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Kritischer
Anzeiger für Literatur und Kunst.

Beiblatt zu 140 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst nnd heiter ist "

21. Sonntag, 22. NOvember 1840.

Krrnftbericht ans Düsseldorf.
Im Oktober 1840.
„Wir sind in unsrer Zeit gewaltig anspruchsvoll ge-
worden." von Uechtritz.
(S ch l u ß.)
Um übrigens alles zu widerlegen, was in vorliegendem
Werke zu widerlegen wäre, müßten wir selbst ein Buch der
Widerlegungen schreiben. Deshalb berühren wir hauptsächlich
nur das Wichtigste in Bezug auf die hiesige Akademie und Maler.
Wir gehen hiermit über zu „Der Maler Lessing" und
verfolgen in dem, was wir aus diesem Aufsatze hervorhebcn,
unsere anfangs dargelegte Absicht, nur auf Widerlegungen uns
einzulafsen. So lange die biographische Darstellung diejenigen
Lebensjahre behandelt, welche ohne die Uechtritzsche Freund-
schaft dem Genannten verflossen sind, wird der Leser mit ziem-
licher Befriedigung das finden, was der Titel ankündigt; von
dem Augenblick aber, wo der Verfasser sich einführt, hört die
Biographie Lessings auf und es erfaßt uns bald wieder der-
selbe Ekel, mit welchem die kleinliche Selbstsucht des Autors
uns bei den frühem Aufsätzen erfüllte.
Was S. 339 über Lessings Interesse für Kunst gesagt
wird, ist, wie so Vieles in vorliegendem Werke, nur halb
wahr. Lessing sucht die Natur durch die Kunst in idealer
Form wiederzugeben, er liebt deshalb die Kunst als Mittel.
Das Kunstwerk selbst kann den Künstler um so weniger befrie-
digen, je tiefer er in die Schönheit der Natur eingedrungen ist.
Auffallend ist der Widerspruch, in welchen v. U. geräth,
indem er einmal Lessin g's Talent entschieden für die Qel-
malerei hervorhebt, und sich doch bemüht, sein Frescogemälde
als ein vorzügliches herauszustellen, so wie überhaupt sein Ta-
lent für diese Malerei dadurch zu beweisen, daß Lessing selbst
Oelgemälde so leicht male, daß man es nur ein Tuschen nennen
könne. Für Dilettanten wird es ein wahrer Fund sein, S. 367
zu erfahren, daß Lessing bei Ausführung seiner Zeichnungen
eine Verdünnung von Kaffee zu Hülfe nehme.
Wir mögen uns nicht weiter über solche Nichtssagenheiten
auslaffen, die mit dem durch v. U. aufgesetzten Briefe die klein-
liche Eitelkeit des Verfassers von Neuem Herausstellen. Lessing
ist freilich nicht der Mann, der, wenn irgend Jemand seinen
Arm unter des Künstlers Arm schiebt und so mit ihm die Düs-
seldorfer Allee auf und nieder spaziert, sagen wird: „scheeren
Sie sich zum Teufel!" er ist aber auch nicht der Mann, der
einen v. U. bedarf, um seinen Genius aufzumuntern. Lessing,
ernst, würdig, bieder, setzt keinen Stolz darein, alles und
jedes zu kennen, er erröthet nicht, zu sagen, davon weiß ich
nichts, aber er ist auch unermüdlich, das, was er kennen
will, ganz zu wissen. Nicht--um sich mit einer Allerwelts-
weisheit zu brüsten, studirt er Geschichte, sondern um der Hi-
storie selbst willen, und wenn er's sich gefallen läßt, daß die
lebendigen Cataloge zu ihm ins. Haus kommen, sich ergebenst
aufblättern und Titel und Jahrszahl eines ihm eben wünschens-

werthen Werkes zeigen, so find diese Cataloge noch nicht die
Schöpfer der Gemälde, welche nach dem Studium jener Werke
ein Lessing hervorruft, weßhalb es ganz einerlei ist, wer den
Dienst eines Bücherverzeichnisses und nebenbei eines Bücher-
trägers dem Künstler geleistet hat.
Was endlich die am Schluß besprochene Farbenskizze Lessings
„das Costnitzer Concilium" betrifft (das Gemälde beschäftigt
gegenwärtig den Künstler) so müssen wir, obgleich nicht katho-
lisch, doch in den Tadel einstimmen, welcher, nach v. U., von
der eifrig-katholischen Seite erhoben wird. Ein historisches Bild
darf nicht von verschiedenen Seiten aufgefaßt werden und mußte
dieses Concil nicht wieder in einen Ausschuß (wie sich v. U.
ausdrückt) verwandelt, sondern der Wahrheit gemäß dargestellt
werden, wozu die Gegenwart eines Gerson gehörte. Ueberhaupt
halten wir dafür, daß für Lessings Genius hier nicht das
Feld war, sich in seiner ganzen Kraft zu entwickeln. Lessing
ist nur nach zwei Seiten groß: in der Darstellung lebendiger
That und in der wehmüthigen Ruhe. Für beide bietet die er-
wähnte Situation wenig oder nichts und so hat sich Lessing
nach einer ihm ganz fremden Seite der Ironie und Bitterkeit
hinwenden müssen. Und wenn auch in Huß für jene zwei
Richtungen einige Elemente liegen, so treten diese nicht entschei-
dend hervor, weil Huß, ob schuldig oder unschuldig, doch
immer ein Besiegter bleibt. Wir zweifeln darum nicht, daß in
dem Gemälde Lessings eminentes Talent zu erkennen sein wird.
Den zweiten Band des v. U. Werkes haben wir noch nicht,
außer der Einleitung, gelesen, und lassen es dahingestellt, ob
es zu Widerlegungen auffordert oder nicht.

Literatur.
Master Humphrep's Wanduhr. Humoristisches
Lebensgemälde von Boz. Aus dem Englischen von
E. A. Moriarty. (Mit Federzeichnungen nach
Cattermole und Browne.) 2 Thle. Leipzig, I. I.
Weber. 1840. (a Vd. 1 Rthlr. 6 Gr.)
Diese mit dem Portrait des berühmten Autors der „kielc-
xvielc-xapers" geschmückte und mit einer interessanten biogra-
phischen Einleitung versehene Uebertragung dürfte allen Freunden
der Romanlektüre und den Verehrern der brittischen Literatur
die vielleicht willkommenste sein. Sie ist von einem Manne
unternommen, der, wenn nicht olä lssnAlaml, doch „grün Erin"
als sein Vaterland nennt und der jetzt in Leipzig den in vieler
Beziehung interessanten „Continental antl kritiski Lxaminer"
schreibt. Es ist jedenfalls interessant, einen Britten selbst als
deutschen Ucbersetzer aus dem Englischen begrüßen zu können.
Doch zurück auf Boz und die Wanduhr. Boz, dessen Or-
thonpmität Dickens ist, und der von seinen Pickwickiern an
bis auf vorliegenden Master Humphrep eine erstaunliche Scala
von Ruhm in kürzester Frist erstiegen, ist trotz des schon me-
lirten Haars seiner Fama ein noch sehr junger Autor, und man
 
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