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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 10
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Ahlers-Hestermann, Friedrich: Die Ausstellung aus hamburgischem Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0415

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JOHN CONSTABLE, LANDSCHAFT

zückenden Dänen Jens Juel (1745 —1802), der unter anderm
das schmale liebenswürdig-strenge Antlitz einer alternden
Dame vornehm-bürgerlichen Kreises, von wolkenhafter
Rüschengarnitur umgeben, mit malerischer und psycholo-
gischer Delikatesse dargestellt hat. Auch Friedr. Aug. Tisch-
bein überrascht durch weibliche Bildnisse ohne jede Trocken-
heit, die dann zum Biedermaier überleiten. Hier finden sich
außer den großen Porträts von Gröger, dessen Malerei han-
seatischer Art so trefflich angepaßt ist, wie ein gutgeschnit-
tener Rock, manche kleinen liebenswürdigen Proben dieser
Periode, die für Hamburgs Malerei bedeutungsvoll war und
auf der, wenn Lichtwark die Ausstellung gemacht hätte,
vielleicht der Hauptakzent gelegen hätte.

Die Stubentür schließt sich hinter uns und wir treten in
die Welt. Auf Constables großer Tafel schwebt dunkel vor
den sonnendurchleuchteten eine Wolke, und Baumgruppe,
Bootssegel, Mann und Hund gliedern leicht und wie durch
Zufall die grüne, fruchtbare, windbewegte Fläche. Und nun
kommen die Meister, die aus dem neunzehnten Jahrhundert
eine der großen europäischen Kunstepochen machen: Dela-
croix mit der Skizze zum Sardanapal (früher bei Cheramy),
Pracht der Malerei auf gedrängtem Raum, um das purpurne
Prunkbett dehnen und ballen sich nackte Leiber, Köpfe
mächtiger Rosse dringen herein wie schon aus anderer
Welt. Daumier: Dunkle Silhouette eines Schiffsziehers,
Monumentalität auf kleinstem Raum, Gencaults kühner ge-

bändigter Strich in einem verwundeten Kürassier, Diaz'
funkelnde Welt — auch eine bezaubernde Landschaft von
ihm, Theodore Rousseau nahestehend, aber von farbigerem
Email. — Von Corot außer der klassischen Behrensschen
Dorfstraße (Kunst und Künstler, Jahrgang XXI, Seite 209) auch
eine winzige Apostelstudie zu den Kirchenfresken, ein Rem-
brandt in Blond und Grünblau. Hier wollen wir auch des
feinen, in Deutschland seltenen Übergangsmeisters George
Michel (1763 —1843) gedenken, von dem ein Bild mit einem
herrlichen, corothaften blauweißen Wolkenhimmel bei den
alten Meistern hängt. Und nun Courbet: freundlich und
fraulich heben sich, wunderbar provinzlerisch gesund, Kopf
und Schultern aus dem prachtvollen Schwarz des Kleides,
und eine reizende rot-grüne Blattranke fällt auf den weißen
Hals. Aber auch ein Waldbach mit Rehen in aller seiner
Mächtigkeit ist da, und noch ein dritter, fast lyrisch
zu nennender, besonnter Felsen im Frühsommergrün unter
blauer Luft mit Schäfchenwolken.

Zwischen den deutschen Bildern dieser Gruppe findet
sich ein schöner Feuerbach, ein Modellkopf wohl aus der
Pariser Zeit, seinem damaligen Studiengenossen Viktor Müller
nahestehend. Es ist etwas darin, was es hoch über das Mo-
dellhafte hinaushebt, wie stets bei diesem feinen, nach oben
gerissenen Geist. Ein herrlicher Spitzweg auch, ohne jeden
Witz, arkadisch, mit kleinen im Schatten badenden Gestalten.
Von Lenbach frühe, fest und etwas derb gemalte Land-

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