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Erster Jahrgang.

Berlin den 1. Oktober 1885.

No. 19.

DER KUNSTFREUND

Herausgegeben von Henry Thode

Erscheint am i. und 15. jeden Monats. Preis des Jahrgangs mit allen Beilagen 20 Mark.
Die Abonnenten des »Jahrbuchs der Königlich Preussischen Kunstsammlungen« erhalten den »Kunstfreund« gratis,
die Beilagen zu ermäfsigten Preisen.

JACOPO BELLINI, PISANELLO UND
MANTEGNA IN DEN SONETTEN DES
DICHTERS ULISSE
In der Königl. Bibliothek zu Modena bewahrt
man ein mit »Rime del Petrarca e di altri« be-
titeltes Manuskript (III D. 22), aus dem Quadrio
in seiner »Istoria della Poesia« einige Proben
veröffentlichte. Giulio Canani, der im Jahre 1686
in den Besitz des Codex kam, teilt uns in einigen
auf der ersten Seite niedergeschriebenen Noten
mit, dass es 1651 von einem Herrn Alfonso di
Giuliano Gioja gekauft wurde, und giebt ihm das
Datum 1447. Letzteres ist nicht sicher, vielmehr
überzeugt eine Prüfung des Manuskripts davon,
dass man es um einige Dezennien später ansetzen
muss. Es enthält viele Sonette von Ulisse, einem
Dichter, der selbst von Tiraboschi vergessen wurde,
von Tiraboschi, der doch in seine weiten Arme
mit göttlicher Barmherzigkeit auch die kläglichsten
und gröbsten Dichter aufnahm.
Und zwar sind des Ulisse Sonette eigenartig
und lehren uns einen guten Nachfolger des Pe-
trarca kennen, der bisweilen selbständige und
wirksame Ausdrücke zu finden und kräftige Verse
zu prägen verstand. Es scheint seltsam, dass ein
solcher Dichter unbekannt geblieben ist und keine
biographischen Angaben von ihm erhalten sind.
Aus den Sonetten aber kann man schliessen, dass
er in Ferrara lebte, da er Persönlichkeiten, die da-
selbst zu Hause waren, zum Gegenstand seiner Verse
macht, und auch deswegen, weil er in einem der
drei Künstlersonette Lionello d’Este erwähnt.
Andererseits aber lässt der Umstand, dass er die
»salzigen Wellen« anruft, an denen sich seine
Dame befindet, und auch sonst häufig in seinen
Versen sich an die »degna e salsa riva« wendet,
annehmen, dass Ulisse in Venedig zu Hause war.
Sollte er vielleicht eine und dieselbe Person mit
Ulisse de Aleotti, Notar an der Corte maggiore

zu Padua, sein, der, wie uns aus einem kürzlich
von Cecchetti im Archivio Veneto publizierten
Dokumente bekannt ist, im Jahre 1448 Schieds-
richter in einer zwischen Squarzione und Man-
tegna entstandenen Streitigkeit war? Doch lassen
wir einstweilen jede Nachforschung nach der
Person des Dichters bei Seite! Es drängt uns, die
Sonette, die sich auf Jacopo Bellini, Pisanello
und Andrea Mantegna beziehen, ans Licht zu
ziehen.
Das auf Blatt 43 befindliche Sonett ist an
Jacopo Bellini gerichtet, der, wie wir in unserer
Studie: »I primordi del Rinascimento artistico a
Ferrara«, gezeigt haben, Beziehungen zu dem
Estensischen Hofe hatte, da Lionello d’Este ihm
im Jahre 1441 ein Geschenk von Korn nach
Venedig sandte. Auf verschiedenen Zeichnungen
Jacopo’s im British Museum und im Louvre sieht
man öfters wiederholt den Adler der Este; in des
Pietro Bembo Sammlung zu Padua befand sich,
wie der Anonimo Morelliano bezeugt, ein Bildnis
des Bertoldo d’Este von seiner Hand. Alles dies
liess uns für gewiss annehmen, dass Jacopo Bellini
in Ferrara gewesen. Ein ganz sicheres Zeugnis da-
für gewährt uns der Dichter Ulisse, wie wir in dem
zweiten Sonett sehen werden. In dem zunächst
gegebenen erhebt der Dichter den Maler, der seine
Gedanken in Farben umzusetzen verstand, sehr
hoch und ermutigt ihn, nicht auf das neidische
Volk, das ihm den Ruhm streitig mache, zu
achten, sondern daran zu denken, dass bisweilen
die Sonne von Nebeln verfinstert wird.
Ulixis pro Jacobo Bellino pictore.
Quanto ehe gloriar te puoy bellino
ehe quel ehe sente il tuo chiaro Intellecto
la mano industriosa il proprio effecto
mostra di fuora gajo et pelegrino
Siche ad ogni altro insegni il ver camino
del divo Apelle et nobel policleto
ehe se natura ta facto perfecto
questa e gratia dal ciel e tuo destino

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