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Kritischer

Anzeiger kur Literatur und Kunst.

Beiblatt zu 152 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst nnd heiter ist."

E 2Z. Sonntag- 20. Dezember 1840.

Literatur.
Die europäischen Lieder von Mar. Langen-
schwarz. Leipzig, Paul Baumgärtner (Heinrich
Hunger). Preis: 1'/? Nthlr.
Herr Langenschwarz, bekannter als Improvi-
sator , denn als Dichter, überreicht uns keineswegs
Lieder, die in ganz Europa gesungen werden, oder
europäische Geltung haben, sondern nur Verse, welche
bei jedesmaliger Angabe des Produktionsorts, die Visa
des Wanderbuchs eines viel in Europa herumgekom-
menen und oft mit einer Art Erfolg ertemporirenden
Reimers zeigen. Herr Langenschwarz, der eine humo-
ristische Ader zu haben glaubt, den Humor aber zum
Spaß herabdrückt, hat das Genre — wozu er sich in
den sog. europ. Liedern bekennt — zu leicht genom-
men. Wir wollen durchaus nicht animos gegen den
Pers, verfahren, müssen aber bekennen, daß seine Ge-
dichte zuweilen an Johann Matthias Dreyer
erinnern. Ei^ Franzose hat Herrn Langenschwarz zwar
das Compliment gemacht: ,,Sie sind kein Improvisator,
Sie find ein Dichter;" aber das ist eben nur ein
Compliment, leicht und schnell wie die Auster über
eine französische Zunge gleitend.
Wenn schon der Titel des Buchs von Arroganz
zeugt, so zeugt die vorwörtliche Anrede: ,Mein liebes
Jahrhundert!" von Süffisance und von einer Beschei-
denheit, die der Keckheit so verwandt ist, wie das
Erhabene dem Lächerlichen. Untersuchen wir nun das
Volumen der Verse, so wissen wir nicht, ob wir mehr
über ihre Geschmacklosigkeit oder über ihre Frivolität
erstaunen sollen. Man höre:
„Erlauben Sie, Frau Professorin —
Ich komme, Sie wissen ... von wegen...
Ich möchte .. hm! bin! .. Eie verstehn mich wohl ...
Ich möchte gerne belegen!"
Das sind nur vier Frischlinische Zeilen eines zum
Brechen säubern Gedichts mit der säubern Ueberschrift
,, Studio - Phantasieen ". Herrn Langenschwarz war
diese saubere Phantasie noch nicht sauber genug, er
schrieb einen Appendix dazu, wo es heißt:
„Dein Herz ist von Stein und das meine von Stahl,
Was ist da weiter zu klagen?
Komm her, und laß uns ein Einzigmal
Zusammen Feuer schlagen!
Es ist Schade, daß Hr. Langenschwarz kein Latein
schreibt; er könnte das Opus kriseklini fortsetzen.
Ueber seinen Beruf zur Poesie liest man gleich
darauf die klassische Stelle, wo er den „Studio" zur
„Frau Professorin" sprechen läßt:

„Du weißt nicht, womit Du die Pein Dir stillst?
Du willst Dein Leben vernichten?
Wenn Du Dich ins Wasser stürzen willst.
Ersäuf' Dich in meinen Gedichten!
Herr Langenschwarz besitzt eine unverwüstliche Fad-
heit , zumal wenn er epigrammatisch sein will. Zum
Beleg:
„Grüß' Gott, Schulmeister Hammel!"
Heb?"" -
„Was machen Ihre Schüler?"
„„Mäh!"" -
Aus dieser Fadaise muß man schließen, daß Hr.
Langenschwarz seinen Zopf trägt und in der Hand
einen Trichter hält.
Ein Lied mit der Ueberschrift „Im!" und der Un-
terschrift „Braunschweig" beginnt:
Ich sah sie jüngst im Bade,
So ganz von ohngefähr.
Ich sah die runde Wade,
Da« Kniechen — und noch mehr.
Kurz, was man nur kann sehen.
Das sah ich ohne Zwang —
Ich wollte schier vergehen
Vor Lust und Liebesdrang.
Doch genug!-
Damit Hr. Langenschwarz nicht ganz lobleer aus-
gehe , so wollen wir nicht unbemerkt lassen, daß in
seiner Spreu auch drei Körner sich finden. Wir nen-
nen das Gedicht auf Gottfried Basse (aus Leip-
zig datirt), die Leichenbegleitung und das
Hochzeitlied (angeblich in Amsterdam geschrieben).
Nur machen drei Körner noch keinen Neichen und drei
Decenzen noch keinen Decenten. F. F.

Der fahrende Münchhausen, oder neun Neise-
bilder zu Wasser und zu Lande, durch die Luft,
Erde, durch Feuer- und Schneegefilde, am Süd-
und Nord-Pol, in den Mond und in die Hölle,
von Freiherrn von Münchhausen. Aus dem Fran-
zösischen von Viktor Savello. Mit 8 Umrissen
und einem Anhang von Gedichten. Meißen, bei
Goedsche.
Eine erbärmliche Nachahmung des Originals Münch-
hausen , die sich durch absurde Uebertriebenheiten, ge-
spickt mit matten Ausfällen gegen die moderne deutsche
Literatur und durch fuhrmannsartige Seitenhiebe auf
einige belletristische Zeitschriften, der gröberen Masse
des Lesepublikums zu empfehlen sucht. Lügen ist leicht,
aber graziös und witzig zu lügen, nicht Jedermanns
Sache. Um von dem Werthe des poetischen Anhangs
einen Begriff zu geben, begnügen wir uns bloß, eine
 
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