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Erster Jahrgang.

Berlin den 1. September 1885.

No. 17.

DER KUNSTFREUND

Herausgegeben von Henry Thode

Erscheint am i. und 15. jeden Monats. Preis des Jahrgangs mit allen Beilagen 20 Mark.
Die Abonnenten des »Jahrbuchs der Königlich Preussischen Kunstsammlungen« erhalten den »Kunstfreund« gratis,
die Beilagen zu ermäfsigten Preisen.

DIE NEUEN ERWERBUNGEN
DER BERLINER MUSEEN AUS DER
GALERIE ZU BLENHEIM
II. RUBENS’ BACCHANAL UND ANDROMEDA.
JOOS VAN CLEEFS JÜNGLINGSPORTRÄT
Der Ruhm von Blenheim waren seine Rubens,
jene Sammlung von Meisterwerken des grossen
vlämischen Künstlers, welche dem ersten Herzog
von Marlborough nach seinen Siegen in den
Niederlanden von den vlämischen Städten und
vom Kaiser zum Geschenk gemacht, oder die der
begeisterte Bewunderer des vlämischen Raphael
später käuflich erworben hatte; zumeist sehr um-
fangreiche Altargemälde oder Dekorationen von
Palästen, wie sie in solcher Zahl und Güte nur
einige der grössten öffentlichen Galerien aufzu-
weisen haben. Die beiden Bilder, welche jetzt
für unsere König!. Galerie aus der Sammlung er-
worben wurden, sind altbekannte berühmte Bilder
des Künstlers, welche bis auf ihn zurückzuführen
sind und die für sich selber sprechen. Über
ihren Wert und Bedeutung brauche ich mich
daher nicht weitläufig zu verbreiten; doch möchten
einige Notizen über ihre Geschichte und Ent-
stehung von Interesse sein.
Die »Andromeda« ist das Gemälde, welches
unter No. 85 im Nachlass des Künstlers 1641 zur
Versteigerung kam. Ein etwas grösseres Bild
desselben Gegenstandes befand sich gleichfalls noch
bei seinem Tode im Atelier, und zwar unvollendet:
ein Gemälde, das 1637 durch Philipp IV bei Rubens
bestellt war und das nach dem Tode des Künstlers
dem Jacob Jordaens zur Vollendung übertragen
wurde. Die Verwandtschaft zwischen beiden
Bildern macht es sehr wahrscheinlich, dass diese
Blenheimer Andromeda als Studie und Entwurf
für die Bestellung Philipps entstand. Dass diese
Frauengestalt eine treue Studie nach der Natur
ist und zwar eine der liebevollsten, durchgeführ-

testen, die uns von Rubens erhalten sind, wird
jedes Künstlerauge sofort erkennen. Dass aber die
Studie die Gestalt seiner zweiten Frau Helene
Fourment wiedergiebt, bezeugt nicht nur ihr be-
kanntes Gesicht, das uns fast in allen späteren
Gemälden des Künstlers begegnet; auch die Formen
des Körpers sind unverkennbar dieselben wie in
dem berühmten gleichzeitigen Bildnis mit dem Pelz
im Belvedere. Da sie als eine Frau von einigen
zwanzig Jahren erscheint, muss das Bild um
1636 oder 1637 entstanden sein, also gerade, als
Rubens jenen Auftrag von König Philipp erhielt.
Die Helligkeit und Leuchtkraft der Farbe, die
Meisterschaft der Modellierung, die noch deutlich
verrät, wie der Meister sich gar nicht genug thun
konnte in der Durchbildung und das bereits Voll-
endete wieder und wieder überging, verbinden
sich mit der tadellosen Erhaltung und mit den
ganz flüchtig auf den hellbraunen Grund ge-
strichenen Nebenfiguren und der Landschaft zu
einer so wunderbar frischen Wirkung, wie sie nur
Rubens und auch er nur in dieser seiner letzten
gewaltigsten Zeit erzielt hat. Die Sorgfalt, die
der Künstler auf das Bild verwandte, macht sich
auch in verschiedenen deutlich bemerkbaren Pen-
timenten geltend. Am stärksten sind dieselben
am Kopf und an den Armen; soweit hier die alten
Conture wieder sichtbar geworden sind, erscheint
die Verwandtschaft der Figur mit einer Gestalt
auf einem fast gleichzeitig vom Künstler für Karl I
von England ausgeführten Bild, für die Minerva
im Parisurtheil der Nationalgalerie zu London,
so auffällig, dass ich vermute, unser Bild entstand
zunächst als Studie für diese Gestalt; und als
Rubens etwas später den Auftrag auf die An-
dromeda bekam, verwandelte er seine Studie
durch einige kecke Änderungen und Zuthaten in
eine Andromeda. In der Form, in welcher das von
Philipp IV bestellte Bild schliesslich an diesen ab-
geliefert wurde, erlitt die Komposition freilich
noch mehrfache wesentliche Änderungen.

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