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Kritischer
Anzeiger für Literatur und Kunst.

Beiblatt zu 122 der Zeitschrift:
„Das Rheinland wie es ernst nnd heiter ist."
16. Sonntag, 11. Qctober 1840.

KunstberLcht aus Düsseldorf.
Jmmermann für Düsseldorf. — Von Uechtritz und
Schnaase. — Schadow und der Kaisersaal in
Aachen. — Nechel. Berlin und Düsseldorf.
(Im October 18400
Immer nach Lben hin
Richte die Blicke,
Daß dich gemeiner Sinn
Nimmer umstricke;
Trittst du im Leben ihm
Detters entgegen,
Werde nicht ungestüm,
Nimmer verlegen.
Es dürste auffallen, daß wir so wenige Worte über
Imm ermann's Tod gesagt haben, während aus der Ferne
dieser große Verlust so ost und ausführlich besprochen worden ist.
Doch eben weil es in der Ferne war, fand der Schmerz leich-
ter Worte; wir haben es erlebt, gesehn, >— wir haben Ihn .
ganz verloren. Wie die Gattin um den geliebten Mann schwei-
gend trauert, so die Seinen um ihren geliebten Dichter. Uns
ist er unersetzlich und deshalb gelangen wir erst spät zu der
Linderung großer Seelenschmerzen, jener Linderung, die beim
Weibe in milden Thränen, beim Manne in kräftigen Worten
des Geliebten Bild in ganzer Herrlichkeit zurückrust. Um Jm-
mermann zu verstehn, mußte man nicht von der Seite des
Gemüths, sondern von der des Verstandes ihn zu erfassen suchen.
Er war Phisosoph im besten Sinne des Wort's, nicht raison-
nirender Wortklauber, ausstaffirt mit angelerntem Kram, — das
Leben hatte ihm reine Naturphilosophie erschlossen, und, Herr
in diesem Reiche, erkannte sein scharfer Blick jeden Eindringling
bald und trieb ihn mit der Geißel der Ironie aus den Hallen
des Heiligthums. Er war eine der thatkräftigsten Naturen, die
nur zum Herrschen geboren sind und deshalb konnte er nur da
die Fülle seiner Gedankenwelt ausströmen, wo er der Erste
war durch Wort und That. Manchen entfernte diese scheinbare
Anmaßung, wer aber anerkennend eine Stufe unter ihn trat,
dem erschloß sich die Brust des Dichters, und der genoß einen
Blick in die unerschöpfliche Tiefe seines Herzens. Darum war
Zmmermann Imperator in dem Kreise, welcher sich zahlreich
aus den Besten der Stadt um ihn gebildet hatte; und dieser
Kreis ist es vor allen, der, seines Mittelpunkts beraubt, ver-
gebens nach einem Manne sucht, der den Verlorenen nur zum
Theil zu ersetzen vermöchte. Weniger fühlbar wird der Tod
Immermanns außerhalb dieser Innung, und müßten wir un-
wahr sein, wenn wir behaupten wollten, daß das Volk um
seinen geliebten Dichter mehr trauert, als der Schmerz der
Mitglieder jenes Kreises zur Theilnahme auffordert. Ebenso
sind wir weit entfernt, dem so eben von der besten Seite ge-
schilderten Stolze des Dichters eine verherrlichende Lobrede, wie
cs bereits gcschchn ist, halten zu wollen. Wir müssen vielmehr
gestehn, daß die Wirkung des Verstorbenen bedeutender hätte

sein können, wenn er im Stande gewesen wäre, Jemanden
neben oder über sich zu dulden. Doch wie er war, haben wir
ihn geliebt, und wie uns die Gerechtigkeit zwingt, auch das
Nichtgute zu entschleiern, so drängt uns die Liebe: für uns
nur seines Besten zu gedenken.
Neben Jmmermann wurde gewöhnlich in jeder Nachricht
über Düsseldorfer Zustände von Uechtritz genannt und ist es
deshalb natürlich, daß wir uns betrachtend zu diesem wenden.
Er und der Kunstkenner Schnaase waren die bedeutendsten
Literaten des erwähnten Kreises und sind augenblicklich mit dem
seit einiger Zeit hier lebenden Dichter Hermann Neumann
die namhaften der Stadt, von Uechtritz ist schon seit vielen
Jahren mit beständigem Lobe unter den deutschen Dichtern
genannt worden; wir bezweifeln aber, daß Viele, welche fort
und fort seinen Namen so aussprechcn, einen Beweis für die
Wahrhaftigkeit ihrer Behauptung würden führen können. In
Uechtritz's Werken bekundet sich kein poetisches Talent, und wenn
aus ihnen auf zukünftige Eroberungen im Reiche der Poesie
gefolgert worden, fo sind zu viele Jahre seitdem verflossen, als
daß wir noch hoffen dürften, v. Uechtritz als Dichter zu be-
grüßen. Wir können dem Genannten deshalb nur den Namen
Schriftsteller zuerkennen und als solcher ist sein gelesenstes Werk
„Blicke^in das Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben", von
welchem vor einigen Wochen der zweite Band erschienen ist.
Die Fortsetzung des erwähnten Werks ist von den hiesigen
Malern mit mehr Spannung erwartet worden, als irgend ein
anderes Erzeugniß solcher Art. Es war indeß nicht das In-
teresse sür das Buch selbst, welches eine solche Theilnahme her-
vorrief, sondern die Erwartung, wie v. Uechtritz sein Versprechen
lösen werde: in diesem Bande den Ausstellungen — nennen
wir's mit dem rechten Namen: den Vorwürfen —, welche
von den hiesigen Künstlern dem ersten Bande gemacht worden,
eine unwidersprcchliche Widerlegung zu geben.
Bevor wir aber weiter in das erwähnte Werk eingehn, was
zu ausführlichen Erörterungen und Aufklärungen leiten
wird, müssen wir uns zu zweien Angelegenheiten wenden, die
einen bedeutenden, leider schmerzlichen Einfluß auf die Düssel-
dorfer Schule zu gewinnen drohen.
Die erste betrifft die von uns bereits früher erwähnte Aus-
schmückung des Saals zu Aachen. Da diese zu einer wich-
tigen Epoche in der Kunstgeschichte unserer Zeit sich empor-
schwingen wird, wollen wir den Leser um so ausführlicher mit
derselben bekannt machen, als bereits so viele theilweise Be-
sprechungen eine gefahrdrohende Verwirrung hervorzurufen haben.
Wir sind in Stand gesetzt, die volle Wahrheit mitzutheilen,
und werden dabei keine Rücksicht auf Privat-Jntereffen nehmen,
weil dadurch das gerechte Urtheil des Publikums und somit der
Kunstgeschichte gefährdet werden könnte.
Der Director Schadow regte zuerst die Idee an —
oder wenn sie, was wir nicht wissen, von einem Andern aus-
ging, — nahm dieselbe mit Energie auf — durch Darstellungen
aus der Geschichte Carls des Großen ul tr68co den Saal zu
Aachen auszuschmücken. Er hatte dabei die schöne Absicht, sei-
 
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