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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 7
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Mayer, August Liebmann: Spanische Miniaturen des frühen Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0281

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BOTSCHAFT AN DEN ENGEL VON PHILADELPHIA

AUS DER APOKALYPSE. GERONA, KATHEDRALE

Urkundensammlung, welche die Testamente der
meisten Könige der asturischen Monarchie, ver-
schiedener Bischöfe, Bullen und andere auf die Diö-
zese bezüglichen Dokumente vereint. Geschrieben
und geschmückt ist die Handschrift von einem Un-
bekannten zwischen 1126 und n29 im Auftrag des
Bischofs Pelayo (gestorben 115 3), der offenbar der
Notar des königlichen Hauses war. Die Minia-
turen besitzen schon stofflich ein besonderes Inter-
esse, weil hier feierliche Szenen aus dem Hofleben
wiedergegeben sind: die Überreichung der Testa-
mente, beziehungsweise der Schenkungen des Königs
an die Königin oder an den Bischof. Der König
ist von seinem Waffenträger begleitet, die Königin
von ihrer Kämmerin (pedissequa cubicularia), außer-

dem sieht man den Ministro und
Diaconus des Bischofs. Schon Qua-
drado, der 1885 zum erstenmal eine
genauere Beschreibung dieses hoch
bedeutenden, einiger Blätter beraub-
ten Kodex gibt, bemerkt sehr treffend,
daß man die Miniaturen zunächst
eher für Arbeiten des zehnten als des
zwölften Jahrhunderts halten würde.
Es ist natürlich auch sehr die Frage,
ob nicht der Miniator ältere Vorla-
gen mehr oder minder getreu ko-
piert hat. Auf jeden Fall zeigt es
sich, daß man in diesem auch sonst
sehr konservativen spanischen Gau
noch eine außerordentlich starke Emp-
fänglichkeit für die Kunstweise des
zehnten Jahrhunderts besaß. Der
Miniator hat es sehr gut verstanden,
die neueren romanischen Elemente
mit jenen des älteren Stils zu ver-
einen. Man könnte sagen, daß hier
namentlich bei dem Tierdekor nor-
disch-irisches Ornamentgefühl eine
seltsame Verbindung mit östlicher
Stilisierung eingegangen ist. Zu-
weilen denkt man an mexikanische
Kunst, woran man auch bei spani-
schen Miniaturen des zehnten Jahr-
hunderts mehr als einmal gemahnt
wird. Der Miniator besitzt nicht nur
eine ungewöhnliche monumentale
Empfindung und Gestaltungskraft,
sondern — und dies ist sein höch-
stes Lob — er weiß alles der Buchbildkunst, der
Kalligraphie anzupassen. Seine Körperstilisierungen,
die Formen des Nabels, des Bartes, der Gewänder,
der Wangenflecke (wie Augen, Kokarden oder Tri-
angeln gebildet), die Einordnung der Figuren, die
Gestaltung des Ornaments, alles entspricht einem,
ungewöhnlichen Empfinden für die Linie. Die
Führung des Striches hat etwas unerhört Zwingen-
des, und so stark hier auch abstrahiert wird, so
wirkt alles nicht gekünstelt, sondern durchaus über-
zeugend, in seiner Art selbstverständlich. Man muß
die Phantasie des Künstlers bewundern, der jedes
Blatt neu zu gestalten weiß und den fast stets gleich-
bleibenden Inhalt jedesmal überraschend neu formt.
Die seltsamen Kostüme, besonders der Frauen, er-

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