VORMITTELALTERLICHE MALEREI
Trägt ein Buch über die Mosaikkunst und Malerei der sonst altchristlich genannten
Epoche die eben erwähnte Bezeichnung1), so deutet dies an, daß sein Verfasser sich
der großen kunstgeschichtlichen Bedeutung der hier zu erforschen den Werke be-
wußt ist und daß er den Versuch unternimmt, eine Deutung des Wesens mittel-
alterlicher Malerei gerade durch Bloßlegung ihrer Hauptwurzel anzubahnen.
Nichts ist nötiger als das ; hat doch mittelalterliche Kunst in ihrer Wertung bereits
wieder eine fatale Volkstümlichkeit erlangt, bei der man sich nur fragt, ob die Be-
geisterung auch vorhielte, wenn ihr einige Grade wirklichen Verständnisses mehr
für ihren Gegenstand und dessen Forderungen an den Betrachter beschieden wären.
Was dem mit altchristlichen Denkmälern Vertrauten zunächst auffällt, ist die
Tatsache, daß Kömstedt dem Leben dieser Kunstperiode auf dem Weg über ihre
Malerei am ehesten nahezukommen hofft. Gewiß liegt darin ein sehr richtiger
Grundgedanke, den bereits die Ästhetik der Romantiker kräftig herausgearbeitet
hat, als sie bestimmten kunstgeschichtlichen Abschnitten entsprechende Kunst-
gebiete vorzüglich zuordnete und die Malerei als christlichem Geiste besonders
verwandt feierte. Wer die langsame Verdrängung der Skulptur seit Ausgang der
Antike von der herrschenden Rolle in eine dienende beobachtet, wer sieht, wie
an kultisch wie künstlerisch ausgezeichnetem Orte stets das Gemälde oder das
Mosaik den Ausschlag gibt, wird den Wert gerade dieses Kunstgebietes für den
Gestaltungstrieb der neuen Religion im Wesentlichen nicht anders beurteilen als
dies schon die Romantik getan hat. Kömstedts Versuch, das Problem an dieser
Stelle zu fassen, ist also an sich durchaus begrüßenswert und zeugt von einem
richtigen Instinkt für die einzuschlagende Bahn.
Dennoch birgt dieser Versuch eine Gefahr in sich, die sich gerade bei diesem
Buch entscheidend auswirken sollte, daß nämlich die Darlegungen des Verfassers
unter der Verführung durch den „hohen künstlerischen Wert" der Denkmäler
unmerklich und gewissermaßen zwangsläufig in eine mehr oder minder subjek-
tive „Ordnung" der Tatbestände durch ästhetizistische Leitbegriffe münden. Es
ist kein Zufall, wenn leidenschaftliche Erforscher altchristlicher Kunst wie Riegl
von „Kunstindustrie" und Architektur oder wie Dalton auf verwandtem Ge-
biete2) von der Kleinkunst ausgehen und sich gerade bei ihnen eine im Falle
Daltons sehr bezeichnende, durchaus noch vormethodische Erlebnisnähe zu
ihrem Gegenstand feststellen läßt. Hier wirkt sich die wesentliche Einsicht aus,
daß altchristliche Kunst in allererster Linie Gebrauchskunst ist und daß ihr wirk-
liches Verständnis bei engherziger Wahrung der „ästhetischen Distanz" irgend-
wie zu scheitern droht. Nirgends aber ist die ästhetische Distanz so rein aufrecht
zu erhalten, so verführerisch nahegelegt, wie gerade vor dem Werk der Malerei,
wenigstens unter den bildenden Künsten.
So schaukelt Kömstedts Gegenstand schon durch die engere Wahl des Gebiets
unentschieden auf einer Kante, ein Zustand, der nichts Bedenkliches hätte, wenn
') R. Kömstedt, Vormittelalterliche Malerei. B. Filser Verlag, Augsburg 1929.
, Byzantine art and archaeology, London 1912.
Trägt ein Buch über die Mosaikkunst und Malerei der sonst altchristlich genannten
Epoche die eben erwähnte Bezeichnung1), so deutet dies an, daß sein Verfasser sich
der großen kunstgeschichtlichen Bedeutung der hier zu erforschen den Werke be-
wußt ist und daß er den Versuch unternimmt, eine Deutung des Wesens mittel-
alterlicher Malerei gerade durch Bloßlegung ihrer Hauptwurzel anzubahnen.
Nichts ist nötiger als das ; hat doch mittelalterliche Kunst in ihrer Wertung bereits
wieder eine fatale Volkstümlichkeit erlangt, bei der man sich nur fragt, ob die Be-
geisterung auch vorhielte, wenn ihr einige Grade wirklichen Verständnisses mehr
für ihren Gegenstand und dessen Forderungen an den Betrachter beschieden wären.
Was dem mit altchristlichen Denkmälern Vertrauten zunächst auffällt, ist die
Tatsache, daß Kömstedt dem Leben dieser Kunstperiode auf dem Weg über ihre
Malerei am ehesten nahezukommen hofft. Gewiß liegt darin ein sehr richtiger
Grundgedanke, den bereits die Ästhetik der Romantiker kräftig herausgearbeitet
hat, als sie bestimmten kunstgeschichtlichen Abschnitten entsprechende Kunst-
gebiete vorzüglich zuordnete und die Malerei als christlichem Geiste besonders
verwandt feierte. Wer die langsame Verdrängung der Skulptur seit Ausgang der
Antike von der herrschenden Rolle in eine dienende beobachtet, wer sieht, wie
an kultisch wie künstlerisch ausgezeichnetem Orte stets das Gemälde oder das
Mosaik den Ausschlag gibt, wird den Wert gerade dieses Kunstgebietes für den
Gestaltungstrieb der neuen Religion im Wesentlichen nicht anders beurteilen als
dies schon die Romantik getan hat. Kömstedts Versuch, das Problem an dieser
Stelle zu fassen, ist also an sich durchaus begrüßenswert und zeugt von einem
richtigen Instinkt für die einzuschlagende Bahn.
Dennoch birgt dieser Versuch eine Gefahr in sich, die sich gerade bei diesem
Buch entscheidend auswirken sollte, daß nämlich die Darlegungen des Verfassers
unter der Verführung durch den „hohen künstlerischen Wert" der Denkmäler
unmerklich und gewissermaßen zwangsläufig in eine mehr oder minder subjek-
tive „Ordnung" der Tatbestände durch ästhetizistische Leitbegriffe münden. Es
ist kein Zufall, wenn leidenschaftliche Erforscher altchristlicher Kunst wie Riegl
von „Kunstindustrie" und Architektur oder wie Dalton auf verwandtem Ge-
biete2) von der Kleinkunst ausgehen und sich gerade bei ihnen eine im Falle
Daltons sehr bezeichnende, durchaus noch vormethodische Erlebnisnähe zu
ihrem Gegenstand feststellen läßt. Hier wirkt sich die wesentliche Einsicht aus,
daß altchristliche Kunst in allererster Linie Gebrauchskunst ist und daß ihr wirk-
liches Verständnis bei engherziger Wahrung der „ästhetischen Distanz" irgend-
wie zu scheitern droht. Nirgends aber ist die ästhetische Distanz so rein aufrecht
zu erhalten, so verführerisch nahegelegt, wie gerade vor dem Werk der Malerei,
wenigstens unter den bildenden Künsten.
So schaukelt Kömstedts Gegenstand schon durch die engere Wahl des Gebiets
unentschieden auf einer Kante, ein Zustand, der nichts Bedenkliches hätte, wenn
') R. Kömstedt, Vormittelalterliche Malerei. B. Filser Verlag, Augsburg 1929.
, Byzantine art and archaeology, London 1912.