Dom Büchermarkt.
den Tischreden beim frohen Mahle Rückblicke gethan
wurden, in denen in Bezug auf das Aunstgewerbe
wiederholt Vergleiche zwischen damals und „vor
20 fahren" gezogen wurden; aber keiner der Redner
dachte daran, daß auf den Tag genau vor 20 Jahren
— am 28. September s870 — die deutschen Truppen
in Straßburg eingezogen
waren; es wäre nahe ge-
legen, an dieses Ereignis zu
erinnern und bei diesem An-
laß auch den Wunsch aus-
zusprechen, daß man nach
abermals 20 Jahren von
einem Wiederaufleben des
einst hervorragenden, aber
durch die politischen Ver-
hältnisse zurückgegangenen
elsässischen Aunstgewerbes
sprechen könne. Die hoch-
gehenden Redewogen er-
tränkten diesen Gedanken,
der erst wieder auflebte, als
nicht ganz zehn Jahre später
das erste Pest der eben ge-
nannten Zeitschrift erschien,
in welcher der größeren
Öffentlichkeit das Wachsen
des reichsländischen Aunst-
handwerks geschildert wird;
über ein Jahr ist seither
vergangen, und da ziemt es
sich, der neuen Aollegin ein
paar Worte zu widmen.
Unter Führung der Straß-
burger Aunstgewerbefchule
hat das elsässische uud be-
souders das Straßburger
Aunstgewerbe heute wieder
eine Stellung errungen, die
es befähigt, auch die ver-
wöhnten Landsleute zu be-
friedigen und sie von ihrer
bisher begünstigten, nach
Paris führenden Bezugslinie abzudrängen. Davon
gibt die neue Zeitschrift erfreuliche Runde. Trägt
sie schon hierdurch nrächtig zur Lösung der in: Lande
noch imnier schwankenden nationalen Frage bei,
so wirkt vollends die Anknüpfung an die altelsässische
Aunst weckend und wiederbelebend auf das Peimats-
gefühl ein und damit gleichfalls in: Sinne des
Deutschtuins. Die Stellung der Zeitschrift zur kunst-
gewerblichen Bewegung der Gegenwart ist durch die
von der Straßburger Schule eingeschlagene Richtung
deutlich gekennzeichnet, die den Gedanken vertritt,
„daß der einzige Weg, welcher uns zu einem selbst-
ständigen modernen Aunstgewerbe verhelfen kann,
durch die Natur geht"; doch sollen andere mo-
derne, im Lande auftauchende Ideen nicht unberück-
sichtigt bleiben, wenn auch zwischen dem „geschmack-
vollen Neuen, dem that-
sächlich stilbildende Arast
innewohnt" und „vorüber-
gehenden N7odelaunen"scharf
unterschieden wird.
Der altelsässische:: Aunst
ist ein sehr breiter Raum
zugemessen. Dem bekannten
Straßburger Wendel Diet-
terlin ist ein ganzes Pest ge-
widinet, je zwei der Poh-
königsburg und dem Mu-
seun: zu Metz; sogar auch
die vorgeschichtliche Zeit findet
Berücksichtigung. Von den
auf die Gegenwart bezüg-
lichen Aufsätzen rc. verdienen
die :neiste Beachtung die
Arbeiten aus der Straß-
burger Schule, Proben von
Polz-, Thon- und Schmiede-
eisenarbeiten. Wer die Darm-
städter Ausstellung gesehen
und sie :nit geteilten Em-
pfindungen verlassen hat, dem
sei zur Erheiterung A.Seders
Besprechung der Ausstellung,
die er kurzweg „Wiener
Gschnasausstellung" nennt
(Pest \2) nachdrücklich em-
pfohlen; so einseitig der
dabei eingenommene Stand-
punkt auch ist, ■— er regt
doch zun: Nachdenken an.
In: ganzen kann n:an sich
nur darüber freuen, daß in
den Reichslanden für das
einheimische Aunstgewerbe etwas Ansehnliches ge-
than wird; warum aber eine für das nun seit
30 Jahren deutsche Reichsland herausgegebene
und von der elsaß-lothringischen Regierung unter-
stützte Zeitschrift französisch geschriebene Artikel an-
ni:nn:t, — Les Metiers d’art de A’lsace ä l’ex-
position universelle. Par Victor de Legur, — ist
unverständlich, zumal eine zu weit getriebene Tour-
toisie von unseren westlichen Nachbarn gar zu gerne
als Schwäche gedeutet wird.
422. Statue Ludwigs des Bayern; Bekrönung
des Weißenburger Brunnens (s. Abb. 423).
262
den Tischreden beim frohen Mahle Rückblicke gethan
wurden, in denen in Bezug auf das Aunstgewerbe
wiederholt Vergleiche zwischen damals und „vor
20 fahren" gezogen wurden; aber keiner der Redner
dachte daran, daß auf den Tag genau vor 20 Jahren
— am 28. September s870 — die deutschen Truppen
in Straßburg eingezogen
waren; es wäre nahe ge-
legen, an dieses Ereignis zu
erinnern und bei diesem An-
laß auch den Wunsch aus-
zusprechen, daß man nach
abermals 20 Jahren von
einem Wiederaufleben des
einst hervorragenden, aber
durch die politischen Ver-
hältnisse zurückgegangenen
elsässischen Aunstgewerbes
sprechen könne. Die hoch-
gehenden Redewogen er-
tränkten diesen Gedanken,
der erst wieder auflebte, als
nicht ganz zehn Jahre später
das erste Pest der eben ge-
nannten Zeitschrift erschien,
in welcher der größeren
Öffentlichkeit das Wachsen
des reichsländischen Aunst-
handwerks geschildert wird;
über ein Jahr ist seither
vergangen, und da ziemt es
sich, der neuen Aollegin ein
paar Worte zu widmen.
Unter Führung der Straß-
burger Aunstgewerbefchule
hat das elsässische uud be-
souders das Straßburger
Aunstgewerbe heute wieder
eine Stellung errungen, die
es befähigt, auch die ver-
wöhnten Landsleute zu be-
friedigen und sie von ihrer
bisher begünstigten, nach
Paris führenden Bezugslinie abzudrängen. Davon
gibt die neue Zeitschrift erfreuliche Runde. Trägt
sie schon hierdurch nrächtig zur Lösung der in: Lande
noch imnier schwankenden nationalen Frage bei,
so wirkt vollends die Anknüpfung an die altelsässische
Aunst weckend und wiederbelebend auf das Peimats-
gefühl ein und damit gleichfalls in: Sinne des
Deutschtuins. Die Stellung der Zeitschrift zur kunst-
gewerblichen Bewegung der Gegenwart ist durch die
von der Straßburger Schule eingeschlagene Richtung
deutlich gekennzeichnet, die den Gedanken vertritt,
„daß der einzige Weg, welcher uns zu einem selbst-
ständigen modernen Aunstgewerbe verhelfen kann,
durch die Natur geht"; doch sollen andere mo-
derne, im Lande auftauchende Ideen nicht unberück-
sichtigt bleiben, wenn auch zwischen dem „geschmack-
vollen Neuen, dem that-
sächlich stilbildende Arast
innewohnt" und „vorüber-
gehenden N7odelaunen"scharf
unterschieden wird.
Der altelsässische:: Aunst
ist ein sehr breiter Raum
zugemessen. Dem bekannten
Straßburger Wendel Diet-
terlin ist ein ganzes Pest ge-
widinet, je zwei der Poh-
königsburg und dem Mu-
seun: zu Metz; sogar auch
die vorgeschichtliche Zeit findet
Berücksichtigung. Von den
auf die Gegenwart bezüg-
lichen Aufsätzen rc. verdienen
die :neiste Beachtung die
Arbeiten aus der Straß-
burger Schule, Proben von
Polz-, Thon- und Schmiede-
eisenarbeiten. Wer die Darm-
städter Ausstellung gesehen
und sie :nit geteilten Em-
pfindungen verlassen hat, dem
sei zur Erheiterung A.Seders
Besprechung der Ausstellung,
die er kurzweg „Wiener
Gschnasausstellung" nennt
(Pest \2) nachdrücklich em-
pfohlen; so einseitig der
dabei eingenommene Stand-
punkt auch ist, ■— er regt
doch zun: Nachdenken an.
In: ganzen kann n:an sich
nur darüber freuen, daß in
den Reichslanden für das
einheimische Aunstgewerbe etwas Ansehnliches ge-
than wird; warum aber eine für das nun seit
30 Jahren deutsche Reichsland herausgegebene
und von der elsaß-lothringischen Regierung unter-
stützte Zeitschrift französisch geschriebene Artikel an-
ni:nn:t, — Les Metiers d’art de A’lsace ä l’ex-
position universelle. Par Victor de Legur, — ist
unverständlich, zumal eine zu weit getriebene Tour-
toisie von unseren westlichen Nachbarn gar zu gerne
als Schwäche gedeutet wird.
422. Statue Ludwigs des Bayern; Bekrönung
des Weißenburger Brunnens (s. Abb. 423).
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