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Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur — 3-4.1930-1932

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Linfert, Carl: Griechische Form im Mittelalter: Wilhelm Worringer : Griechentum und Gotik
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Guyer, Samuel: Die nächsten Aufgaben der frühchristlich-byzantinishcen Kunstgeschichte: Gedanken zu dem Buche von Wilheilm Neuss : Die Kunst der alten Christen
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https://doi.org/10.11588/diglit.71972#0097

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die noch kaum begonnen ist und durch Untersuchungen wie die Worringers,
die das äußere Gesicht der Form betreffen, nur gesterift wird. Der Hintergrund
von Bedeutung, der unserem Denken zunächst verstellt ist, muß für das Bild wie für
das Wort erst mühsam und für jedes auf besondere Weise gefunden werden. Erst wenn
das geschehen ist, wird sich das Gemeinsame der beiden Gebiete, der Kunst
und des spekulativen Denkens, zeigen. Erst dann werden sie sich gegenseitig
bestätigen und zugleich jedes in seinem eigenen Gehalt voll erfaßt sein. Ohne
diese Vorbedingung ist das Zitieren von Texten zur Erklärung von Kunstwerken
eine dumpfe Materialparallele. Sowohl am Kunstwerk wie am Text (etwa eines
Kirchenvaters) muß zuvor in besonderen Merkmalen jener formgebende Hinter-
grund ansichtig werden, auf den wir anspielten und der uns vorläufig nur vage
als der allgemeine christliche Grundzug der Formen bekannt ist.
Köln, Oktober 1930 Carl Linfert

DIE NÄCHSTEN AUFGABEN DER FRÜHCHRISTLICH-BYZANTINI-
SCHEN KUNSTGESCHICHTE (Gedanken zu dem Buche von WILHELM
NEUSS: Die Kunst der alten Christen. Dr. Benno Filser Verlag, Augs-
burg-Wien).
In einem stattlichen Bande, dem ein reiches, auf beinahe 200 Tafeln verteiltes
Illustrationsmaterial beigegeben ist, hat hier W. Neuß die Kunst der frühchrist-
lichen und byzantinischen Zeit auf Grund der Forschungen der letzten Jahr-
zehnte dargestellt. Man begreift, daß ein solches Buch, das uns über die vielen,
in den letzten Jahren diskutierten Probleme über Ursprung und Charakter der
christlichen Kunst Aufklärung zu bringen berufen wäre, großem Interesse be-
gegnen mußte ; leider aber werden die Erwartungen, mit denen man an diese neue
Darstellung herantritt, nicht in allem erfüllt. Damit soll aber nicht gesagt sein,
daß in dem Buche keine fruchtbaren Gedanken zu finden seien; es enthält vielmehr
manches Anregende und Wertvolle. So empfindet man es als besonders wohl-
tuend, daß der Verfasser die altchristliche Kunst nicht als einseitige Formsache
betrachtet, sondern sie entschlossen in den großen kulturellen Zusammenhang
hereinstellt, der hier gleichbedeutend mit der Entwicklung des Christentums ist.
Auf diese Weise werden Inhalts- und Formprobleme aus ihrer Isoliertheit ge-
nommen und einander näher gebracht, so daß beide in der uns als ein einheit-
liches Ganzes entgegentretenden geistigen Entwicklung fest verankert erscheinen.
Alle diese Gedanken versucht der Verfasser in einer schönen und bilderreichen
Sprache uns nahezubringen; aber - und hier muß ich nun mit meinen Aus-
setzungen beginnen - eine solche etwas schwunghafte Sprache kann unter Um-
ständen zu einer Gefahr werden. Gerade in unserm Falle hat sie mitunter etwas
allzu Schillerndes, Unbestimmtes, Unpräzises. Dieses ist mir z. B. bei den Kapitel-
überschriften aufgefallen, die gewisse an und für sich richtige Einzelbeobach-
tungen in unzutreffender Weise verallgemeinern und daher irreführend wirken
können.

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