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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 10
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Ahlers-Hestermann, Friedrich: Die Ausstellung aus hamburgischem Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0414

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JAN STEEN, SCHULSTUNDE

der Auflösung begriffen. Wer dann noch die Faktoren des
Zufalls und der gar nicht ausschaltbaren Rücksichtnahmen
in seine Rechnung einstellt, mag getrost an die Formu-
lierung hamburgischer Sammlerpsychologie gehen. Wir
wollen es uns versagen und uns lieber an die Bilder selbst
halten. Gegen vierhundert sind es übrigens, und es erfaßt
einen ein leichter Schwindel, wenn man so im Katalog
Filippo Lippi und Max Liebermann, Renoir und Rembrandt
eng benachbart sieht.

Rembrandt I Er leuchtet mit seiner unsichtbaren Krone,
hoch über die gelassenen Gefilde des Bürgerlich-Bäuerlichen
ins Mystische ragend, aus einem beinahe unscheinbaren, aber
tief von Innen durchstrahlten Bildnis eines Mannes. Ein
wunderlicher Kopf, ein Vierziger etwa, südlich anmutend,
leidenschaftlich. Oder ist es nur die Leidenschaft des Ma-
lers, die aus dem dunkelklaren, schräggestellten Auge dieses
Mannes, aus der Tiefe dieser Tafel trotz allem, was spätere
Hände daran getan haben mögen, zu uns redet? — Aus
einer ganz andern Sphäre, heiter schildernd, stammt ein
Werk des genialen Gastwirts und Malers Jan Steen. Des
ausdrucksvoll schreibenden Jungen gebeugter Körper mit
dem breitrandigen Hut hält die Kindergruppe dahinter zu-
sammen und bildet gleichzeitig das Gegengewicht zu dem
eigentlichen,,Motiv", dem rechts sitzenden gestrengen Lehrer,
der einem heulenden kleinen Bengel das Lesen beibringt.
Eine wunderbar fest mit dem Pinsel gefügte Oberfläche.
Denkt man sich einzelne Stücke lebensgroß, so hat man
eine Malerei von der Wucht Courbets. An diesen Meister
läßt auch ein kleiner Felsenwasserfall J. Ruysdaels denken,
er wirkt wie ein ernster, geistiger Gruß an den späten Ge-
nossen. Pieter de Hooch fesselt besonders durch eine bern-
steinklare Landschaft, ein paar Häuserrückseiten in der Ge-
gensonne, leuchtend im Reflexlicht das Braun der Gebäude.
— Immer bewegte Luft zieht leicht dunstig durch die zar-
ten Landschaften van Goyens, des Tulpenhändlers (denn

auch damals mußten die Maler sich ihr Brot oft mit etwas
anderm als Malen verdienen). Ein frühes Winterstück ist
dabei, von zart gestufter Farbigkeit, rötliche und ockrige
Hauswände unter blaßgrünem Himmel. Und noch viele
Kleinere sind mit guten Bildern vertreten. — Aber ein an-
derer Hauch weht uns an von der Wand des fünfzehnten
Jahrhunderts: ein kleines Rundbild von einem Nachfolger
Rogers v. d. Weiden, auf dem der fast antikisch strenge
Kopf der Maria einen wundervollen Ernst ausstrahlt, und
ein andres (Meister des hl. Eligius), wo sie wie ein liebes
kleines Mädchen aus dem Volke dargestellt ist. Endlich ein
Filippo Lippi genanntes Stück von zarter süßer Heiligkeit,
dünn wie kühle Frühlingsluft im Süden. — Aus dem Schwarz
von Grund und Gewand hebt sich hell und präzise ein
geneigter weiblicher Kopf (Art des Francois Clouet). Ge-
neigt, aber ohne Spur von Demut, sondern wie von außen
gebändigte harte Willensstärke. Wie die feinen Halbkreise
der Haube und die weißen Teile des Kleides ins Schwarz
schneiden, das gibt eine Art mathematischen Genusses.

Das achtzehnte Jahrhundert ist durch eine Anzahl jener
hochbezahlten französischen und englischen Bilder ver-
treten, die so gut zu den Porzellanen und Möbeln ,,de
l'epoque" passen. Die englischen Porträtisten Romney, Rey-
nolds, Hoppner, Beechey, Lawrence (der gleichwohl ein
außerordentliches Maltalent ist) kann ich nicht lieben wegen
ihrer Prunkstückhaftigkeit und der — zumal bei Hoppner —
klichierten Behandlung der süßen, an „Magazin"-Titelblätter
erinnernden Köpfe. Viel interessanter, wenn auch weniger
glänzend, sind die echten Familienbildnisse, wo wir uns an
der stillen Sachlichkeit Graffs erfreuen, oder an dem ent-

ANSELM FEUERBACH, MODELLKOPF

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