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deren Sinn dem Publikum wohl wenig oder gar nicht verständ-
lich werden würde, wenn wir nicht einen Commentar dazu lie-
ferten. Doch müssen wir vorher auf den folgenden Satz Hin-
weisen, welcher sich äußert: daß die Heiterkeit des idyllisch-
friedlichen Kreises der hiesigen Maler mit einem Grübeln
über die Verschiedenheiten der christlichen Confessionen und vollends
mit einer prüfenden, das innerste Leben aufregenden Wahl zwi-
schen der einen und der andern, nicht wohl vereinbar schien.
Nun werden wir im Stande sein, die erste Periode zu über-
setzen, die also lauten muß: Herr von Uechtritz wollte die hie-
sigen Maler von dem Grübeln über religiöse Gegenstände dadurch
heilen, daß er sie in diesem Grübeln wenigstens auf feste Füße
stellte. Er weist aber sonderbarer Weise sogleich (S. 14) nach,
daß nur ein sehr kleiner Theil des Kreises, den er im Auge
hat, etwa 5 oder 6 unter 23, an diesem Grübeln leide.
Vorerst widersprechen wir der Angabe, indem nicht ein kleiner
Theil, sondern der ganze Kreis an Streitigkeiten über theolo-
gische Gegenstände Theil genommen hat. Diese Streitigkeiten,
oder vielmehr lebhafte Disputationen, erwuchsen indeß nicht aus
dem Grübeln über religiöse Gegenstände, sondern dieses Grü-
beln (wenn es denn so genannt werden soll), für die Zeit bis
der Streit entschieden war, aus dem letztem selbst, v. U. zielt
nämlich darauf hin, daß einst in dem Kreise, dessen Mittelpunkt
Schadow war, über die Statuten des Ordens Jesu gesprochen
wurde, jedoch eben so zufällig, wie über die Statuten
des Ordens der Maltheser wäre disputirt worden, wenn die
Strömungen des Gesprächs sich an Malta's Ufer gebrochen
hätten. Sehr natürlich war es, daß bei jungen, zu verschiede-
nen Confessionen gehörenden Männern gerade dieser Gegenstand
zu lebhaften Erörterungen führen mußte, welche indeß nur so
lange dauerten, bis durch die Herbeischaffung der erwähnten
Statuten die eine Partei den Sieg errang, beide streitende Theile
aber zur Verständniß über dies geistliche Institut geführt wurden.
Wie wenig also hat das Grübeln und Abquälcn, das v. U.
in den Vordergrund stellt, eine Heilung durch den gütigen Phi-
losophen nöthig gehabt, und wie wenig ist es wahr, wenn er
S. l4 sagt: „dabei machte ich allerdings nicht darauf aufmerk-
sam, daß hier nur von diesem theologischen Grübeln, nicht von
religiöser Interesse (man vergesse nicht, daß v. U. die ihm
gemachten Vorwürfe widerlegen will) die Rede sei, —" ? Wir
erfahren nun durch v. N., was Theologie und Religion sei,
fragen aber, ob sich in dem Mitgetheilten nicht Interesse für
Religion ausspricht, welche der Verfasser dem hiesigen Maler
eben so wenig zugesteht, wie Interesse für Politik. Zur Wider-
legung dieser Aufstellungen rufen wir Herrn von Uechtritz eine
Composition in's Gedächtniß zurück, die in jenem Kreise ent-
worfen und vorgelegt wurde, wir meinen die des Malers Stein-
brück über den Ausspruch des Heilands: „Glaubet ja nicht, daß
ich gekommen sei, Frieden zu bringen: ich bin nicht gekommen,
Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Math. 10, 34."
und erinnern zugleich an die untern Gruppen, Preußen und
Oestreich im Kampfe vorstellend, und fragen nun, ob sich nicht
in dieser Composition, so wie in der Art, wie sie ausgenommen
und besprochen worden, Interesse für Religion und Politik kund-
gegeben habe? Wenn freilich v. U. aufstellt, daß im Ganzen
in der Handhabung des Allgemeinen (was versteht v. U. dar-
unter?) und einem philosophirenden Raisonnement nicht gerade
die Stärke der Düsseldorfer Künstler liege, so müssen wir ge-
stehn, daß dies das Erfreulichste ist, was der Verfasser über die
hiesigen Maler sagen konnte, wenn er nicht anders „mit zu
breitem Finger in die Büchse des Lobes gegriffen hat". Diese
Bemerkung ist höchst wichtig, heißt es ferner, weil unter Vor-
aussetzung ihrer Wahrheit zugegeben war, daß auch die Hoff-
nung, die hiesige Schule in einer großartigen, philosophirenden
Gedankenkunst (was versteht v. U. darunter?) ihre schönsten
Blüthen entfalten zu sehn, wenigstens unter die sehr unsicher»
gerechnet werden müsse. Was sollte auch dieser Kram einer
Malerschule? Wir glauben gewiß, daß Niemand den bedeu-
tendsten Talenten der Düsseldorfer Schule Philosophie absprechen
wird, um aber über philosophische Systeme unverständlich —
jedoch höchst wortreich zu raisonniren, fehlt den hiesigen Malern,

Gott sei Dank! jede Lust. Herr v. Uechtritz gibt auch sogleich
zu, daß das Fehlen der philosophirenden Gedankenkunst eben kein
großer Mangel sei, und fährt dann fort: „Ich zeigte, wie der
Maler unserer Tage, der sich auf philosophirende Auffassung
einlasse, sich bei jeder Schwingung seines stolzen Fluges hüten
müsse, nicht von dem Wirbelwind subjectiver Wiükühr ergriffen
und statt zu den sonnigen Höhen weltverklärenden Geistes in das
tiefe Labyrinth unerquicklich schiefer oder halbwahren Reflexionen
verschlagen zu werden." Von diesem Fliegen in die sonnigen
Höhen geht Herr von Uechtritz zum Schwimmen „auf dem
stürmischen Gedankenmeer der Gegenwart über, spricht von dem
Sinn für das Allgemeine und Weite (?) und gelang endlich
zu der Gefahr: „daß der subjectivverfeinerte Gedankeninhalt (!)
sich in der Regel nicht einmal zu hinreichender Klarheit maleri-
scher Darstellung durchzuarbeiten im Stande sein wird", was
wir gern zugeftehn wollen, da gewiß kein Maler sich bemühen
wird, den subjectivverseinerten Gedankeninhalt
zur Klarheit zu bringen. Ferner behauptet v. U. in seiner
Rechtfertigung, daß nach dem Gesagten die hiesigen Maler nicht
als Maler benachteiligt wären, (was dem Herrn v.Uechtritz
auch nicht gelingen dürfte) und geht nun zu der Frage über:
ob die hiesigen Maler als Menschen dadurch in den Schatten
gestellt worden, daß ihnen das Geschick für die Handhabung
des Allgemeinen (!) abgesprochen worden ist.
In dieser Weise spricht der Verfasser in seiner Widerlegung
von den gepriesensten Gedankenbildern (?) der Gegenwart; daß
der Maler ein Unwürdiger wäre, der, um sich in seiner Kunst
zu vervollkommnen, sein Gewissen beflecke (wir meinen, das könne
überhaupt kein Künstler), daß der Lyriker nicht zu denken brauche,
S. 20; von Begriffsverdünnung und von allgemeinerem Allge-
meinen, bis er am Schluß beweist, daß wenn man bei einem
Menschen, oder Maler, gesunden und geraden (ist das verschie-
den?) Verstand anerkannt hat, dieser sich leicht trösten könne,
wenn man ihm abspricht, zugleich ein dogmatifirender Theolo-
giker, theoretisirender Aesthetiker, oder überhaupt reflektirender
Philosophiker zu sein. Und somit glanbt Herr von Uechtritz
alle Vorwürfe widerlegt zu haben, welche dem Isten Bande
der „Blicke in das Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben" von
den hiesigen Malern, denen jedenfalls das beste Urtheil darüber
zustand, gemacht find? Wir können aus dieser Widerlegung
nur die mühe- und wortreiche Versicherung herauslesen: Herr
von Uechtritz habe es nicht böse gemeint; und gehen nun dazu
über, dasjenige im ersten Bande herauszuheben, was wir selbst
auf hoffentlich kürzere und erfolgreichere Weise zu widerlegen
gedenken.
Erster Band.
Das Werk beginnt mit einer übertriebenen Schilderung des
Kunstenthusiasmus unsrer Zeit, von welchem behauptet wird:
er drücke den bedeutenden Künstler fast durch Bestellungen der
Liebhaber, weshalb es beinahe als eine nur durch Bitten und
Schmeicheleien (?) zu erlangende Gunst angesehn werde, von
einem derjenigen, die sich den höchsten Beifall des Publikums
errungen haben, ein Bild zu erhalten. Es könne diese Zeit
in ihrem Drängen, Eifer und Interesse kaum mit der Leo X.
und Julius II. verglichen werden, wo selbst Correggio mit
Armuth gerungen habe. v. U. hebt zwar das Gesagte in dem
Folgenden auf, stellt es aber zum Theil wieder her, um es von
Neuem umzuwerfen; eine sehr zu empfehlende Weise, viele Bo-
gen zu füllen und doch keine Meinung auszusprechen, für die
nicht ein Schild durch das Vor- oder Nachhergesagte gefunden
werden könnte. Es ist dies der Hauptcharakter unsers Buchs,
eines guten Buchs, das keinem wehe, vor allem aber dem Ver-
fasser wohl thun will. Es würde sich daher nicht der Mühe
verlohnt haben, darüber ein Wort zu sagen, wenn nicht gar
Viele durch die Klugsprecherei, durch den Bombast und den wun-
derbaren Bilderkram, welches alles der Herr von Uechtritz zum
Besten giebt, hätten bestechen lassen, dieses Buch für etwas gar
Besonderes zu halten und darauf gegen die Düsseldorfer Maler-
schule zu schwören. — Wir kehren somit zu der notwendigen
Besprechung zurück.
(Fortsetzung folgt.)

Mainz; Druck und Verlag von Ioh. Wirth.
 
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