Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kritischer
Anzeiger kür Literatur und Aunlt.

Beiblatt zu 131 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst nnd heiter ist."

18. Sonntag, L November 1840.

Krrnstberieht ans Düsseldorf.
Im Oktober 1840.
„Wir sind in unsrer Zeit gewaltig anspruchsvoll ge-
worden." von Uechtritz.
Wenn wir in dem Werke: „Blicke in das Düsseldorfer
Kunst- und Künstlerleben von Friedrich von Uechtritz. Düssel-
dorf, bei I. H. E. Schreiner 1839 und 1840" nur das
hervorheben, was uns tadelnswerth erscheint, so liegt dies in
der Natur unseres Aufsatzes, der nur eine Entgegnung des nach
unserer Ueberzeugung in dem genannten Werke Unwahren beab-
sichtigt. Wir stellen darum nicht in Abrede, daß von Uechtritz
einiges Wahre, namentlich in Bezug auf die Streitigkeiten der
Ost- und Rheinländer in dem Aufsatze „die Düsseldorfer Aka-
demie" ausgesprochen hat und wollen hiermit jeden Vorwurf
abweisen, als ob Nachstehendes nur einseitig und gehässig das-
jenige zusammenstelle, was auf die „Blicke—-" ein unvortheil-
haftes Licht werfen dürfte; es liegt aber unserem Aufsatze nur
der alleinige Wunsch zu Grunde, das Publikum zu überzeugen,
daß v. U. nicht seiner Aufgabe gewachsen war und daß—als
natürliche Folge — der Leser ein unklares, schiefes und somit
falsches Bild von einer unserer bedeutendsten Malerschulen, ihrer
Entstehung, ihrem Fortgang, ihrem Stifter und ihren Mitgliedern
erhalten hat. Warum wir unsere Besprechung mit dem zweiten
Bande beginnen, wird dem Leser im Verfolge deutlich werden,
und somit gehen wir auf das Werk selbst über.
Der Verfasser beginnt den zweiten Band mit der Entschul-
digung an den Leser, der sich wundert, in diesem Bande die
Fortbestehung der biographisch-kritischen Mittheilungen über Lessing
nicht zu finden, daß Lessing gegen v. U. den Wunsch geäußert
habe, die Aufregung, welche das Erscheinen des ersten Bandes
in einem Th ei le (?) der hiesigen Künstlerwelt gemacht hat,
wenigstens in Beziehung auf seine Persönlichkeit, nicht wiederholt
zu sehen. In Wahrheit aber hat Lessing so wenig Interesse an
dem Unternehmen seines Freundes genommen, daß er nicht
einmal zugegeben: den ersten Band vor seinem Erscheinen durch
v. U. vorlesen zu hören, und daß er auch später sich mit dem
Werke selbst gar nicht bekannt gemacht hat. Wenn er also
den Wunsch äußerte, keine Forschung seiner von Uechtritzschen
Biographie zu erleben, so ging derselbe nur daraus hervor, daß
es dem einfach biederen Lessing unangenehm war, über sich über-
haupt vor der Welt sprechen zu hören, und daß er eine nicht
zu läugnende Unbequemlichkeit fühlte, seinen Biographen in die
Unsterblichkeit tragen zu müssen. Ebenso bestand die Aufregung,
von welcher der Verfasser spricht, nicht unter einem Theile der
hiesigen Künstler, sondern alle — uns ist keine Ausnahme be-
kannt — waren entrüstet über ein Werk, das, zusammengetragen
aus Anekdoten und philosophirenden Redensarten, eine Geschichte
der Düsseldorfer Malerschule im weitesten Sinne sein wollte.
Ob und wie weit dieser Vorwurf ein gegründeter ist, wird der
Leser im Verfolge beurtheilen können, wir bemerken nur noch
zur Einleitung des zweiten Bandes, daß, wenn v, U. fühlt,

seine Neigung zu einer Fortsetzung der Geschichte der hiesigen
Malerschule sei für immer verloren gegangen, in diesem Aus-
spruche selbst eine unfreiwillige Berurtheilung des ganzen Unter-
nehmens liege. Wer als kritischer Geschichtschreiber auftreten
will, greife zuvor in seine Brust und sehe zu, daß er Alles
daraus fortschaffe, was das liebe Ich so gerne zur Schau stellen
mag; und wenn sein Herz fähig ist zur Aufnahme allumfassen-
der Liebe, schließe er's gar genau, damit das liebe Ich nicht
wieder hineinhusche und sich ein breites Lager bereite. Doch
kurz und wahr! das größte Mißvergnügen erregte der erste
Band des Uechtritzschen Werkes bei den hiesigen Malern dadurch,
daß darin der Verfasser sich selbst mehr im Auge behalten hat,
als die Bescheidenheit erlauben will, und daß somit aus dem
ganzen Werke nur Eines für das Publikum klar hervorgehcn
mußte: daß nämlich v. Uechtritz die bedeutendsten Talente der
hiesigen Schule erst zur Bedeutung gebracht, indem er die lieben
Kleinen, die kindlich und jungfräulich seine Belehrungen annah-
men, mit Philosophie, Poesie und Geschichte gefüttert und sie
so zum Besten der Kunst und der Welt groß gezogen habe
(s. 1. Band S. 66).
Wir gehen vorläufig auf das IsteCapitel des zwei-
ten Bandes ein, um uns von hieraus über das ganze Werk
zu verbreiten.
Der Verfasser sagt: einige der hiesigen Maler wären durch
den Isten Band in die Besorgniß gerathen, daß man sie für
sentimentale Philister halten würde. „Außer diesen Besorgnissen,
fährt v. U. fort, in denen ich einen Kern des Aechten und
Wahren, ein Bewußtsein gern anerkennen will, daß das beste
Leben der Zeit (wenigstens nach seiner einen Seite hin) in den
Regionen des denkenden Geistes zu suchen sei. — „Nun, bei
Gott! Herr von Uechtritz ist gegen die hiesigen Maler sehr
gütig, indem er ihnen wenigstens das Bewußtsein zugesteht,
daß das beste Leben — warum denn unsrer, und nicht jeder
Zeit? — in den Regionen des Gedankens zu suchen sei. Was
soll nach solcher Aeußerung das Zeugniß, welches sich der Ver-
fasser giebt: „mit den wohlwollendsten Gesinnungen verfahren
zu sein", was ferner die Aeußerung (S. 12) „mit zu breitem
Finger in die Büchse des Lobes gegriffen zu haben", wie, fra-
gen wir endlich, ließe sich dies mit der unbestechlichen Gerech-
tigkeit des Kritikers und Geschichtschreibers vereinigen? Hier-
nach wären die hiesigen Maler Herrn von Uechtritz noch vielen
Dank schuldig; und wirklich scheint er solchen zu fordern, wenn
er (S. 13) sagt: „Schien es doch, daß ich so das ehrenwerthe,
aber bedenkliche Ringen, das hiesige Kunstwirken in eine ihm
fremde, meinetwegen höher« Sphäre (8ie?) hinaufzuquälen,
so noch am ersten von seiner eigenen Grund - und Hoffnungs-
losigkeit überzeugen könne (8ie?), oder wenn ich auch eine so
stolze Aussicht aufgegeben hätte, doch dem Marke dieses Wir-
kens ein stärkendes Bewußtsein seiner selbst, und gleichsam der
Füße, auf denen es ruhe, verschaffen werde." Wir würden
uns hier zum Spotten gereizt fühlen, wenn es uns nicht zu
schmerzlich wäre, Herrn von Uechtritz als Berather des genialen
Schadow's zu denken. Und dies ist der Kern der stolzen Worte,
 
Annotationen