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Keltischer
Anzeiger für Literatur und Kunlt.

Beiblatt zu 71 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst und heiter ist."

3.

Sonntag, 14. Juni

1840.

Journal-Literatur.

Ungarische Journalistik.
Ungarische Papiere haben sich bisher noch nicht auf dem
großen Markte europäischen Verkehrs eingefunden, oder
insofern sie da waren, kamen sie nicht unter eigenem Na-
men vor, etwa wie die ungarische Wolle, die unter einem
collectiv-Namen erscheint, der übrigens mit Ehren getragen
werden kann. Und wie jeden Papieren, so ergeht es auch
einer andern Art von Staatspapieren, die den flauen
geistigen Verkehr beleben sollen, wie jene den materiellen,
die ihre Sprünge machen und ihre Beine erleiden, wie jene,
ich meine das ungarische Zeitungswesen. — Trotz dem,
ganz besonders durch den jüngst verflossenen Reichstag (nicht
Landtag, das ungarische so gut wie die reguü
comiriu wollen nun einmal Reichstag übersetzt werden) an-
geregten allgemeineren Interesse für ungarisches Staats-
und Volksleben, mag wohl kaum irgend ein ungarisches
Blatt die Gränze der Monarchie überschreiten, wenn nicht
ein vom Schauer der serbischen Urwälder angehauchter
deutscher Gelehrter — es gibt solche — sich die Agramer
Zeitung verschrieben hat, aus der er sich füglich über das
in stolzer Jugendkraft sprudelnde Leben des ungarischen
Volks belehren wird, wie man sich etwa aus irgend einem
Blatte des himmlischen Reichs über die rothhaarigen Bar-
baren der brittischen Inseln Rath erholen kann.
Doch nein, es mag wohl irgend ein ungarisches Blatt
den deutschen Lesern vorgelegt werden, eines von jenen,
die sich ausschließlich mit den Brettern befassen, die die
Welt bedeuten sollen, und alles andere mit einem schlech-
ten Witz verbrämt, in die alle pistriäa ihrer Lückenbüßer
werfen, denn bitter sei es geklagt, es gibt Troßbuben in
Ungarn, die mit ähnlicher Waare, Geist und Herz zu ver-
flachen trachten, und es gibt Mäklers und Stockjobbers in
dem großen, herrlichen Deutschland, die sich nur mit Dis-
contirung von Effekten befassen, deren Nennwerth schon
unter null ist.
Schwartner führt in seiner noch immer ausgezeichneten
Statistik Ungarns ein in Ofen — wo ich nicht irre, um das
Jahr 1721 ausgegebenes Zeitungsblatt an, das sich in

der Pesther Universitäts-Bibliothek vorfindet, und wahr-
scheinlich den ersten Anfang des nun seit einhundert und
zwanzig Jahren betriebenen Zeitungwesens bildete. Zei-
tungsberichte über Ungarn aus dem 17. Jahrhundert, als
noch der Halbmond von den Zinnen Ofens auf den KLbos
hinüber sah, erschienen in Deutschland, respektive in Re-
gensburg während der Reichstäge fast ununterbrochen, die
der Antiquar, unter dem Titel: Neue Fama über das
Hcranrücken des Türkenhundes, und unter andern ähnlichen
aufzählt, die aber in der Regel einen Gesammtbericht über
eine ganze Campagne liefern, und folglich nicht in das Be-
reich der Journalistik eingereiht werden können. — Als
unter der Regierung Maria Theresia's deutsche Sprache
und Literatur in Ungarn mehr verbreitet wurden, erschienen
in Preßbnrg, dem damaligen Sitze der höchsten Landes-
stellen, mehrere deutsche Blätter, die für Landeskunde und
Geschichte manchen werthvollen Beitrag lieferten, aber sich
bei der Wendung der Tendenzen, die hauptsächlich durch
das stürmische Einschreiten Kaiser Josephs II. hervorgerufen
wurden, nicht halten konnten, und mehrentheils ungari-
schen Blättern ihren Platz einräumten.
So konnte sich Ungarn schon zwischen 1780 — 1790 einer
ziemlich regen Journalistik rühmen, die bei aller Naivität,
durch die sich nun einmal ihre jungen Jahre nothwcndig
offenbaren, doch auch schon Männer wie Karinerp und
Bacsünyi unter ihren Redakteuren auszuweisen Hatte, denen
das allseitige mächtige Aufstreben jener Jahre nicht fremd
geblieben, die schon vor fünfzig Jahren der ungarischen
Journalistik neben den allgemeinen Tendenzen europäischer
Civilisation auch jene der Nationalifirung angewiesen ha-
ben , die durch ein halbes Jahrhundert nie mehr aus dem
Auge gelassen, allen Anfeindungen zum Trotz, Jahr für
Jahr mehr Boden gewann, und von der Regierung ge-
billigt und befördert, durch die endliche Erhebung der
ungarischen Sprache zur diplomatischen des Reiches, in
neuester Zeit ihren Triumph feierte. Herder's Prophezei-
hung, der in den Ideen zur Geschichte der Menschheit,
der ungarischen Sprache ihren nahen, unvermeidlichen Tod
weissagte, ist nicht in Erfüllung gegangen.
(Zweite Abtheilung folgt.)
 
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