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Kritischer*
Anzeiger inr Literatur und kunl't.

Beiblatt zu 101 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst nnd heiter ist."

Sonntag, 23. August

1840.

9.

Düsseldorfer Kunst.
Zweite Abteilung.
Im Reiche der neckischen Elfen findet sich ein großer See,
durch dessen hohen Schilfpflanzenwald stille Wassergassen zu
krystall-reinen Plätzen leiten. Vom muntern Völkchen geliebt
und gelockt, wird ein niedliches kleines Landmädchen in dem
wunderbaren Reiche spazieren gefahren. Der fröhliche Zug ist
eine Gasse hinuntergeschwommen und verweilt, um dem ge-
liebten Menschenkinde die Schätze der Tiefe anzubieten. Zwei
Elfenknaben, ungeduldig über die Zögerung, suchen den Muschel-
nachen weiter in das Labyrinth zu ziehen und schauen forschend
nach ihrem Lieblinge um. Dieser steht aufrecht in der mit
Blumen verzierten Gondel, die Hände zusammenschlagend voll
freudigem Erstaunen über den Reichthum an Perlen und Ko-
rallen, welcher, so eben aus dem Grunde gehoben, von zwei
Elfcnmädchen dargeboten wird. Die Nire, welche, im Nachen
sitzend, das Ruder geführt, hat dieses über den Schooß gelegt
und blickt ernst-sinnend, das Haupt auf eine Hand gestützt, in
das jubelnde Treiben. Ein Elfenknabe klettert am Stengel
eines mächtigen Schilfblattes empor, um die Huldigung besser
übersehen zu können; ein anderer, durch die großen Wasser-
pflanzen herzuschwebend, streckt lächelnd die Arme nach dem ge-
liebten Menschenkinde aus. Ein wunderbar schöner Elfcnknabe
mit blondem Haare und tiefblauen Augen sucht, von einem
zweiten unterstützt, die Muschel vorwärts zu schieben; andere
umschwimmen und umtanzen den Nachen, während wieder andere,
dem Zuge voraneilend, auf Muschelhörnern blasen. Diese
Schöpfung feenhafter Lieblichkeit von Eduard Steinbruck
aus Magdeburg (dem Maler der Genofeva u. s. w.) ver-
herrlichte die diesjährige Kunstausstellung unter dem Namen:
„Elfen, nach dem Mährchen von Tieck gleiches
Namens." Wenn gleich durch die runden, vollen Formen
und durch die — wenn auch zarte — natürliche Farbe des
Fleisches die nackten Elfen mehr zu schönen Menschenkindern
werden, als zu Wesen, von denen die irische Sage (der sie
ihre Entstehung verdanken) erzählt: es zittere nicht einmal der
Thautropfen, auf welchem eine Elfe in der Mondlichtnacht tanze
und springe, so wird dieser vielleicht mögliche Vorwurf durch
die Schwierigkeit aufgehoben, als Farbendichtcr solche
Kleinheit und Leichtigkeit auszudrücken. Jedenfalls kann die
Letztere durch Zeichnung weit eher als in Farbe erreicht wer-
den, und es würde deshalb das besprochene Bild in Radirung
nach der einen Seite gewinnen, was es nach der andern ver-
löre. Besonders schön sind die beiden Elfen, welche dem Mäd-
chen Geschenke darbieten. Sie kehren dem Beschauer den Rücken
zu und scheinen sich durch eigene Leichtigkeit bis unter die
Hüften aus dem Wasser zu heben. Ihr weiches, blondes Haar
ist, mit Perlen durchflochten, leicht um das Hinterhaupt ge-
wunden, und weil sie die Arme emporgehoben haben, sind die
unbedeckten Figuren in allen Theilen frei und bieten den ganzen
Reiz ihrer jugendlich schlanken Körper dem für solche Schönheit
empfänglichen Beschauer dar. Es weht durch diese Schöpfung
der Hauch einer kindlichen Mährchenwelt und es ist das Ahnungs-
volle dieses Elfensees sehr geschickt durch die Einfassung des
Gemäldes erhöht worden. Die Leiden obern Ecken des Bildes
sind nämlich ourch einen flachen Bogen abgeschnitten und mit
einem Gitterwerk bedeckt. Bogen und Gitter gehören zum

Rahmen und es schimmern nun die hohen Schilfpflanzen durch
die goldenen Stäbe so eigen und tief, daß dadurch in dem
Beschauer jene mährchenhafte Ahnung eines Elfensees er-
weckt wird, welche der erwähnte Bogen zum Vortheil des
Totaleindrucks unterstützt.
Donna Diana (nach dem unsterblichen Lustspiele Mo-
retto's) entfaltet die ganze Fülle der Schönheit, mit welcher
nur die Kunst eines Sohn (Professor der Akademie, aus
Berlin) begaben kann. Die Mandoline im Arme, lauscht die
Dame vor sich hin, ob die Kälte des Geliebten, den sie in der
Nähe weiß, endlich besiegt worden sei. Sollte sich indeß das
zu Füßen der Donna sitzende Mädchen in den Kampf mischen,
so dürfte es wohl nicht zweifelhaft sein, welche von Beiden
den Preis erringen müsse. Die Schönheit, ihrer Macht be-
wußt, würde von dem Liebreiz, den jenes Mädchen ahnungs-
los entfaltet, in einer kürzeren Zeit ihres Triumphs beraubt
werden, als die Donna gebraucht hat, ihre reiche Toilette zu
ordnen. So sehr Diana ein Kunstwerk ist, das in allen
Theilen Bewunderung erregt, so sehr ist jenes Mädchen
eine Schöpfung, bei der man Bewunderung zu zollen ver-
gißt. Eine hinter dem Ruhesitze der Donna über diese hinweg-
lauschende weibliche Figur vollendet die Situation, welche, an
sich gewöhnlich, nur durch die Anwendung einer so genialen
Technik in die Poesie der Farbenwelt erhoben werden konnte;
und doch übertreffen die beiden Portraits von Sohn, und
unter diesen namentlich das einer jüngeren Dame, das er-
wähnte Werk in der Anwendung jener bewunderungswürdigen
Technik um so mehr, als sich in ihnen eine Höhe der Auf-
fassung ausspricht, die bis zur Natürlichkeit, sowohl im Fleische
wie im Gewandstoffe, gesteigert worden ist.
Die Portraits dreier Kaiser in ganzer Figur, von der
Stadt Frankfurt bestellt und zur Aufstellung in den Saal-Nischen
bestimmt, welche für ihre Höhe zu schmal sind nnd deshalb
den Maler räumlich in der Ausführung beengen, nehmen unsere
Aufmerksamkeit in Anspruch. Kaiser Friedrich I., von
E. F Lessing aus Würtemberg, spricht die kräftig-
ernste Individualität dieses unsterblichen Malers aus; doch
scheint unter der Stärke des Helden die Majestät des Herrschers
gelitten zu haben, denn es gelingt dem Beschauer nur allmälig,
in diesem sinnenden Krieger den Kaiser zu erkennen; doch muß
das eigene Urtheil zurücktreten vor der Ausdrnckswahl des be-
währten Schöpfers. In Kaiser Maximilian II. zeigt
Alfr. Rethel, in Frankfurt a. M., die gewiß anzu-
erkennende Fähigkeit, sich in die Auffassungsweise einer Zeit
hineinzudenken, welche der unfern in künstlerischer Bildung weit
nachsteht; wir werden uns wenigstens — bei aller Achtung der
talentvollen Malerei des Portraits — nicht an der ohne Zweifel
geschmacklosen Kleidung und noch weniger an der steifen Hal-
tung des Kaisers erfreuen oder erheben können. Der Maler
mag dieses Werk bewundern, der unparteiische Beschauer kann
diese Bewunderung nicht theilen. — In dem dritten Portrait:
Kaiser Konrad II., von Lorenz Clusen aus Düs-
seldorf, empfindet der Beschauer das Wesen einer Romantik
in Haltung und Kleidung, welche ihn angenehm fesselt. Das
ganze Bild ist augenblicklich verständlich; dagegen liegt in dem
Haupte eine Ungewißheit, die auf einen Kampf hindeutet, den
der Maler in seinem Haupte nicht bis zum Siege einer
Idee durchgefochten hat. Der Ausdruck des in seinen einzelnen
 
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