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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 9
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Schulz, Richard L. F.: Die internationale Ausstellung der modernen dekorativen Künste in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0377

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DIE INTERNATIONALE AUSSTELLUNG
DER MODERNEN DEKORATIVEN KÜNSTE IN PARIS

VON

RICHARD L. F. SCHULZ

Am 28. April ist die Exposition Internationale des Arts
' decoratifs modernes in Paris eröffnet worden. Deutsch-
land ist nicht auf dieser Ausstellung vertreten. Große Kreise
des im modernen Sinne schaffenden Handwerks und der
Industrie finden es mit Recht unverständlich, daß diese
Schaustellung von Dingen, die wir bei uns durch künst-
lerische Erziehung und Propaganda jeder Art zu fördern
suchen, amtlich in Paris verhindert worden ist.

Paris ist in diesem Jahre mehr als je das große Schau-
fenster der Welt. Was in Paris Geltung bekommt, hat Wert
für den Weltmarkt. Diese Tatsache allein sollte schon da-
für sprechen, in Paris um jeden Preis gesehen zu werden.

Die Ausstellung betont ausdrücklich, daß die zur Schau
gestellten Gegenstände frei vom Überlieferten, modern sein
müssen. Man hat in Frankreich erkannt, daß sich die Län-
der außerhalb seiner Grenzen, nicht mit einer so tonan-
gebenden Kultur belastet wie Frankreich, bemüht haben,
einen Stil für ihre Lebensbedürfnisse zu erfinden, der in
der Welt nicht unbeachtet geblieben ist. Es steht fest, daß
besonders in Deutschland die Bewegung, dem Leben eine
moderne Richtung zu geben, die allergrößte Auswirkung
gewonnen hat.

Wenn man von den auch in Deutschland vorhandenen
Kreisen absieht, die sich aus Bequemlichkeit, Snobismus
und Indifferenz, für das, was um sie herum Leben bedeutet,
mit Antiquitäten umgeben, so ist doch gerade in Deutsch-
land eine starke Bewegung vorhanden, dem Leben, trotz
vieler Mißgriffe und Mißerfolge, seinen eigenen Ausdruck
zu verleihen. Die Auswirkungen dieser Bewegung wären
sicher die stärksten Eindrücke in dem Pariser Programm
gewesen und hätten dort von aller Welt gesehen werden
müssen.

Kein Land der Erde gibt, trotz aller gepredigten Ein-
schränkungen, so viel Geld aus, seine Jugend modern schaf-
fend auszubilden, wie Deutschland; hinter jedem Schüler
steht ein Professor. Warum gibt man nicht den Talenten
dieser Jugend die Möglichkeit, ihre Arbeiten auf dem inter-
nationalen Platz Paris zu zeigen?

Ich habe im Oktober und November vorigen Jahres in
Paris die Arbeiten zu der Gestaltung des enormen Platzes
für die Weltausstellung beobachtet. Ich habe Paris im März
wiederum besucht und die vorgeschrittenen Arbeiten ge-
sehen. Nach diesen Eindrücken scheue ich mich nicht, aus-
zusprechen, daß das, was die Außenarchitektur dort leistet,
alles bisher Dagewesene an Geschmacklosigkeit und Un-
sicherheit überbietet. Die Ausstellung muß schon wirklich
viel Gutes in den Gebäuden aufzuweisen haben — und das
wird sie sicherlich —, um die äußere Hülle übersehen zu
machen. Ein Grund mehr, sich mit einer guten, zurückhalten-

Anmerkung der Redaktion: Uns erschienen diese An-
merkungen eines Interessenten so beachtenswert, daß wir sie mitteilen,
obwohl wir nicht durchaus denselben Standpunkt einnehmen.

den aber sicheren architektonischen Leistung in Paris zu prä-
sentieren.

Ich habe Gelegenheit genommen, mit einigen traditionell
sowie modern schaffenden Kreisen über das Fernbleiben
Deutschlands zu sprechen. In den modernen Kreisen be-
dauert man das Fehlen Deutschlands, so wie man das Aus-
bleiben eines beachtenswerten Gegners bedauert, auch ist
man auf die deutschen angestrengten Leistungen begreiflich
neugierig. Einige im alten Stil Schaffende und nur mit ge-
teilten Gefühlen sich modernen Einflüssen hingebende Kreise
sahen Deutschlands Erscheinen mit gemischten Gefühlen
entgegen und fürchteten, daß die Welt erfahren würde, wo
sie die künstlerischen Anleihen gemacht haben.

Sollte die Ausstellung mit ihrem modernen Programm
Erfolg haben, sollte sich diesem Programm der Weltmarkt
erschließen, so werden die Franzosen nicht ermangeln, die-
sen Zustand für sich auszubeuten. Paris bestimmt 1925 den
modernen Stil, die bisher innegehabte Vormachtstellung der
Deutschen ist gebrochen, und bei dem Talent der Franzosen
und ihrem Anpassungsvermögen, werden sie den mühelos er-
rungenen Erfolg auszubeuten verstehen und der Welt genü-
gend Interessantes in der Folge zu zeigen haben. Diese wich-
tigen wirtschaftlichen Gründe sollten Deutschland veranlaßt
haben, den Kampfplatz in Paris nicht so gefaßt aufzugeben.

Von denen, die aus politischen Gründen Deutschlands
Erscheinen auch heute noch ablehnen, habe ich in Frank-
reich keinen gesprochen, das sind die Scharfen hüben wie
drüben. Sollten diese Widerstände aber vorhanden sein, so
sind sie neben allen anderen Gründen die wichtigsten, daß
Deutschland in Paris sein müßte, um seine Stellung zu ver-
teidigen. Sicher bedauern heute diese Franzosen aus wirt-
schaftlichen Gründen nicht das Fehlen der Deutschen.

Warum hat nun die deutsche Regierung auf die offizielle
Einladung der französischen Regierung eigenmächtig die
Beteiligung abgelehnt?

Im Innersten ist die Ablehnung auf die Resignation des
kleinen Jungen zurückzuführen: „Es geschieht meinem Vater
ganz recht, daß mir die Hände erfrieren, warum kauft er
mir keine Handschuhe."

Schon bei meinem ersten Aufenthalte in Paris nach dem
Kriege im Oktober vorigen Jahres, hörte ich in modern
schaffenden Kreisen, daß man Schritte unternehmen wolle,
die eigene Regierung zu zwingen, Deutschland offiziell ein-
zuladen, daß die französische Regierung ohne weiteres zu-
gegeben hätte, daß ein plumper Fehler von der vorher-
gehenden Regierung gemacht worden sei, Deutschland so-
wie Rußland nicht einzuladen, daß die Zeiten sich politisch
sehr geändert hätten und bis zu der Eröffnung der Aus-
stellung noch sehr ändern würden. Die französische Re-
gierung wagte es dennoch nicht, diesen Fehler kurzerhand
gut zu machen durch eine Einladung an Deutschland. Re-
gierungen sind schwerfällige Institutionen.



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