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Kritischer*

Anzeiger für Literatur und Knüll.
Beiblatt zu 146 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst nnd heiter ist "

S3.

Sonntag, H. Dezember

1840.

Literatur.
Briefe von Johann Heinrich Voß, nebst er-
läuternden Beilagen; herausgegeben von Abraham
Voß. 3 Bände. (2te Ausgabe.) Leipzig, Heinrich
Weinedel, 1840. (Pr. 2 Nthlr.)
Voß, der Vater des idyllischen Goldkindes Luise, der
klassische Verdeutsche! der klassischen Alten, erhält hier durch sei-
nen Namenserben eine wahrhaft monumentale Biographie. Denn
wie kann man gründlicher biographiren, als mit Briefen?
Und kann es ein sprechenderes Monument geben, als eine
Biographie, die in chronologisch geordneten, epiftolarischen Do-
kumenten besteht?
Die literarische Größe, deren Leben und Charakter hier
spiegelklar in Briefen — diesen wahren „Lebensblättern" —
sich vor dem lesenden Auge entfaltet, hat nie der anrühmenden
Phrase bedurft, denn sie stand und steht, zwar ziemlich isolirt
im deutschen Poetenwalde und vor kritischen Räubern nicht sicher,
doch als eine der influirendften, kerngesundesten und deutschesten
da. Voß wird fortwirken, und wär's nicht als Dichter, doch
als Dolmetsch des Alterthums. Aber er wird auch fort-
leuchten; denn der eine „Luise" schrieb, hat ein Recht darauf,
poetisch fortzuleben. Der Ruhm — „der Meister des deutschen
Idylls zu sein" — wird Voß bleiben, wenn man auch seine
andern Gedichte vergäße. Es giebt ein Epigramm von Gleim,
das sehr viel Wahrheit mit sich schleppt (denn schleppend ist es,
wenn auch subjektiv brav gesagt):
Luise Voß und Dorothea Göthe,
Schön beide, wie die Morgenröthe,
Stehn da zur Wahl,
Und Wahl macht Qual.
Hier aber, seht, ist nichts zu quälen,
Hier kann die Wahl nicht schien: —
Luise Voß ist mein, in Lied und in Idyll;
Die andre nehme, wer da will.
Das Vosfische Urtheil über die „Dorothea" des hochgestell-
ten Rivalen (der freilich diesmal po8t Homerum schrieb) ist
so human gefaßt, daß man ganz den Mann der Humanitäts-
studien darin wiedererkennt. In einem Briefe aus Eutin,
vom 24. Septbr. 1797, heißt es: „Ueber das Göthische Ge-
dicht „Hermann und Dorothea" denk' ich völlig wie
Ernestine. Lesen Sie nur durch; Sie werden für manche zu
eilfertig gearbeitete Stellen durch sehr schöne entschädigt werden.
Die zur Vorrede bestimmt gewesene Elegie beweist hinlänglich,
daß es ihm Ernst war, etwas, wo nicht Homerisches, doch
Homeridisches aufzustellen: um auch diesen Kranz des
Apollo zu gewinnen. Ich werde mich herzlich freuen, wenn
Griechenlands Geist uns deutschen ein vollendetes Kunstwerk ge-
währt , und nicht engherzig nach meiner Luise mich umsehn.
Aber eben so ehrlich denk' ich für mich, und sag' es Ihnen, —
die Dorothea gefalle, wem sie wolle; Luise ist sie nicht. Sieh,

ich wollte keck thun, und fühle doch, daß ich roth werde."
Der Brief ist an Gleim gerichtet.
Das vorliegende schätzbare Oorpus existolurnm beginnt
mit „Erinnerungen aus meinem Jugendleben", einem Aufsätze,
der aus dem 2. Theile der Vossischen „Antisymbolik" recipirt
worden ist. Ein Stück Autobiographie, das bis zum 1.1769
geht. Dann folgen die Briefe zwischen Voß, Kästner und
Boie; hierauf Mittheilungen von Ernestine Voß über die
Wandsbeck-Otterndorfer Periode; Briefe an Miller, an Joh.
Abrah. Peter Schulz, an Friedr. Aug. Wolf und an Gleim
— diesen Halberstädter pur exeellence; Briefe von der Hal-
berstädter Reise an Ernestine; weitere Mittheilungen über Ot-
terndorf und über Eutin; Briefe an die beiden Boie's und
an Esmarch, an Rudolf Boie, an seine Söhne: Hein-
rich und Wilhelm Voß, an Hans und Abraham
Voß; weitere Mittheilungen über Eutin und über Jena; über
Vossens Verhältniß zu Schiller und Göthe; allgemeine
Andeutungen über Voß — letztres alles von Ernestine Voß —,
zuletzt Beilagen und vermischte Briefe an I. L. Böckmann,
an den Markgrafen von Baden, anHölty, Cla-
mor Schmidt, Nikolai, Bmggesen, Wieland (an
W. und von W.), an den Herzog von Oldenburg,
an Weinbrenner, Hofer, Graf Holmer, Gries-
bach, Paulus, Schmeelke, von und an Ruhnkenius;
über Vossens letzte Lebenstage re. Endlich ein Verzeichniß der
Vossischen Schriften. — F. F.

Paränesen für Studirende. Zur Methodik des
akademischen Studiums. Herausgegeben von vr.
Karl Hermann Scheidler, ord. Honorar-Prof,
der Philosophie zu Jena. Jena, in der CrökerPchen
Buchh. 1840. (1 Rthlr. 4 Gr.)
Auch «ul) titulo:
Paränesen für Studirende. Erste Sammlung re.
Dies mit dem goldnen Proverbium „8upere auäe!"
mottirte und einem der wissenschaftlich aufgeklärtesten Staats-
männer Deutschlands, dem sächsischen Staatsminister Bernhard
Freiherrn von Lindenau zugeeignete Werk bietet für die
akademische Jugend eine so reiche Collection von gediegenen
Reden und Abhandlungen, das Universitätsleben und die Uni-
versitätsstudien betreffend, daß man es im Interesse aller ange-
henden Studirenden eine hochwillkommene Publication heißen
muß. Das Wort „Paränese", von , bezeichnet
überhaupt jede Art von Ermahnung oder Aufmunterung.
Paränesen (worunter man nach neuerem Sprachgebrauch ganze
Vorträge und akademische Abhandlungen versteht) haben den
Zweck, die Studirenden über den rechten Weg des Studirens
und den wahren Zweck desselben zu belehren und in diesem
Sinne stachelnd und aufmunternd zu wirken. Da das gespro-
chene Wort nur zu schnell verhallt, so entstand die Sitte, der-
gleichen oratione8 äs 8tuäio recte in8tituenäo drucken zu
 
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