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Kritischer
Anzeiger kur Literatur und Kunst.

Beiblatt zu 107 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst und heiter ist."
11. Sonntag, H. September 1840.

Literatur.
Die Schweizer-Chronik. „Von der Stiftung des
Rütlibundes bis zum ewigen Frieden mit Frank-
reich." Von Johann Sporschil. (Mit 25 Stahl-
stichen nach Original-Zeichnungen von G. Opitz.)
Leipzig, CH. G. Kayser'sche Buchhandlung.
(Franz Beyer.) 1840.
Chroniken mit Bildern haben von jeher einen eigenen Reiz
für die lesende Welt gehabt. Die berühmtesten Maler wett-
eiferten einst, Geschichtsbüchern für das Volk den Schmuck der
Kunst zu verleihen, um so der Einbildungskraft des Geschichts-
lesers zu Hülfe zu kommen und sie zu nähren. Jetzt, wo der
Stahlstecher den gewöhnlichen Jllustranten für dergleichen Werke
abgibt, ist es neben dem großen Sinne für Geschichte, der sich
im Volke zu regen scheint, gewiß vorzüglich mit ein Verlangen
nach artistischer Zuthat, was so viele und so schön und
glänzend ornirte Geschichtsbücher hervorruft. Wenn auch manches
derartige Werk mehr der Bilder als des Textes wegen zu
cristiren scheint, so darf doch nicht übersehen werden, daß schon
der Sinn für die Kunst etwas Ungemeines bedeuten will. —
Von vorliegendem Werke kann man in textlicher und artistischer
Hinsicht nur das Rühmlichste sagen. Herr Sporschil hat unter
Benutzung der besten Schweizergeschichtsquellen (von Tschudi bis
herab auf Johannes von Müller) eine ziemlich gedrängte und
stylistisch nicht unverdienstliche tabula narrun8 der helvetischen
Republik zu geben gesucht, und jedenfalls mehr als einen zu-
fälligen Commentar zu den bildlichen Darstellungen, denn der
Tert ist eine so fleißige Arbeit, daß er recht gut auch ohne
Bilder bestehen könnte. Die Stahlstiche übrigens find sämmtlich
preiswürdig zu nennen und machen der Offizin Ehre, aus der
sie hervorgegangen. — Bis jetzt liegen uns fünfzehn Lieferun-
gen vor; der Preis dafür ist so billig gestellt, daß Jedem,
der mit Wenigem etwas Pracht in seine Bibliothek bringen
will, der Ankauf dieser schön illustrirten Chronik eines Volkes,
dessen Berge so lange die Sauve-Garde seiner Freiheit ge-
wesen, ganz besonders angcrathen werden kann. F. F.

Mörder und Gespenster von August Lewald.
Erster Band. Stuttgart, I. Scheible's Buch-
handlung.
Herr August Lewald beutet jetzt die Spitzbüberei aus und
schreibt Bücher, bei deren Lektüre viele Mädchen gewiß eine
Gänsehaut bekommen werden. — Hätte Mansche Nudel ge-
wußt, daß er einst einen Homer finden wird, er würde ohne
Zweifel seine Gaunerei großartiger getrieben haben. — Herr
August Lewald ist ruhig darüber, welches Loos die von ihm

erzählten Geschichten haben werden. Das glauben wir dem
Herrn August Lewald auf's Wort, denn es war ihm nie um
deutsche Poesie und Literatur ernstlich zu thun, und wo er eine
Liebe zu ihnen erheuchelte, geschah es nur aus finanzieller
Rücksicht. Die deutschen Köchinnen erwarten den zweiten Theil
der „Mörder und Gespenster" recht sehnlichst, um eine Bettel-
suppe daraus zu bereiten. —l.—

Grupello. Historische Novelle von Edw. Harten-
fels, mit einem Vorwort von Grabbe. Düssel-
dorf, A. Forberg, 1840.
„Weshalb auf dem Titel Novelle und nicht Roman
steht, weiß ich nicht; es sei denn, der Unterschied stecke darin,
daß die Novelle kurz und nicht lang(weilig) wie ein Roman
ist." — Nachdem wir den „Grupello" gelesen, scheint uns die
Frage Grabbe's sehr richtig. Die Novelle soll vorzüglich eine
wichtige Katastrophe in großartigen Zuständen, eine Krisis im
Leben außerordentlicher Menschen zum Objekte haben. Herr
Hartenfels sängt aber ob ovo an, von der Kindheit Gru-
pello's nämlich; dessen ungeachtet läßt er uns keinen Blick in
den Entwicklungsgang des Künstlers thun. Wir sehen in einem
Kapitel den Jüngling, im andern schon den ergrauten, mit sich
selbst zerfallenen Mann. — Diesen Fehler abgerechnet, verdient
die Novelle eine Stelle unter den bedeutendsten Produkten dieser
Art. Die Diktion ist schlicht und einfach, und durchaus dem
Stoff angemessen, die Erfindung nicht schroff, sondern natur-
gemäß, und die historische Basis ächt künstlerisch benutzt. Wir
hoffen, Herrn Hartenfels bald wieder auf dem Wege der Pro-
duktion zu begegnen. - l. —

Vermischte Schriften, philosophisch-kritisch-ästhetisch-
und dramaturgischen Inhalts, nebst einigen Genre-
bildern und Gedichten von vn. Karl Wilhelm
Kirsch. Cannstadt, Druck und Verlag von
G. F. Ruckhäberle.
Kirsch ist ein tieffühlendes, poetisches Gemüth, das zwar
nicht lauter duftende, in Farbenpracht glühende Südfrüchte
spendet, aber aus seinem Gärtlein doch frisches Obst auftischt,
das Manchem munden wird. Nur rathen wir dem Herrn
Kirsch, die großen Körbe nicht zu überfüllen und mit seinen
Gaben mehr zu geizen. Die Gäste sind nicht immer mit dem
Wirth zufrieden, der das Meiste, sondern mit dem, der das
sorgfältigst Auserlesene bietet. — In das Gebiet spekulativer
Forschungen hat Herr Kirsch manchen tiefen Blick gethan, und
seine prosaischen Aufsätze find auch für den Mann vom Fach
lesenswerth. — l. —
 
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