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Kritischer

Anzeiger tur Literatur und Kunst.

Beiblatt zu 134 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst und heiter ist."

L9.

Sonntag, 8. November

1840.

Kunstberieht ans Düsseldorf.
Im Oktobers 1840.
„Wir sind in unsrer Zeit gewaltig anspruchsvoll ge-
worden." von Uechtritz.
(Fortsetzung.)
Was also die Mühen anbetrifft, ,von den bedeutenden Künst-
lern ein Bild zu erhalten, so rathen wir dem Publikum, sich
nicht durch von Uechtritz abschrecken zu lassen, sondern zum
Heil der Kunst dreist bei den Besten anzupochen, und sind wir
gewiß, man wird sehr selten zu Bitten seine Zuflucht nehmen
müssen, um eine Bestellung anbringen zu können. Wir erin-
nern uns nur zweier Maler Lessing und Schrödter, die
in der Zeit, von welcher der Verfasser spricht, einigemal Be-
stellungen abgelehnt haben, und sind wir überzeugt, daß es ge-
wiß nicht an bedeutenden Talenten fehlen würde, wollte man
ihnen Gelegenheit geben, Werke zu schaffen, wie zu Zeiten Leo X.
und Julius II. durch eine schützende und hebende Begeiste-
rung für die Kunst hervorgebracht werden konnten. Nebenbei
bemerken wir noch, daß die Sagen von der Armuth Correg-
gio's längst widerlegt worden, was v. U. wohl hätte wissen
können, wenn nicht der arme Correggio zum Schmucke des
Uechtritz'schen Bildes vortrefflich gedient hätte. Wie indeß
schon gesagt, der Verfasser weiß Alles zu gebrauchen, um mit
einer unerschöpflichen Fülle nichts zu sagen; was er S. 2 fest-
gestellt, hebt er S. 6 wieder auf, wobei er unter andern auf
die unschuldige lyrische Poesie und auf die englischen Romane
böse wird, für uns ganz ohne, für v. U. wahrscheinlich mit
vielem Grunde. S. 7 und 8 stellt der Verfasser Fragen über
die Münchner Schule auf, beantwortet sie zum Theil, hebt die
Beantwortung wieder auf, bis der Leser endlich erfährt, Herr
von Uechtritz sei nicht in München gewesen. Ueberhaupt wird
der Leser diesen kreisenden Berg am Schlüsse Herrn von Uech-
tritz gebähren sehen, der es in diesem Falle sogar verzeiht, wenn
vielleicht Leute aus den untern, oder Mittlern Ständen der Ge-
burt des adlichen Herrn beigewohnt haben.
Bei dem Uebergang von der Münchner auf die Düssel-
dorfer Schule heißt es: „Zwar läßt man ihr (der Düsseldor-
fer) Zeit, ihre Arbeiten so langsam auszuführen, als sie Lust
hat. In dieser Hinsicht hat sie sich unabhängiger erhalten."
Es fehlt hier der Vergleich, v. U. hat zwar vorher angedeutet,
die Münchner Schule möchte auch von dem modernen Kunst-
enthusiasmus , wenigstens der dampfgetriebenen Eilfer-
tigkeit, die demselben zu Grunde liegt, nicht ganz unbeein-
trächtigt geblieben sein, hebt aber das Gesagte sogleich dadurch
auf: daß das allgemeine Gerücht der treibhausartigen
Pflege erwähne, unter der die dort (in München) wirkende und
schaffende Kunst nicht selten zu leiden haben soll. v. U. hilft
sich hier vortrefflich mit einem Zieitur; wie aber dampfge-
triebene Eilfertigkeit mit treibhausartiger Pflege zu verbinden
und worauf das „unabhängiger" im Vergleich zu beziehen ist,
können wir nicht heransfinden, und wollen auch diese undank-

bare Mühe aufgeben, sondern nur von der Unklarheit, in der
v. U. herumtappt, einen Beweis hinstellen, der übrigens durch
das ganze Buch vom Verfasser selbst geführt wird.
„Was das Bedenklichste ist", heißt es weiter, „in den
Kunstarbeiten dieser Schule selbst zeigt sich eine nicht abzuleug-
nende Hinneigung zu den Schwächen der Zeit, ein Charakter,
den man im schlimmen Sinne einen modernen nennen muß. Die
geleckte Sentimentalität so vieler Heiligen und Nichtheiligen, die
zum Himmel verdrehten, mattherzig (wenn nicht gar coquett)
gesenkten Augen derselben, die graziöse Andacht, das zierliche
Innig - und Minnigthun, die charakterlosen idealisirten Mädchen-
gestalten, kurz die ganz geift -, kraft- und saftlose Idealwelt
eines, einer schwächlichen Sinnlichkeit verfallenen Gefühles, das
wir auf den Ausstellungen Düsseldorfer Bilder mehr oder we-
niger begegnen, gehören nicht hierher." Mit einem „Aber" läßt
v. U. freilich sogleich folgen, daß auch eine Fülle des Gesunden
und Tüchtigen vorhanden sei, wird indeß dadurch den Eindruck
des Vorausgestellten nicht verwischen, wonach der Leser geneigt
sein muß, „die geleckte Sentimentalität" als den Kern der da-
maligen Düsseldorfer Schule zu betrachten. Mit dem Gerügten
verhält es sich aber so: allerdings fanden sich damals auf den
Ausstellungen Gemälde vor, welche mit Mühe zu Heiligenbilder
erhoben waren, und zwar durch Anfänger, die so ihre Studien-
köpfe an den Mann zu bringen hofften. Und wenn v. U. S. 10
sagt: er werde manchmal einen Namen verschweigen, so ist diese
Aeußerung für jene Rüge unnütz, denn alle Die, welche diese
trifft, waren damals ohne Namen. Das ist's aber besonders,
was wir an dem vorliegenden Werke zu tadeln haben, daß das
Schlimme von dem Verfasser stets in den Vordergrund so breit
als möglich hingestellt, das Bessere und Eigentliche indeß nur
mit einem „Aber" erwähnt worden, und doch nennt S. 11 die
Aufgabe des Werks: die Fülle des Tüchtigen und
Gesunden hervorzuheben und näher zu charak-
terisiren und eine eigenthümliche Entwickelungs-
stufe der Kunst darin nachzuweisen. Wir werden
gleich sehn, wie diese Aufgabe zum Gegentheil umgedrcht wor-
den ist.
Zuerst erfahren wir nun, daß v. U. der Freund Lessings ist,
was uns unbekümmert lassen würde, wenn nicht der Verfasser
selbst den Zweifel hervorriefe, daß der Freund sich geirrt
haben könne. Bei einer solchen Befürchtung wäre es aller-
dings besser gewesen, der Freund hätte unterlassen, über Lessing
zu Gericht zu sitzen. Und wenn zugestanden wird : Lessing könne
sich auf seine Werke verlassen, so deutet dies doch wohl darauf
hin, daß die Welt diese in ihrer Größe gewürdigt hat, und so
erscheint die Biographie für jetzt mehr als überflüssig, da sie
der Welt doch nicht verloren gehen, als ein Ganzes aber nicht
gemessen werden konnte; aber freilich hätte dann der Verfasser
die schöne Gelegenheit verloren, sich schon jetzt als der Freund
Lessing's und nebenbei auch Schnaase's, Im m er-
mann's und Mendelssohn-Bart holdy's vorzuführen.
Denn so fest sich scheinbar v. U. in den Mantel der Beschei-
denheit verhüllt, die liebe Eitelkeit drängt ihn doch, denselben
 
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