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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 12
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Martin, Günther: Die Vereinigung der Kunsthochschulen und Kunstgewerbeschulen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0474

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Schein des Schöpferischen dadurch vorgetäuscht,
daß grundsätzlich die Erfindung noch „nie dage-
wesener" Formen verlangt wird. Der Schüler ist
dann solange ratlos, bis er es gelernt hat, in den
absurdesten Einfällen seiner undisziplinierten Phan-
tasie seine Individualität zu erblicken. Da hierbei
zugleich das Schöpferische sich nicht mehr an
dem Gebrauchszweck des Gegenstandes nach den
Bedingungen des Materials betätigt, besteht auch
kein wesentliches Merkmal mehr, das dieses Ar-
beiten als angewandtes Kunstschaffen grundsätz-
lich von dem sogenannten freien Kunstschaffen
scheidet. Man glaubt, den Hebel für Kunstschaffen
überhaupt gewonnen zu haben, und blickt gern
verächtlich auf die Kunsthochschüler herab, die,
wie man meint, weder Geschmack noch Ein-
fälle haben.

Mit der Einsicht in diesen Sachverhalt fallen,
wenigstens für Berlin, sämtliche Voraussetzungen
für die jetzige Form der Vereinigung. Die Kunst-
gewerbeschule hat nicht die angewandte Kunst
autonom vertreten. Die Trennung von Entwurf
und Ausführung ist ein Vorgang industrieller Ar-
beitsteilung und Spezialisierung, woran auch die
Tatsache nichts ändert, daß zuweilen ein Kunst-
gewerbe seinen Entwurf selbst ausführt. Er ist
dann eben Spezialist auf zwei Gebieten: dem des
Entwurfs nach Geschmacksprinzipien und dem der
mechanischen Materialbehandlung. Die Kunstge-
werbeschule vermittelt nichts anderes als eine Spe-
zialausbildung des Geschmacks im Zusammenhang
industrieller Produktion, und der Werkstättenbetrieb
ist unter diesem Gesichtspunkt vollkommen über-
flüssig. Er kann nützlich sein aus wirtschaft-
lichen Gründen und auch, um dem Schüler even-
tuell die Ausschweifungen seiner allzu zügellosen
Phantasie an technischen Bedingungen der Aus-
führung zu demonstrieren; notwendig ist er in
keinem Fall. Das prägt sich am deutlichsten in
der Entwicklung der kunstgewerblichen Leistungen
aus. Während man sich immer bemüht, zu einem ge-
schmacklichen Ausgleich selbst des primitivsten hand-
werklichen Könnens zu gelangen, hat das handwerk-
liche und formale Können allmählich ein beispiellos
tiefes Niveau erreicht. An diesem Urteil ändern auch
Ausstellungen nichts, bei denen man die besten
Arbeiten der besten Schüler zusammenstellt; denn
einzelne Arbeiten lassen nicht erkennen, ob die
handwerkliche Durchführung etwa aus reifstem

Können einmal vernachlässigt wurde oder ob die
Arbeit trotz mangelnder handwerklicher Fähigkeit
geglückt ist.

Wo der Kunstgewerbler aber, ganz im Sinne
der Ausbildung an der Kunstgewerbeschule, als Ge-
schmacksspezialist praktisch für die industrielle Pro-
duktion arbeitet, da wird er in seinen Entwürfen
aus Unkenntnis der Möglichkeiten, die sich aus
der handwerklichen Bearbeitung des Materials er-
geben, grundsätzlich sogenannte „einfache" For-
men wählen, das sind Formen, die vom Ausfüh-
renden mechanisch (mit Zirkel und anderen Meß-
instrumenten) zu erfassen sind, über deren Leere
aber selbst die geschmackvollste Anordnung auf
die Dauer nicht hinwegtäuschen kann. Die enge
Fühlung mit industriellen Vorgängen erweckt zu-
gleich den trügerischen Schein, daß der Kunstge-
werbler „modernem Geist" besonders nahe stünde.
Doch führen nur die geistigen Probleme einer Zeit
zum Stil, die wechselnden Schöpfungen einer ge-
werblich orientierten Phantasie sind Angelegen-
heiten der Mode.

Wenn in einer Zeit der fortschreitenden Mecha-
nisierung aller Lebensvorgänge der Staat die kul-
turellen Fähigkeiten des Volkes unter seinen beson-
deren Schutz nimmt, so hat es keinen Sinn, daß er
Fachschulen für Geschmacksbildung unterhält; denn
der Geschmack betätigt sich, da er selbst nicht form-
schöpferisch ist, an irgendwie schon gegebenen (etwa
durch die Forderung mechanischer Herstellbarkeit
bedingten) Formen, und Fachschulen für Geschmacks-
bildung könnten daher die Reklameangelegenheit
zum Beispiel der Möbelindustrie sein. Der Staat
muß aber durch seinelnstitutionen gerade die eigenen
Voraussetzungen und Bedingungen für das Schöp-
ferische der freien und angewandten Kunst in vollster
Gegensätzlichkeit zu allen mechanisierten Produk-
tionsvorgängen sicherstellen: das Kunsthandwerk
im Gegensatz zum Industriehandwerk und die
Kenntnis organischer Formenzusammenhänge (z.B.
des Körpers für die freie Kunst und pflanzlicher
Bildungen für die ornamentale Kunst usw.), während
das heutige Kunstgewerbe die Tendenz zu stereo-
metrischer, das heißt mechanischer Formbildung in
sich trägt.

Die Forderung der Vereinigung von Kunst-
gewerbeschule und Kunsthochschule wird gerade
von sehen des Kunstgewerbes durch seine beru-
fensten Vertreter verfochten, wobei das Kunstge-

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