk
der klassische Wachserzguß und der gewerbliche
Sandguß (dieser hier allerdings von geringer Quali-
tät) vereinigt sind und die Kluft zeigen, die beide
trennt, wenn nicht die Italiener die Flügel doch
noch zu dem übrigen Triumphgerät in den Glas-
schrank legen sollten.

Die falschen aber antiken Flügel der Venus von
Brescia leiten über zu einem dunklen Kapitel der
antiken Erzkunst, zur Feststellung der nichtantiken
Erzgüsse und zu den direkten Fälschungen.

Es gibt eine unheimliche Industrie, die sowohl
wissenschaftlich als künstlerisch von gefährlich tüch-
tigen Leuten betrieben wird. Ihre Existenz ist be-
kannt, ihr Umfang ist noch nicht ermessen. Es
kann sein, daß dieser Umfang furchtbar ist, nament-
lich auf dem Gebiete der Kleinbronzen. Wenn die
Wissenschaft sich über Erztechnik an den Methoden
des modernen Gießereigewerbes orientiert, haben
diese dunklen Ehrenmänner leichtes Spiel.

Es ist nicht aussichtslos, allgemein gültige ob-
jektive Maßstäbe aufzustellen, wenn diese in be-
ständiger fachmännischer Bearbeitung stehen und
den modernen metallurgischen Methoden genau
folgen. Denn es gibt Arbeitsmomente, an denen
die Fälschung sicher scheitert

Ich kann nicht versuchen, auf diesem knappen
Raum auf Einzelheiten einzugehen, die einer aus-
führlichen Behandlung vorbehalten bleiben. Aber
wenn auch der ernstzunehmende Fälscher die Ent-
deckung dadurch erschwert, daß in seine Fälschung
immer irgendwo etwas Echtes eingearbeitet ist, das
das Urteil verwirren soll, so habe ich doch fest-
stellen können, daß der Kenner nicht auf den In-
stinkt, der sich ja stets meldet, allein angewiesen ist.

Nur liegen die Kriterien nicht auf dem Gebiete
der Veränderungen, die die Bronze während großer
Zeiträume erträgt, z. B. in der Patina, sondern nur
in der metallurgischen Arbeitsmethode. Ich habe
vorzügliche Fälschungen gesehen, von denen eine
für eine gute alte Bronze gilt, die schließlich ein me-
thodischer Widerspruch in der Behandlung entlarvt.

Ich gebe hier als Beispiel eines nichtantiken
Gusses den Maximinius Thrax in München, jetzt
als „Constantin Chlorus, um 300" bezeichnet.

Der Guß ist äußert schlecht: obgleich er eine
Dicke (Ohr links) von mehr als 20 mm erreicht,
zeigt das rechte Ohr ein dünngeflossenes Loch.
Auf den ersten Blick erscheint der Bart wie an
antiken Stücken graviert. Die genaue Untersuchung
ergibt jedoch, daß die,,Gravierung" mit einem Form-
punzen schablonenartig eingehauen ist, was man
besonders deutlich an der rechten Schnurrbartseite
an der Lippengrenze erkennt. Gelegentlich jedoch,
und das ist für diese Bronze besonders kennzeich-
nend, ist mit dem Stichel eine Gravur versucht,
die aber gar nicht antike Schule zeigt und den
Schwung der unechten Gravur, der Punzeinschläge,
nicht aufweist. Das Haar ist ebenfalls nicht gra-
viert, sondern mit dem Meißel roh gehackt. Die
antike Haarbehandlung ist ganz eigenartig, selbst
bei einfachen Stücken. Alle mir bisher bekannten
Fälschungen scheitern an der Haarbehandlung. Hier
ist sie in einer Weise umgangen, die wohl einzig
dasteht! Ebenso interessant sind die Löcher, z. B.
das unter dem rechten Auge, das ebenso wie das
Loch im Ohr ein Gießfehler ist, keine nachträgliche
Verletzung, und trotz der auffälligen Lage niemals
ziseliert und geschlossen war. Von den geschlosse-
nen Löchern sei das auf dem rechten Wangen-
knochen erwähnt, das roh mit einem runden
Bolzverschluß beseitigt ist, einer typisch nicht-
antiken Arbeitsweise. Aber auch echte antike Platten-
verschlüsse scheinen vorhanden zu sein: z. B. auf
der Stirn links oben. Aber gleich daneben erkennt

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