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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 52.1901-1902

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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Thronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

375. Rheinisches Steinzeug, Privatbesitz. ('/4 der wirkl. Gr.)

Wschenversammkungen.

Elfter Abend — den q. Februar — ein Familien-
abend mit Musik, Gesang, Deklamationen, Lichtbildern,
Puppenspiel rc.! Das auf karnevalistische Heiterkeit gestimmte
Programm verfolgte einen ähnlichen Zweck wie die Fastnachts-
kneipen früherer Jahre; es bewies nach Zusammenstellung und
Durchführung, daß es dem Verein weder an kfumor noch an
künstlerischen Kräften gebricht und daß es nicht nötig ist, bei
derartigen Abenden auf den Besuch durch die weiblichen An-
gehörigen der Vereinsmitglieder zu verzichten. — Line zufällig
in München anwesende ungarische Kapelle bildete den musika-
lischen Grundstock und erregte besonders mit ihren charakteristischen
nationalen Weisen lebhaftes Interesse. Bildhauer Ringer,
dem die Leitung des ganzen Abends anvertraut war, leistete
das Menschenmögliche als Vorsitzender, als Impresario, als
Dichter, als Deklamator, als Schauspieler; es war ganz in der
Vrdnung, daß der Vereinsvorstand das ihm vom Arrangeur
angetragene Narrenscexter nicht führen wollte, sondern es in
die lfände des Darbringers zurücklegte, der es denn auch den
ganzen Abend hindurch prächtig zu führen wußte. Nach
Ringers Lröffnungsansxrache und nach den trefflichen Klavier-
vorträgen von Fräul. A. Kroiß und den Zithervorträgen von
bfofdrechsler A. End res Hub lh. Steinicken an, die Streiche
von Max und Moriz zu singen, während die Streiche selbst in
Lichtbildern erschienen. Die charakteristische» Zeichnungen Wilh.
Büschs waren sogar der starken Vergrößerung völlig gewachsen;
sie büßten nichts von ihrem Reiz ein. Weiterhin folgten reiz-
volle Mandolinenvorträge von Akademiker Gerhard und Ge-
nossen, ungemein lustige, stets mit überraschenden Wendungen
schließende niederbayerische Gedichte von Frau I. B e ck und
später humoristische Vorträge ihres Gatten, Schriftsteller Jul.
Beck. Zwischendurch produzierte sich A. Weis gerb er in
drastischer Weise als Überbrettl-Sängerin. Als Schlußnummer
verzeichnete das Programm großsprecherisch: „Theater auf der
tragbaren Seceffionsbühne — gedecktes Drchester — Lichtbilder
— bengalische Beleuchtung — Donner und fürchterliche Verse."
Das stimmte alles: die tragbare Bühne bestand aus einem
Kasperltheater, das gedeckte Brchester aus dem Zither-spielenden
Lndres, über welchem ein Regenschirm aufgespannt war u. s. w.
Die Vorstellung begann mit dem vortrage eines Professors der
Kunstgeschichte, worin, von der griechischen Kunstblüte aus-

gehend, das Auf und Nieder der Kunst geschildert wurde bis
die brennendste Frage der Gegenwart, der Niedergang Münchens
als Kunststadt, zur humoristisch-kritischen Beleuchtung aktueller
Vorkommnisse Anlaß gab. Darmstadt, Berlin, Stuttgart wurden
als Vorbilder hingestellt und namentlich das Bedauern aus-
gesprochen, daß zu wenig über Kunst geschrieben werde (l l I),
- daß die Jungen und die Alten sich zu wenig an das halten,
was die Fachblätter bringe», daß die Leute zu wenig auf
das hören, was die Ästhetiker predigen; allen — dem Kind
wie dem Soldaten, dem Bauern wie dem Bürger — sollte
Kunstuntericht zu teil werden. Denn

„Ich bin einmal bei jemand gewesen,

Der sagte, die Kunst stammt vom Lesen;

Denn mit dem Praktizieren
Thät man sie nur malträtieren.

Auch käme es vielmehr darauf an,

Daß man schön reden kann;

Das macht Reklamen
Für einen Namen."

Nachdem der „Redner", der einzelnen Stellen durch be-
deutsame Kopfwendungen mehr Nachdruck zu geben wußte,
zum Schluß zur Ljebung der Kunst aufgefordert hatte, betrat
eine allegorische Figur die Bühne, um die lapidaren Worte zu
sprechen: „Ich bin die öffentliche Meinung und schließe mich
ganz der Meinung des sehr geehrten Herrn Vorredners an."
Ins gleiche Horn stößt auch der jetzt auftretende kunstpolitisierende
Dienstmann, der erst seine beim Matthäser und Augustiner ge-
machten vergeblichen Bemühungen in Sachen der Kunst schildert,
bis ein Engländer mit dem Ersuchen sich naht, ihm die neuesten
Monumente Münchens zu zeigen. Da erschienen in Lichtbildern
die halb oder ganz eingekapselten steinernen Brunnen und Denk-
mäler Münchens, zu denen der Dienstmann im Führereifer die
drolligsten Glossen machte, — vom Brunnenbuberl, das schon
so viel Anstoß erregt habe, weil es kein Hemd anhat, — von
dem Germanen, den der Sohn Albions für eine» Indianer hält,
der aber von dem Sohn Münchens als ein zu schwer beladener
Packträger aus dem vorigen Jahrhundert erklärt wird, — vom
Wittelsbacher-Brunnen „Brunnen der Metzgerinnung", dem der
Erklärer einen Roman anhängte von dem Roßmetzger, welcher
die schöne Metzgerstochter mit einem Stein anwirft, da sie ihm
niit dem Schüfferl „an Kopf ghaut hat", — vom Künstlerhaus,
wo aber Künstler nur drin sind, wenn sie einen Treffer gemacht
haben, weils sonst zu „geschmolzen" ist, und vom Künstlerhaus-
saal, der schon seit 200 Jahren nicht mehr abgestaubt worden
ist, — von Liebigs Fleischextrakt u. s. w. — Mit seinen treffenden
Anspielungen auf Münchener Kunst- und andere Verhältnisse
erregte der „Theaterdirektor" Ringer, der sogar seine köstlichen
Theaterfignren mit eigener Hand gefertigt hatte, unbändige
Heiterkeit, gewiß die schönste Anerkennung, die seinen vielen
Bemühungen zur Veranstaltung eines fröhlichen Familienabends
zu teil werden konnte. Wenn wir vollends verraten, daß die
Schar der Seßhaften noch lange nach Mitternacht eine sehr
beträchtliche war, so spricht dies mehr als Worte für die Un<
getrübtheit der Stimmung.

Zwölfter Abend — den (8. Februar — Vortrag von
Prof. vr. Berthold Riehl über „Deutsche Gotik". Wie oft
auch schon der verdiente Kunstforscher die Vereinsabende mit
seinen Vorträgen beehrt hat, immer weiß er wieder von neuem
die gespannt lauschenden Zuhörer zu fesseln, auch wenn er
über Gegenstände spricht, die er schon früher berührt hat oder
 
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