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Geneigt, sich zu rühmen, würde Zani schwerlich
seine Entdeckung geheim gehalten, vielmehr sie
mit der ihm eigenen Exaltation den Kunstfreunden
seiner Zeit und der Nachwelt verkündet haben.
Die einfache Hypothese aber, dass der von
Vedriani erwähnte Stecher der Meister mit dem
Vogel sei, ist kein genügender Grund. Könnten
nicht, muss Zani gedacht haben, die Buchstaben
J. B. die Namensinitialen jenes Künstlers sein?
Allerdings war es damals Gebrauch, dass sich die
Künstler mit dem Namen allein unterzeichneten,
aber in diesem Falle hielten sie sich zumeist an
die Schreibweise des Dialekts, wie es z. B. der
Venezianer Zoan Andrea that, oder liessen dem
Namen die Angabe ihrer Heimat folgen. Nun
ward aber im XVI Jahrhundert in Modena der
Name: »Giovanni Battista« »Zohano Battista« oder
»Zan Battista« geschrieben. Der Künstler, der
lateinischen Form sich bedienend, hätte nur seinen
halben Namen angeführt, da ja der Vogel nichts
mit seinem Zunamen zu thun hat. Aber mag
man auch darüber streiten, so muss man doch
nach Allem, was wir über Vedriani’s Behauptung
bemerkt haben, sagen, dass die Hypothese Zani’s
auf keinem guten Fundamente ruht.
Im Vertrauen auf Zani aber schreiben Bartsch,
Passavant, Galichon, Duplessis, Delaborde u. A. m..
dem Gian Battista del Porto jene Stiche der lom-
bardisch-venetianischen Schule zu und identi-
fizieren ihn mit dem Meister, der in der Figur
der »siegreichen Roma« einen Stich des Jacopo
di Barbari, im »Raube der Europa« jenen Albrecht
Dürer’s kopierte und der auch in anderen Blättern
ein Studium des grossen Nürnberger Meisters
zeigt. Passavant, der Zani falsch interpretierte,
machte ihn sogar zum Maler: kurz alle Geschichts-
schreiber des Kupferstichs nehmen Zani’s Ansicht
vollständig und ohne Diskussion an.
Cicognara als der einzige, von Modenesischen
Gelehrten beraten und erwägend, dass Tiraboschi,
der doch im Lesen alter Schrift viel erfahrener
war als Vedriani, keine Notizen im Lancilotto
über Giov. Battista del Porto gefunden, versuchte
in seinen »memorie spettanti alla storia della
Calcografia« (Prato, Giacchetti 1831) den Künstler
mit Jacopo da Porto zu identifizieren. Daran hat
auch ein Modenesischer Historiker, Malmusi, einer
von Cicognara’s Korrespondenten gedacht, da für
ihn der Goldschmied, welcher das Niello der Pax
in der Kathedrale von Modena gemacht, mit dem
Porto, »welcher wunderbar in Kupfer stach«, ein
und derselbe war. (Atti della R. Deput. di Storia
Patria per le provincie dell’ Emilia. Tornata XX,
5. April 1861.) Dabei vergass man, dass die Lettern
J. B. in keiner Weise mit dem Namen »Jacopo
180
da Porto« sich vereinigen liessen. Auch ist die
Kunstweise dieses Meisters durchaus verschieden
von der des »Meisters mit dem Vogel«. Drei
Werke des Jacopo sind erhalten: ein unter Bei-
hülfe seines Bruders Antonio gefertigtes Kreuz,
das sich in Fiumalbo, einem Ort in den Modene-
sischen Bergen, befindet; das Kreuz der Kirche
in Brandola, das jetzt im Museo civico zu Modena
ist und die niellierte Pax der Kathedrale. Die
beiden Kreuze, welche nur geringe Abweichungen
von einander zeigen, beweisen, dass Jacopo da
Porto verschiedene Wiederholungen eines und des-
selben Kreuzmodelles zu machen pflegte, des guten
Geschäftes wegen. Die niellierte Pax, die man
an Festestagen den Fürsten zum Kusse reichte,
wurde 1486, also früher als die Kreuze, welche
die Bezeichnung 1494 und 1499 tragen, ausgeführt.
Man sieht auf ihr Christus als Erlöser in halber
Figur im Sarkophage dargestellt. Das Niello zeigt
grosse Unerfahrenheit in der Perspektive und die
Schraffierung ist derartig in Kreuzlagen ausgeführt,
dass sie mehr einen Fleck als einen Schatten
bildet. Hier und da sieht man Spuren von einer
Aetzung des Silbers und einzelne vertiefte Linien,
die nicht mit Niello ausgefüllt sind. Daraus geht
hervor, dass Jacopo da Porto nur ein sehr mittel-
mäfsiger Goldschmied und seine Manier bei
weitem schwächer und roher als diejenige des
Stechers J. B. war.
Hat man so die Ansichten der Historiker ge-
prüft, so scheint es evident zu sein, dass jeder
ernste Grund, G. B. del Porto die Stiche des ano-
nymen Meisters zuzuteilen, fehlt, um so mehr,
bedenkt man schliesslich, dass die Kunstweise des
letzteren herzlich wenige Beziehungen zur Mode-
nesischen Kunst seiner Zeit hat. Mir dünkt, dass
der »Meister mit dem Vogel« in einem anderen
Centrum, wo die klassische Richtung sich mit der
Zeit seines Geistes bemächtigen konnte, herange-
wachsen sein muss. Seine profane Grazie, seine
Anmut hätten in Modena schwerlich ein Gegenstück
gehabt.
Man vergleiche nur z. B. den David des Nico-
letto da Modena mit dem David des Meisters J. B.
Die Darstellungsmittel, die jener hat, schmecken
etwas nach lokal beschränkter Derbheit: der Kör-
per des am Boden liegenden Goliath, dessen des
Kopfes beraubter Hals einen Strom von Blut ent-
sendet, und David, der halbwüchsige Knabe, der
mit der einen Hand das Schwert, mit der anderen
das Haupt des Giganten hält, zeigen, dass das
Augenmerk des Stechers besonders darauf ge-
richtet war, die Handlung handgreiflich klar zu
schildern, ohne sich um die Rohheit der ange-
wandten Mittel zu kümmern. Der David des
Geneigt, sich zu rühmen, würde Zani schwerlich
seine Entdeckung geheim gehalten, vielmehr sie
mit der ihm eigenen Exaltation den Kunstfreunden
seiner Zeit und der Nachwelt verkündet haben.
Die einfache Hypothese aber, dass der von
Vedriani erwähnte Stecher der Meister mit dem
Vogel sei, ist kein genügender Grund. Könnten
nicht, muss Zani gedacht haben, die Buchstaben
J. B. die Namensinitialen jenes Künstlers sein?
Allerdings war es damals Gebrauch, dass sich die
Künstler mit dem Namen allein unterzeichneten,
aber in diesem Falle hielten sie sich zumeist an
die Schreibweise des Dialekts, wie es z. B. der
Venezianer Zoan Andrea that, oder liessen dem
Namen die Angabe ihrer Heimat folgen. Nun
ward aber im XVI Jahrhundert in Modena der
Name: »Giovanni Battista« »Zohano Battista« oder
»Zan Battista« geschrieben. Der Künstler, der
lateinischen Form sich bedienend, hätte nur seinen
halben Namen angeführt, da ja der Vogel nichts
mit seinem Zunamen zu thun hat. Aber mag
man auch darüber streiten, so muss man doch
nach Allem, was wir über Vedriani’s Behauptung
bemerkt haben, sagen, dass die Hypothese Zani’s
auf keinem guten Fundamente ruht.
Im Vertrauen auf Zani aber schreiben Bartsch,
Passavant, Galichon, Duplessis, Delaborde u. A. m..
dem Gian Battista del Porto jene Stiche der lom-
bardisch-venetianischen Schule zu und identi-
fizieren ihn mit dem Meister, der in der Figur
der »siegreichen Roma« einen Stich des Jacopo
di Barbari, im »Raube der Europa« jenen Albrecht
Dürer’s kopierte und der auch in anderen Blättern
ein Studium des grossen Nürnberger Meisters
zeigt. Passavant, der Zani falsch interpretierte,
machte ihn sogar zum Maler: kurz alle Geschichts-
schreiber des Kupferstichs nehmen Zani’s Ansicht
vollständig und ohne Diskussion an.
Cicognara als der einzige, von Modenesischen
Gelehrten beraten und erwägend, dass Tiraboschi,
der doch im Lesen alter Schrift viel erfahrener
war als Vedriani, keine Notizen im Lancilotto
über Giov. Battista del Porto gefunden, versuchte
in seinen »memorie spettanti alla storia della
Calcografia« (Prato, Giacchetti 1831) den Künstler
mit Jacopo da Porto zu identifizieren. Daran hat
auch ein Modenesischer Historiker, Malmusi, einer
von Cicognara’s Korrespondenten gedacht, da für
ihn der Goldschmied, welcher das Niello der Pax
in der Kathedrale von Modena gemacht, mit dem
Porto, »welcher wunderbar in Kupfer stach«, ein
und derselbe war. (Atti della R. Deput. di Storia
Patria per le provincie dell’ Emilia. Tornata XX,
5. April 1861.) Dabei vergass man, dass die Lettern
J. B. in keiner Weise mit dem Namen »Jacopo
180
da Porto« sich vereinigen liessen. Auch ist die
Kunstweise dieses Meisters durchaus verschieden
von der des »Meisters mit dem Vogel«. Drei
Werke des Jacopo sind erhalten: ein unter Bei-
hülfe seines Bruders Antonio gefertigtes Kreuz,
das sich in Fiumalbo, einem Ort in den Modene-
sischen Bergen, befindet; das Kreuz der Kirche
in Brandola, das jetzt im Museo civico zu Modena
ist und die niellierte Pax der Kathedrale. Die
beiden Kreuze, welche nur geringe Abweichungen
von einander zeigen, beweisen, dass Jacopo da
Porto verschiedene Wiederholungen eines und des-
selben Kreuzmodelles zu machen pflegte, des guten
Geschäftes wegen. Die niellierte Pax, die man
an Festestagen den Fürsten zum Kusse reichte,
wurde 1486, also früher als die Kreuze, welche
die Bezeichnung 1494 und 1499 tragen, ausgeführt.
Man sieht auf ihr Christus als Erlöser in halber
Figur im Sarkophage dargestellt. Das Niello zeigt
grosse Unerfahrenheit in der Perspektive und die
Schraffierung ist derartig in Kreuzlagen ausgeführt,
dass sie mehr einen Fleck als einen Schatten
bildet. Hier und da sieht man Spuren von einer
Aetzung des Silbers und einzelne vertiefte Linien,
die nicht mit Niello ausgefüllt sind. Daraus geht
hervor, dass Jacopo da Porto nur ein sehr mittel-
mäfsiger Goldschmied und seine Manier bei
weitem schwächer und roher als diejenige des
Stechers J. B. war.
Hat man so die Ansichten der Historiker ge-
prüft, so scheint es evident zu sein, dass jeder
ernste Grund, G. B. del Porto die Stiche des ano-
nymen Meisters zuzuteilen, fehlt, um so mehr,
bedenkt man schliesslich, dass die Kunstweise des
letzteren herzlich wenige Beziehungen zur Mode-
nesischen Kunst seiner Zeit hat. Mir dünkt, dass
der »Meister mit dem Vogel« in einem anderen
Centrum, wo die klassische Richtung sich mit der
Zeit seines Geistes bemächtigen konnte, herange-
wachsen sein muss. Seine profane Grazie, seine
Anmut hätten in Modena schwerlich ein Gegenstück
gehabt.
Man vergleiche nur z. B. den David des Nico-
letto da Modena mit dem David des Meisters J. B.
Die Darstellungsmittel, die jener hat, schmecken
etwas nach lokal beschränkter Derbheit: der Kör-
per des am Boden liegenden Goliath, dessen des
Kopfes beraubter Hals einen Strom von Blut ent-
sendet, und David, der halbwüchsige Knabe, der
mit der einen Hand das Schwert, mit der anderen
das Haupt des Giganten hält, zeigen, dass das
Augenmerk des Stechers besonders darauf ge-
richtet war, die Handlung handgreiflich klar zu
schildern, ohne sich um die Rohheit der ange-
wandten Mittel zu kümmern. Der David des