Erster Jahrgang.
Berlin den 1. Februar 1885.
No. 3.
DER KUNSTFREUND
Herausgegeben von Henry Thode
Erscheint am I. und 15. jeden Monats. Preis des Jahrgangs mit allen Beilagen 20 Mark.
Die Abonnenten des »Jahrbuchs der Königlich Preussischen Kunstsammlungen« erhalten den »Kunstfreund« gratis,
die Beilagen zu ermässigten Preisen.
ERFAHRUNGEN BEI DEM UMBAU UND
DER UMSTELLUNG DER GEMÄLDE-
GALERIE
(Fortsetzung.)
Die Form und Grösse unserer Kabinette, na-
mentlich die schräge Stellung der Seitenwände,
scheint fast allgemein als eine glückliche ange-
sehen zu werden, und ist auch bereits bei ver-
schiedenen Neubauten berücksichtigt worden. Doch
sind wir zu der Grösse unserer neuen Kabinette mit
durch die Mafse der alten bestimmt worden: die
Räumesind, im Verhältnis zur Breite, nicht tief genug
und vielleicht etwas zu hoch; auch würden bei
einem Neubau Kabinette von wesentlich grösserem
Umfang, namentlich zur Aufnahme altniederländi-
scher Altarbilder und italienischer Gemälde der
Blütezeit, in Vorschlag zu bringen sein. Eben-
so sind die schrägen Wände in erster Linie ein
Notbehelf, auf den wir durch die gegebene
Grösse der Fenster und den Lichteinfall geführt
wurden. Bei einem Neubau könnte durch rich-
tige Mafse und Stellung der Fenster diese archi-
tektonisch nicht erfreuliche Gestalt vielleicht
sehr gemildert werden. Da für eine gute Be-
leuchtung der Kabinette möglichst hohes und
grosses Seitenlicht erforderlich ist, so wird man,
um nicht zu einer, namentlich an der Fassade
sehr unschön wirkenden Form und Stellung der
Fenster gezwungen zu werden, m. E. gut tun,
nach altem holländischen Vorbilde mehrfach
geteilte Klappläden im Innern anzubringen, deren
unterster Teil immer geschlossen wäre, während
das Schliessen eines zweiten Teils je von der
Beleuchtung abhängen würde. Dadurch wäre
zugleich der jetzt sehr empfindlichen Blendung
des Beschauers abgeholfen, der, bei Betrachtung
der Gemälde an den Wänden, die Lichtmasse des
hohen Fensters unmittelbar zur Seite hat.
Nebenbei bemerkt, ist es sonst ein Haupt-
verdienst des Umbaues, dass das Auge ausschliess-
lich auf die Bilder gelenkt und für dieselben frisch
erhalten wird, während der Beschauer früher
in jedem Kabinet zunächst auf das Licht zu-
gehen musste, und sein Blick dadurch bald er-
müdete und abgestumpft wurde.
Die Gänge, welche in dem Umbau nur aus
einem unvermeidlichen Bedürfnis entstanden sind,
haben sich -— wie bereits erwähnt — sowol für
die malerische Wirkung der Räume, durch die
mannigfaltigen Durchblicke und Perspectiven,
welche sie eröffnen, als für die Aufstellung mittel-
grosser Bilder und deren günstige Beleuchtung
als besonders vorteilhaft erwiesen. Freilich sollten
sie mindestens einen Meter breiter gehalten
werden, als dies beim Umbau thunlich war;
und müsste namentlich die Beleuchtung so ein-
gerichtet sein, dass eine Spiegelung bei den Bildern,
die jetzt störend ist, ausgeschlossen wäre. Dies
liesse sich vielleicht am zweckmässigsten durch
eigentliches Atelierlicht — also durch hohes Seiten-
licht, welches noch in das Dach mit eingreift —
erreichen; ein solches ist aber deshalb leicht an-
zubringen, weil solche Korridore am günstigsten,
wie jetzt in unserer Galerie, an den Höfen an-
gelegt werden, wo Kabinette wegen der Reflexe
völlig ausgeschlossen sind, und wo in Bezug auf
Form und Platz der Fenster nicht die Anforderungen
der Fassade inne gehalten zu werden brauchen.
Durch eine derartige Verbindung von hohem Seiten-
licht und Oberlicht in der Atelierbeleuchtung, die
ja das schärfste und zugleich ruhigste Licht gibt,
würde auch eine Beschattung der Bilder durch
den Beschauer ausgeschlossen sein.
In Bezug auf die Ausstattung der Räume,
soweit dieselbe für die Wirkung der Gemälde hier
in Betracht kommt, können wir, zumal bei der
allgemeinen Anerkennung, welche dieselbe gefunden
hat, gleichfalls einige negative Resultate offen ein-
gestehen. Für die Bekleidung der Wände lässt
sich wol bestimmt aussprechen, dass die im Neu-
bau, mit Ausnahme der Gänge, durchgeführte Be-
3
Berlin den 1. Februar 1885.
No. 3.
DER KUNSTFREUND
Herausgegeben von Henry Thode
Erscheint am I. und 15. jeden Monats. Preis des Jahrgangs mit allen Beilagen 20 Mark.
Die Abonnenten des »Jahrbuchs der Königlich Preussischen Kunstsammlungen« erhalten den »Kunstfreund« gratis,
die Beilagen zu ermässigten Preisen.
ERFAHRUNGEN BEI DEM UMBAU UND
DER UMSTELLUNG DER GEMÄLDE-
GALERIE
(Fortsetzung.)
Die Form und Grösse unserer Kabinette, na-
mentlich die schräge Stellung der Seitenwände,
scheint fast allgemein als eine glückliche ange-
sehen zu werden, und ist auch bereits bei ver-
schiedenen Neubauten berücksichtigt worden. Doch
sind wir zu der Grösse unserer neuen Kabinette mit
durch die Mafse der alten bestimmt worden: die
Räumesind, im Verhältnis zur Breite, nicht tief genug
und vielleicht etwas zu hoch; auch würden bei
einem Neubau Kabinette von wesentlich grösserem
Umfang, namentlich zur Aufnahme altniederländi-
scher Altarbilder und italienischer Gemälde der
Blütezeit, in Vorschlag zu bringen sein. Eben-
so sind die schrägen Wände in erster Linie ein
Notbehelf, auf den wir durch die gegebene
Grösse der Fenster und den Lichteinfall geführt
wurden. Bei einem Neubau könnte durch rich-
tige Mafse und Stellung der Fenster diese archi-
tektonisch nicht erfreuliche Gestalt vielleicht
sehr gemildert werden. Da für eine gute Be-
leuchtung der Kabinette möglichst hohes und
grosses Seitenlicht erforderlich ist, so wird man,
um nicht zu einer, namentlich an der Fassade
sehr unschön wirkenden Form und Stellung der
Fenster gezwungen zu werden, m. E. gut tun,
nach altem holländischen Vorbilde mehrfach
geteilte Klappläden im Innern anzubringen, deren
unterster Teil immer geschlossen wäre, während
das Schliessen eines zweiten Teils je von der
Beleuchtung abhängen würde. Dadurch wäre
zugleich der jetzt sehr empfindlichen Blendung
des Beschauers abgeholfen, der, bei Betrachtung
der Gemälde an den Wänden, die Lichtmasse des
hohen Fensters unmittelbar zur Seite hat.
Nebenbei bemerkt, ist es sonst ein Haupt-
verdienst des Umbaues, dass das Auge ausschliess-
lich auf die Bilder gelenkt und für dieselben frisch
erhalten wird, während der Beschauer früher
in jedem Kabinet zunächst auf das Licht zu-
gehen musste, und sein Blick dadurch bald er-
müdete und abgestumpft wurde.
Die Gänge, welche in dem Umbau nur aus
einem unvermeidlichen Bedürfnis entstanden sind,
haben sich -— wie bereits erwähnt — sowol für
die malerische Wirkung der Räume, durch die
mannigfaltigen Durchblicke und Perspectiven,
welche sie eröffnen, als für die Aufstellung mittel-
grosser Bilder und deren günstige Beleuchtung
als besonders vorteilhaft erwiesen. Freilich sollten
sie mindestens einen Meter breiter gehalten
werden, als dies beim Umbau thunlich war;
und müsste namentlich die Beleuchtung so ein-
gerichtet sein, dass eine Spiegelung bei den Bildern,
die jetzt störend ist, ausgeschlossen wäre. Dies
liesse sich vielleicht am zweckmässigsten durch
eigentliches Atelierlicht — also durch hohes Seiten-
licht, welches noch in das Dach mit eingreift —
erreichen; ein solches ist aber deshalb leicht an-
zubringen, weil solche Korridore am günstigsten,
wie jetzt in unserer Galerie, an den Höfen an-
gelegt werden, wo Kabinette wegen der Reflexe
völlig ausgeschlossen sind, und wo in Bezug auf
Form und Platz der Fenster nicht die Anforderungen
der Fassade inne gehalten zu werden brauchen.
Durch eine derartige Verbindung von hohem Seiten-
licht und Oberlicht in der Atelierbeleuchtung, die
ja das schärfste und zugleich ruhigste Licht gibt,
würde auch eine Beschattung der Bilder durch
den Beschauer ausgeschlossen sein.
In Bezug auf die Ausstattung der Räume,
soweit dieselbe für die Wirkung der Gemälde hier
in Betracht kommt, können wir, zumal bei der
allgemeinen Anerkennung, welche dieselbe gefunden
hat, gleichfalls einige negative Resultate offen ein-
gestehen. Für die Bekleidung der Wände lässt
sich wol bestimmt aussprechen, dass die im Neu-
bau, mit Ausnahme der Gänge, durchgeführte Be-
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