Dilettantismus.
anstreben muß. Alle Imitation ist verwerflich. Gerechte Wür-
digung eines Kunstwerkes fußt nicht zum wenigsten iit der 'Kenntnis
feiner oft außerordentlich mühevollen Herstellung. Lernen einmal
die breiteren Nassen den Unterschied zwischen rein maschineller
Fabrikarbeit und der Arbeit der Hände zu schätzen, etwa einen
getriebenen Becher von einem gepreßten, einen gegossenen und
ciselierten Schmuck von einem gestanzten Dutzendstück zu unter-
scheiden, so werden wir eine Förderung der Interessen des Kunft-
gewerbes erhoffen dürfen. Der 'Käufer wird iticht nach der
Form, nach dem Aussehen des Objektes allein, sondern auch nach
der technischen Ausführung urteilen und danach auch den Preis
verstehen lernen, und er wird sich scheuen, etwas zu kaufen, um
es in fein Zimmer zu stellen oder an sich zu tragen, was jedem
Eingeweihten nur minderwertig, unkünstlerisch erscheinen muß.
Wirkliches Verständnis für technische Perstellung läßt sich aber in
vielen Fällen nicht anders erwerben, als daß man sich mit der
Technik einmal praktisch befaßt. Das eigentlich öffnet erst die
Augen. Solch ein Dilettant, der sich in ehrlicher Weise abmüht,
etwas zu schaffen, wird kaum in anmaßender Weise seine Leistungen
überschätzen, sondern er wird den Abstand seiner Arbeit von einenr
wirklich künstlerischen Erzeugnis klar erkennen und dieses dem-
entsprechend auch zu würdigen wissen. Und das will ja auch der
Künstler, der Kunsthandwerker, daß man nicht nach dem Material-
wert, sondern vornehmlich auch auf die künstlerische Ausführung
seiner Werke sieht.
Ich glaube auch, daß die meisten dieser Dilettanten sich
eine Gleichberechtigung mit den Künstlern weder anmaßen, noch
sie anstreben. Die Arroganz dürfte hier kann: häufiger wie auf
anderen Gebieten auftreten. Und richtet sie sich nicht, wie zumeist,
selbst, nun gut, so muß sie, wenn sie die Gleichberechtigung mit
den Künstlern sich anmaßt, auch dem gleichen Urteile sich unter-
ziehen. Jedenfalls erachte ich diese Gefahr für zu gering, als
daß man ihrethalben das Dilettieren ganz verwerfen dürfte oder
ihm den Zutritt zur Öffentlichkeit verweigern müßte.
Wir haben so viel von England in den letzten Jahren gelernt,
sehen wir auch, was es uns im vorliegenden Falle zu lehren weiß.
Ich folge hier der Schrift von Regierungsbaumeister Permann
Nuthesius, der als technischer Attache der deutschen Botschaft in
London die englischen Kunstverhältnisse seit Jahren eingehend zu
beobachten in der Lage istU) Die große Verbreitung des klein-
künstlerischen Dilettantismus in England erschien ihm so auffallend
und bedeutungsvoll, daß er auf den begrüßenswerten Gedanken
kam, uns einmal die Verhältnisse des englischen Dilettantismus,
feine pflege und seine Erfolge zu schildern, in der poffnung,
dadurch auch zur pebung und Förderung unseres allgemeinen
Kunstverständnisses und der Kunstpfiege beizutragen.
Zunächst erörtert er die Volkstümlichkeit der modernen Kunst-
bewegung in England, die dem Dilettantismus die Wege ebnete,
und dann John Ruskins segenbringende Lehre, die ja, wenn wir
so sagen dürfen, einen innigeren Kontakt der Kunst mit dem
Menschen zu erzielen sich bestrebte.
') Hermann Muthesius, Der kunstgewerbliche Dilettantismus in Eng- 52. Zierleiste von
land. Berlin 4900. Wilhelm Ernst & 5ohn. 2,^0 IIT. L. Schmidt-Helmbrechts, München.
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anstreben muß. Alle Imitation ist verwerflich. Gerechte Wür-
digung eines Kunstwerkes fußt nicht zum wenigsten iit der 'Kenntnis
feiner oft außerordentlich mühevollen Herstellung. Lernen einmal
die breiteren Nassen den Unterschied zwischen rein maschineller
Fabrikarbeit und der Arbeit der Hände zu schätzen, etwa einen
getriebenen Becher von einem gepreßten, einen gegossenen und
ciselierten Schmuck von einem gestanzten Dutzendstück zu unter-
scheiden, so werden wir eine Förderung der Interessen des Kunft-
gewerbes erhoffen dürfen. Der 'Käufer wird iticht nach der
Form, nach dem Aussehen des Objektes allein, sondern auch nach
der technischen Ausführung urteilen und danach auch den Preis
verstehen lernen, und er wird sich scheuen, etwas zu kaufen, um
es in fein Zimmer zu stellen oder an sich zu tragen, was jedem
Eingeweihten nur minderwertig, unkünstlerisch erscheinen muß.
Wirkliches Verständnis für technische Perstellung läßt sich aber in
vielen Fällen nicht anders erwerben, als daß man sich mit der
Technik einmal praktisch befaßt. Das eigentlich öffnet erst die
Augen. Solch ein Dilettant, der sich in ehrlicher Weise abmüht,
etwas zu schaffen, wird kaum in anmaßender Weise seine Leistungen
überschätzen, sondern er wird den Abstand seiner Arbeit von einenr
wirklich künstlerischen Erzeugnis klar erkennen und dieses dem-
entsprechend auch zu würdigen wissen. Und das will ja auch der
Künstler, der Kunsthandwerker, daß man nicht nach dem Material-
wert, sondern vornehmlich auch auf die künstlerische Ausführung
seiner Werke sieht.
Ich glaube auch, daß die meisten dieser Dilettanten sich
eine Gleichberechtigung mit den Künstlern weder anmaßen, noch
sie anstreben. Die Arroganz dürfte hier kann: häufiger wie auf
anderen Gebieten auftreten. Und richtet sie sich nicht, wie zumeist,
selbst, nun gut, so muß sie, wenn sie die Gleichberechtigung mit
den Künstlern sich anmaßt, auch dem gleichen Urteile sich unter-
ziehen. Jedenfalls erachte ich diese Gefahr für zu gering, als
daß man ihrethalben das Dilettieren ganz verwerfen dürfte oder
ihm den Zutritt zur Öffentlichkeit verweigern müßte.
Wir haben so viel von England in den letzten Jahren gelernt,
sehen wir auch, was es uns im vorliegenden Falle zu lehren weiß.
Ich folge hier der Schrift von Regierungsbaumeister Permann
Nuthesius, der als technischer Attache der deutschen Botschaft in
London die englischen Kunstverhältnisse seit Jahren eingehend zu
beobachten in der Lage istU) Die große Verbreitung des klein-
künstlerischen Dilettantismus in England erschien ihm so auffallend
und bedeutungsvoll, daß er auf den begrüßenswerten Gedanken
kam, uns einmal die Verhältnisse des englischen Dilettantismus,
feine pflege und seine Erfolge zu schildern, in der poffnung,
dadurch auch zur pebung und Förderung unseres allgemeinen
Kunstverständnisses und der Kunstpfiege beizutragen.
Zunächst erörtert er die Volkstümlichkeit der modernen Kunst-
bewegung in England, die dem Dilettantismus die Wege ebnete,
und dann John Ruskins segenbringende Lehre, die ja, wenn wir
so sagen dürfen, einen innigeren Kontakt der Kunst mit dem
Menschen zu erzielen sich bestrebte.
') Hermann Muthesius, Der kunstgewerbliche Dilettantismus in Eng- 52. Zierleiste von
land. Berlin 4900. Wilhelm Ernst & 5ohn. 2,^0 IIT. L. Schmidt-Helmbrechts, München.
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