ERNST BENKARD, Das Selbstbildnis. H. Keller, Berlin 1927.
Wenn hier B.s Buch einer Besprechung von rein wissenschaftlichen Gesichts-
punkten aus unterzogen werden soll, so erteilt er selbst dazu zweifellos die Be-
rechtigung.
Seine Absicht ist, sich mit seinen „Ansichten und Folgerungen lediglich an das
historisch Feststehende zu halten" (XI), zu „versuchen, den Staub der Konven-
tion" von sich „zu schütteln" (53); er spricht von „analytischen Betrachtungen"
(LXIX) und von „der Tatsache, daß der ganze Stoff monographisch bisher und
in dieser Weise nicht bearbeitet worden ist" (LXXIX). (Waetzold widmet in
seinem Buch „Die Kunst des Porträts" der Angelegenheit allerdings über
100 Seiten). Ferner sind dem „Abbildungskodex" Anmerkungen beigegeben,
die - in völlig uneinheitlicher und zufälliger Zusammenstellung - Lebensdaten,
Quellenauszüge, kritische Bemerkungen, auch zu nicht behandelten Werken,
Datierungsvorschläge u. dgl. enthalten.
I Im ersten Abschnitt soll „das Problem" des Buches dargestellt werden.
Nach einigen Ausführungen über den Unterschied zwischen Autobiographie
und Selbstbildnis1) wird erklärt, „die Formulierung" müsse lauten: „der Maler
in Frage und Antwortspiel mit sich selbst und der Welt, mit den Kräften seiner
Begabung und Umgebung". Das Selbstporträt werde „sogleich" Bekenntnis usw.
und „bedeute" „Versprechung, Feststellung oder Selbstbefreiung". Vom „Er-
eignis im Künstler und nicht lediglich von seinem konstatierten Dasein her" sei
„der Zugang zu seinen Erzeugnissen" zu suchen. - Was von diesen Äußerungen
sich wirklich auf das Selbstbildnisproblem (und nicht überhaupt auf allgemeine
Kunstauffassungen des Verf.) bezieht, läßt erkennen, daß er absolut und ganz
allgemein das Bekenntnishafte, „das Psychologische", als das Wesentliche des
Selbstbildnisses ansieht. Das „selbstzweckliche" Auftreten des Selbstbildnisses als
kunsthistorisches Geschehnis jedoch macht er von einer „gesellschaftlichen Ver-
schiebung im Dasein des Künstlers" abhängig. Entsprechend der gänzlich ver-
schiedenen Lagerung dieser beiden Sätze kommt B. zur Formulierung zweier in
voneinander ganz unabhängigen Ebenen gestellter Fragen: erstens „aus welchen
Anfängen und Ursachen entwickelt sich so etwas wie ein Selbstbildnis des Künst-
lers ?" und „an zweiter Stelle": „seit wann läßt sich das Selbstbildnis als selbstän-
diger Gegenstand der bildenden Kunst behaupten und nachweisen?" Das ist als
„das Problem" des Buches bezeichnet.
, Die angeführten speziellen Unterschiede zwischen Autobiographie und Selbstbildnis be-
stehen nicht. In beiden Fällen liegt eine augenblicksbedingte künstlerische Wiedergabe der Tat-
sachen des jeweiligen Ich-seins vor. In beiden Fällen also Tatbestände, die - so unangreifbar
„objektiv" sie scheinen mögen - doch nur vom Augenblicksstandpunkt aus bedingt wieder-
gegeben werden können, so daß man sich schon nach kurzer Zeit „anders sehen" muß, so oder
so. - Die allgemeinen Unterschiede zwischen bildendem und schreibendem Kunstschaffen, die
Waetzold hervorhebt, werden hierdurch natürlich nicht berührt, berühren aber diese Gegen-
überstellung in ihrer Gesondertheit auch nicht. - Untersuchungen über Selbstbiographie und
Selbstbildnis am zeitlichen Verhältnis ihrer historischen Genesis und Entwicklung könnten sehr
fruchtbar sein.
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Wenn hier B.s Buch einer Besprechung von rein wissenschaftlichen Gesichts-
punkten aus unterzogen werden soll, so erteilt er selbst dazu zweifellos die Be-
rechtigung.
Seine Absicht ist, sich mit seinen „Ansichten und Folgerungen lediglich an das
historisch Feststehende zu halten" (XI), zu „versuchen, den Staub der Konven-
tion" von sich „zu schütteln" (53); er spricht von „analytischen Betrachtungen"
(LXIX) und von „der Tatsache, daß der ganze Stoff monographisch bisher und
in dieser Weise nicht bearbeitet worden ist" (LXXIX). (Waetzold widmet in
seinem Buch „Die Kunst des Porträts" der Angelegenheit allerdings über
100 Seiten). Ferner sind dem „Abbildungskodex" Anmerkungen beigegeben,
die - in völlig uneinheitlicher und zufälliger Zusammenstellung - Lebensdaten,
Quellenauszüge, kritische Bemerkungen, auch zu nicht behandelten Werken,
Datierungsvorschläge u. dgl. enthalten.
I Im ersten Abschnitt soll „das Problem" des Buches dargestellt werden.
Nach einigen Ausführungen über den Unterschied zwischen Autobiographie
und Selbstbildnis1) wird erklärt, „die Formulierung" müsse lauten: „der Maler
in Frage und Antwortspiel mit sich selbst und der Welt, mit den Kräften seiner
Begabung und Umgebung". Das Selbstporträt werde „sogleich" Bekenntnis usw.
und „bedeute" „Versprechung, Feststellung oder Selbstbefreiung". Vom „Er-
eignis im Künstler und nicht lediglich von seinem konstatierten Dasein her" sei
„der Zugang zu seinen Erzeugnissen" zu suchen. - Was von diesen Äußerungen
sich wirklich auf das Selbstbildnisproblem (und nicht überhaupt auf allgemeine
Kunstauffassungen des Verf.) bezieht, läßt erkennen, daß er absolut und ganz
allgemein das Bekenntnishafte, „das Psychologische", als das Wesentliche des
Selbstbildnisses ansieht. Das „selbstzweckliche" Auftreten des Selbstbildnisses als
kunsthistorisches Geschehnis jedoch macht er von einer „gesellschaftlichen Ver-
schiebung im Dasein des Künstlers" abhängig. Entsprechend der gänzlich ver-
schiedenen Lagerung dieser beiden Sätze kommt B. zur Formulierung zweier in
voneinander ganz unabhängigen Ebenen gestellter Fragen: erstens „aus welchen
Anfängen und Ursachen entwickelt sich so etwas wie ein Selbstbildnis des Künst-
lers ?" und „an zweiter Stelle": „seit wann läßt sich das Selbstbildnis als selbstän-
diger Gegenstand der bildenden Kunst behaupten und nachweisen?" Das ist als
„das Problem" des Buches bezeichnet.
, Die angeführten speziellen Unterschiede zwischen Autobiographie und Selbstbildnis be-
stehen nicht. In beiden Fällen liegt eine augenblicksbedingte künstlerische Wiedergabe der Tat-
sachen des jeweiligen Ich-seins vor. In beiden Fällen also Tatbestände, die - so unangreifbar
„objektiv" sie scheinen mögen - doch nur vom Augenblicksstandpunkt aus bedingt wieder-
gegeben werden können, so daß man sich schon nach kurzer Zeit „anders sehen" muß, so oder
so. - Die allgemeinen Unterschiede zwischen bildendem und schreibendem Kunstschaffen, die
Waetzold hervorhebt, werden hierdurch natürlich nicht berührt, berühren aber diese Gegen-
überstellung in ihrer Gesondertheit auch nicht. - Untersuchungen über Selbstbiographie und
Selbstbildnis am zeitlichen Verhältnis ihrer historischen Genesis und Entwicklung könnten sehr
fruchtbar sein.
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