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Kritischer
Anzeiger kur Literatur und Knnkt.

Beiblatt zu 104 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst und heiter ist."

10. Sonntag, 30. August

1840

Düsseldorfer Kunst.
Dritte Abtheilung.
„Die wandelnden Heerden in der Abend-
dämmerung mit ihrem Geläut', die ich oben
von der Mauer herab mit stillem Entzücken be-
trachtete, die Schalmei des Schäfers, der in
Mondnächten seine Schafe von Triften zu Tristen
leitete, das Bellen des Hundes in der Ferne,
die jagenden Wolken, die aufsenfzenden Abend-
winde , das Rauschen des Flusses, das sanfte
Anklatschen der Wellen am steinigen Ufer, das
Einschlafen der Pflanzen, ihr Einsaugen des
Morgenlichtes, das Kämpfen und Spielen der
Nebel, — o sag^, welcher Geist hat mir das
geistig noch einmal geboten?"
Es war I. F. Diekmann aus Frankfurt a. M.,
der durch sein — zwar in kleinen Dimensionen ausgeführtes —
Gemälde meine Seele berührte mit jenen Klängen, die des
Lebens unerbittliche Praxis selten dem sehnenden Herzen zuführt,
nimmer aber ohne ironisches Lächeln gestattet, den wehmüthigen
Erinnerungen, welche solche Töne Hervorrufen, sich mit ganzem
Gemüthe zu ergeben. „Was ist aber hiermit bewiesen?" wird
leider nicht allein jener Mathematiker fragen, der am Schluffe
der Oper „Don Juan" in solche Worte gegen einen Freund
ausbrach; das Heer der Verstandesmenschen wird kalt, wie jener
bei Mozart's unsterblichem Werke, an dem kleinen Bilde „Hessische
Schäfereien" von I. F. Dielmann vorübergehen, um vor
den großen Farbenkunststücken voll Verwunderung zu verweilen;
denn „was hat man davon?" In einem stillen, sonnigen
Thale liegt ein freundliches Dörfchen. Auf der schützenden
Höhe weidet eine Schasheerde unter der Hütung eines alten,
sonnverbrannten Schäfers und seines „vierschrötigen" Jungen.
Beide haben dem Dorfe im Thale den Rücken zugekehrt und
sprechen über künftige „bessere" und über alte „gute" Zeiten.
Ein vierzehnjähriges Mädchen - vielleicht die Enkelin des Schäfers,
die ihm in Begleitung des jüngsten, vierjährigen Schwesterchens
einen erquickenden Trunk gebracht — hat sich im Vordergründe im
Schatten eines Waldes niedergelassen und strickt emsig an einem
großen Wollstrumpfe. Das Schwesterlein, von dem Wege und
dem Hin- und Herlaufen beim Blumensammeln ermüdet, hat
sich halb auf den Rasen, halb auf das Kleid der sitzenden
Schwester geworfen, ein Händchen unter das rosige Köpfchen
geschoben, und die kaum gesammelten Blüthen achtlos dem
Winde preisgebend, schläft es den Schlaf, den nur ein Kind
schlafen kann, geküßt von dem Hauche reiner Bergesluft. Dies
und etwas Himmel und Sonnenschein ist Alles, — wenig für
den, der nie die Natur belauscht hat, wenn sie ein Kind ist, —
unaussprechlich vieles für den, welcher empfunden hat, was die
vorgesetzten Worte Bettina's eben so unübertrefflich zurückrufen,
wie die Schöpfung Dielmann's: „Hessische Schäfereien."
Wenn wir von dem besprochenen Gemälde zu I. B. Londen-

land's (aus Düsseldorf) „Untreue, nach einem Volks-
liede" übergehen, so tritt uns bei aller Lebhaftigkeit in Auf-
fassung und Darstellung, welche der weitbekannte, talentvolle
Maler in seinem Bilde entwickelt, doch etwas störend entgegen,
was wir mit keinem andern Namen zu benennen wissen als
dem des „Gemachten." So freundlich die Composition, so
reizend die Ausführung, unser Gcmüth wird nicht so bewegt,
wie Schöpfungen dieser Art bewegen und erregen sollen. Noch
weniger ist dies der Fall bei den Bildern Joh. Georg
Meyer's aus Bremen: „Das Atelier eines Malers" und
„Die junge Wittwe am Begräbnißtage ihres Ehegatten." Eine
solche reizende Malerei, eine solche Harmonie der Farben und
— ach, so viel Modernität! „Aber das soll es auch; warum
das Moderne von der Darstellung ausschließen? Die Kunst
darf keiner Lebensrichtung fern bleiben, und am wenigsten der,
in welcher sie sich zeitlich bewegt." Immerhin! — mag der
Künstler sich nicht täuschen; doch gibt's mancherlei, das sich
nun und nimmermehr zu Ehren bringen läßt, und dazu dürften
wohl Vatermörder, Livreen, Pauschärmel, Fracks w. gehören.
— Mehr spricht eine „Weinlese am Rhein", wie sie von St.
Richter aus Thorn unserm Auge geboten wird, unserm
Gcschmacke zü, sei's auch unterstützt durch die Erinnerung —-
der Künstler in dieser Richtung thut immer wohl daran, solche
Darstellung zu wählen, bei der viele angenehme Erinnerungen
in vielen Herzen wach werden — doch betrifft dies mehr die
Idee als die Ausführung. Weniger tief in der Erfindung ist
desselben Malers „Mädchen am Fenster." Letzteres ist durch
die Verloosung an den Herrn Grafen zu Isenburg und Bü-
dingen zu Wächtersbach bei Gelnhausen gefallen; desgl. „das
Atelier eines Malers" von Joh. Georg Meyer an Herrn
Gymnasiallehrer Marcowitz zu Düsseldorf und „Hessische Schäfe-
reien" (in dem Catalog ist das letzte Wort des Titels ver-
druckt; in der Anzeige nach der Verloosung ist das Bild
„Hessische Schäferin" genannt) von Dielmann an den
Königl. Kammerherrn, Freiherrn von Elverfeldt - Werries zu
Münster. — Maassen aus Aachen gibt in seinem Werke
„Das Gleichniß von den Arbeitern im Weinberge" dem Ge-
müthe wie dem Verstände eine gleich erfreuliche Erregung. Es
ist eine glückliche Idee, die göttlichen Parabeln des Neuen
Testaments bildlich darzustellen, und es kann ein Künstler,
welcher mit gleichem Talente wie der genannte Maler begabt
ist, auf diesem Wege in der heiligen Geschichte auf glücklichere
Erfolge rechnen, als die sein werden, welche er auf dem so
vielbetretenen Pfade gewinnen möchte. Die freiere Bewegung
in Wahl der Zeit, des Orts und somit der Kleidung, welche
ihm hier gelassen ist, wird eine schnellere Entwicklung der Kräfte
mit sich bringen, als einem Talente in der Darstellung der
Madonna, der Geburt Christi, der Kreuzschleifung u. s. w. ge-
boten wird. Nur dem Genie eines Overbeck wird es
heutzutage gelingen, in dieser Richtung Theilnahme — und doch
nur eine bedingte — und somit Befriedigung zu gewinnen.
Maassen's Werk ist durch die Verloosung nach Elberfeld
an die Herren Heinr. Wilh. Siebet und Gebrüder gefallen.
 
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