FRANZ LANDSBERGER, Die Kunst der Goethezeit. Kunst und Kunst-
anschauung von 1750 bis 1830. Inselverlag Leipzig 1931.
Landsberger will laut Vorwort eine „wirkliche" Kunstgeschichte der Goethe-
zeit geben. Die Kunst dieser Epoche steht zwar „wie selten eine in der Gefolg-
schaft geistiger Strömungen". Aber gerade deshalb „gilt es zu fragen, welche
bestimmten bildnerischen Formen" aus jenen hervorgegangen sind, ist „die
Analyse der nur künstlerischen Elemente" erforderlich, „wenn man wirklich
Kunstgeschichte als Geschichte der Kunst treiben will." Immerhin „war den
geistigen Strömungen Rechnung zu tragen, war zum mindesten die Kunstan-
schauung der Zeit in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Aber es kam dabei
nicht auf jede Spekulation über das Schöne an, sondern nur auf jene Gedanken,
die sich eng an das Kunstwerk halten und deshalb auch den konkret empfindenden
Künstler zu interessieren und zu beeinflussen vermögen."
Sehen wir von der letzten, nicht eben glücklich formulierten Einschränkung
ab, so kommt die Gesamtzielsetzung des Buches einem tatsächlichen kunst-
wissenschaftlichen Bedürfnis entgegen. Denn verstehe ich L. recht, will er die
künstlerische Entwicklung der fraglichen Epoche, die er für eine durchaus „eigen-
wüchsige, nur aus sich selbst verständliche" hält (S. 8), in ihrem möglichen Zu-
sammenhänge mit vorhandenen Kunstanschauungen, aber auch in ihrem mög-
lichen Gegensätze zu diesen, in ihrer möglichen Unabhängigkeit von ihnen dar-
stellen. L. unternimmt seinen Versuch auf Grund einer sehr ausgebreiteten, auch
Neues herausstellenden Denkmälerkenntnis. Doch der behandelte Zeitraum ist
kunstgeschichtlich ein sehr problemreicher.
Nach einer allgemeinen Einleitung erörtert L. zunächst die Kunst von 1750
bis 1770, die vorbereitenden Charakter hat. Die ersten drei Abschnitte dieses
Kapitels betiteln sich: Nachleben von Barock und Rokoko, Sentimentalismus,
Bürgerlicher Realismus. Im ersten Abschnitte wird der bekannten Tatsache Er-
wähnung getan, daß Barock und Rokoko weit über die Jahrhundertmitte hinaus
lebendig geblieben sind. Vielleicht würde sich L. im Verlaufe seiner Arbeit
Manches anders gespiegelt haben, wenn er bei diesem Abschnitte etwas nach-
drücklicher verweilt und sich bei den gegebenen Analysen über das Allgemeinste
der Charakterisierung hinauszugehen entschlossen hätte. Der zweite Abschnitt
behandelt den Sentimentalismus. Es gibt in Deutschland keinen Greuze, aber die
Neigung zum sentimentalen Genre läßt sich auch in Deutschland nachweisen.
L. bildet ab und bespricht als beispielhaft Chodowieckis „Abschied des Calas"
(S. zqff). Er kontrastiert es vortrefflich mit Märtyrerdarstellungen des Barock.
Wenn er sich dabei auf die inhaltliche Seite der Sache beschränkt, betrachtet und
bewertet er das Bild durchaus so, wie es gemeinhin zu seiner Zeit angesehen und
geschätzt worden ist. Nach dem programmatischen Vorwort L.s erwartet man
freilich auch eine formale, also die eigentlich kunstgeschichtliche Analyse des
Werks, eine Darlegung seines stilistischen Verhältnisses zu Kompositionen des
Greuze, der holländischen Sittenbilder.
Als Sentimentalisten nennt L. ferner Joh. Heinr. Tischbein d. Ä., Chr. Bern-
129
anschauung von 1750 bis 1830. Inselverlag Leipzig 1931.
Landsberger will laut Vorwort eine „wirkliche" Kunstgeschichte der Goethe-
zeit geben. Die Kunst dieser Epoche steht zwar „wie selten eine in der Gefolg-
schaft geistiger Strömungen". Aber gerade deshalb „gilt es zu fragen, welche
bestimmten bildnerischen Formen" aus jenen hervorgegangen sind, ist „die
Analyse der nur künstlerischen Elemente" erforderlich, „wenn man wirklich
Kunstgeschichte als Geschichte der Kunst treiben will." Immerhin „war den
geistigen Strömungen Rechnung zu tragen, war zum mindesten die Kunstan-
schauung der Zeit in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Aber es kam dabei
nicht auf jede Spekulation über das Schöne an, sondern nur auf jene Gedanken,
die sich eng an das Kunstwerk halten und deshalb auch den konkret empfindenden
Künstler zu interessieren und zu beeinflussen vermögen."
Sehen wir von der letzten, nicht eben glücklich formulierten Einschränkung
ab, so kommt die Gesamtzielsetzung des Buches einem tatsächlichen kunst-
wissenschaftlichen Bedürfnis entgegen. Denn verstehe ich L. recht, will er die
künstlerische Entwicklung der fraglichen Epoche, die er für eine durchaus „eigen-
wüchsige, nur aus sich selbst verständliche" hält (S. 8), in ihrem möglichen Zu-
sammenhänge mit vorhandenen Kunstanschauungen, aber auch in ihrem mög-
lichen Gegensätze zu diesen, in ihrer möglichen Unabhängigkeit von ihnen dar-
stellen. L. unternimmt seinen Versuch auf Grund einer sehr ausgebreiteten, auch
Neues herausstellenden Denkmälerkenntnis. Doch der behandelte Zeitraum ist
kunstgeschichtlich ein sehr problemreicher.
Nach einer allgemeinen Einleitung erörtert L. zunächst die Kunst von 1750
bis 1770, die vorbereitenden Charakter hat. Die ersten drei Abschnitte dieses
Kapitels betiteln sich: Nachleben von Barock und Rokoko, Sentimentalismus,
Bürgerlicher Realismus. Im ersten Abschnitte wird der bekannten Tatsache Er-
wähnung getan, daß Barock und Rokoko weit über die Jahrhundertmitte hinaus
lebendig geblieben sind. Vielleicht würde sich L. im Verlaufe seiner Arbeit
Manches anders gespiegelt haben, wenn er bei diesem Abschnitte etwas nach-
drücklicher verweilt und sich bei den gegebenen Analysen über das Allgemeinste
der Charakterisierung hinauszugehen entschlossen hätte. Der zweite Abschnitt
behandelt den Sentimentalismus. Es gibt in Deutschland keinen Greuze, aber die
Neigung zum sentimentalen Genre läßt sich auch in Deutschland nachweisen.
L. bildet ab und bespricht als beispielhaft Chodowieckis „Abschied des Calas"
(S. zqff). Er kontrastiert es vortrefflich mit Märtyrerdarstellungen des Barock.
Wenn er sich dabei auf die inhaltliche Seite der Sache beschränkt, betrachtet und
bewertet er das Bild durchaus so, wie es gemeinhin zu seiner Zeit angesehen und
geschätzt worden ist. Nach dem programmatischen Vorwort L.s erwartet man
freilich auch eine formale, also die eigentlich kunstgeschichtliche Analyse des
Werks, eine Darlegung seines stilistischen Verhältnisses zu Kompositionen des
Greuze, der holländischen Sittenbilder.
Als Sentimentalisten nennt L. ferner Joh. Heinr. Tischbein d. Ä., Chr. Bern-
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