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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 7
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Mayer, August Liebmann: Spanische Miniaturen des frühen Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0280

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GIN MUMMADOMA

] Osten o""
im Süden, Ost

geschafft

aller Abhängigkeit von der maurischen
Kunst, ein ganz eignes Gepräge aufweisen.
Ganz gewiß geben diese Miniaturen
nicht etwas absolut Neues in der Hinsicht,
daß sie bis zu ihren Grundelementen ori-
ginell sind. Aber gerade in der eigentüm-
lichen Mischung von östlichem und west-
lichem, in der grandiosen und höchst per-
sönlichen Umformung der verschiedenarti-
gen Vorbilder liegt der große Reiz dieser
Arbeiten. Freilich muten manche Blätter
etwas barbarisch an, aber das Unzuläng-
liche und Herbe der Zeichnung erhöht den
Eindruck der männlichen Kraft und der
Monumentalität, die all diesen Blättern
innewohnt. Die bedeutendsten Codices
dieser Art — vor allem die Kommentare
des Beatus zur Apokalypse — sind seit
langem bekannt, wenn auch noch immer
nicht genügend über die engen Fachkreise
hinaus: so die von dem Presbyter Sancho
960 vollendete Bibel in San Isidoro in Leon
und die von der Malerin Ende und dem
Pater Emeterius geschaffenen Miniaturen
in dem 975 vollendeten Beatuskodex im
Kathedralarchiv zu Gerona, der Kodex
Emilianensis des Eskorial und der Beatus-
kodex vom Jahre 1047 aus Leon in der
Madrider Nationalbibliothek. Spricht sich
hier eine antinaturalistische Anschauung
aus, die in vielen Fällen verblüffend mo-
dern wirkt, so fehlt es im elften Jahrhun-
dert auch nicht an Künstlern, die dem ent-
gegengesetzten Prinzip huldigen, einem
Naturalismus, wie er uns als Gegenpol zur
maurischen Kunst gerade im siebzehnten Jahrhun-
dert als für die spanische Kunst charakteristisch
besonders in die Augen fällt. Diesen mehr natu-
ralistisch eingestellten Bilderbibeln hat neuerdings
Wilhelm Neuß eine gründliche Monographie ge-
widmet und gezeigt, daß sich hier die christlich-
orientalische Antike auslebt.* Die sehr beweglichen
Miniatoren dieser höchst wahrscheinlich im Kloster
von Ripoll in Katalonien in der ersten Hälfte des
elften Jahrhunderts entstandenen, heute in der Pari-
ser Nationalbibliothek und im Vatikan befindlichen
Codices haben offenkundig ältere Vorbilder ebenso

* Die katalonische Bibelillustration um die Wende des
ersten Jahrtausends. Bonn, K. Schroeder.

BELSAZARS GASTMAHL

BEATUS CODEX. MADRID, BIBL. NAC.

in ein eigenes spanisches Idiom übersetzt, wie die
Künstler der zahlreichen spanischen Beatushand-
schriften weit ältere Vorbilder völlig umgewandelt
haben.

Die große spanische „Gesellschaft der Kunst-
freunde" veranstaltete im Sommer 1924 in Madrid
eine umfangreiche Ausstellung spanischer Minia-
turen des Mittelalters, wobei auch einige der Fach-
welt nicht genügend bekannte Handschriften mit
Recht das größte Aufsehen erregten.* Dazu ge-
hörte vor allem das sogenannte Libro de Testa-
mentes der Kathedrale von Oviedo. Es ist eine

* Der bekannte Madrider Photograph Mariano Moreno
hat mehr als tausend Aufnahmen von den ausgestellten
Miniaturen gefertigt.

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