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Dietrichs von Bern, der, von Ermanrich überfallen,
die Stadt heimlich verlassen musste, ferner wie zur
Hülfe Dietrichs die Königin Erka ihre Söhne Erp
und Ortwin in den Kampf aussendet, endlich die
Rabenschlacht, in welcher der Held von Bern
Sieger blieb.
Ein zweiter Cyclus schildert in acht Bildern
die Episode: »Rinaldo und Armida« aus Tässo’s
Befreitem Jerusalem. Rinald ist verschwunden,
da erhalten die Ritter Karl und Ubald von einem
Zauberer den demantnen Schild und die goldene
Gerte, ihn wiederzufinden. Indessen aber hat
Armida den schlafenden Helden erblickt und auf
ihrem Drachenwagen entführt. Vergebens suchen
Sirenen die helfenden Freunde zu bethören, sie
gelangen zum Zaubergarten und gewahren Rinald,
wie er das Haupt im Schosse der Armida süsser
Vergessenheit pflegt. Sie warten den Zeitpunkt
ab, da er allein ist, und halten ihm plötzlich den
Schild vor, der ihn zum Bewusstsein seiner Lage
und zu neuen Thaten bringt. Auf dem letzten
Bilde sehen wir ihn knieend im Gebet sich von
der Schuld reinigen. Reizend ist vor Allem jene
Darstellung, in der sich Armida, eine andere Selene,
zu dem schlafenden Rinald - Endymion neigt,
dann schwungvoll und frei bewegt auch die Fahrt
auf dem Drachenwagen.
In fünf Bildern erzählt Schwind weiter jene
Erzählung von der Brautwerbung des Longobarden-
königs Autharis um des Bayernherzogs Garibald
Tochter Theodelinde. Da gewahrt man zuerst,
wie der als werbender Gesandter verkleidete König
Autharis den Becher entgegennimmt, den Theode-
linde ihm reicht. »Er berührte dabei ihre Hand
und führte ihre Rechte über seine Stirn, Nase
und Wange.« Tief beschämt über solchen Schimpf
sehen wir dann die Königstochter ihr Leid der
Amme klagen, eine höchst einfache, grossartige
Komposition. Die kluge Frau hat das Geheimnis
erraten und giebt ihr den süssesten Trost. Autharis
aber zieht von dannen, und als er an die Grenze
gelangt ist, wirft er mit Gewalt seine Streitaxt in
einen Baum und ruft aus: »Solche Hiebe pflegt
Autharis zu führen.« Erstaunt gewahren es die
Bayern, die, zu Garibald heimgekehrt, ihm die
Axt zeigen, und berichten, dass der Bote Autharis
selbst gewesen, indes Theodelinde in die Ferne
schaut, als erwarte sie den heimlich erkannten
Geliebten zurückkehren zu sehen als König.
Die Legende der Geburt Karls des Grossen
ist in elf Wandbildern dargestellt, welche das
»Berthazimmer« in Hohenschwangau schmücken.
König Pipin hatte einen Gesandten ausgeschickt,
der Berchta, des Königs von Britannien Tochter,
als seine künftige Gattin zu ihm führen sollte. Der
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trügerische Bote aber übergab seinen Knechten
die Jungfrau, dass sie dieselbe töteten, und brachte
an ihrer Stelle seine eigene Tochter dem Fürsten.
Berchta aber war am Leben geblieben und fand
bei einem Müller, im waldigen Thale, Zuflucht.
Das erste Wandgemälde zeigt uns den grünen
Wald, in dem Hirsche und Hasen, Vögel und
Eichhörnchen des ungestörten Friedens geniessen,
das zweite den Empfang Berchta’s durch den
Müller. Dann wird uns der fröhliche Jagdzug
vorgeführt, den Pipin unternimmt. Indessen die
Jäger ruhen, hat Pipin sich verirrt und findet die
Königstochter, wie sie Wäsche spült. Zu Pferd
gestiegen, nimmt er Abschied von ihr, nachdem
er die Vorgänge erfahren. Berchta bleibt noch im
Walde und beschäftigt sich mit Sticken. Auf dem
letzten Bild sehen wir, wie Pipin die eingeholte
Gattin in sein Schloss geleitet. Sie wendet den
Blick zurück auf das Kind, das sie geboren: Karl
den Grossen, den festlich geschmückte Knaben
einhertragen. Einige allegorische Figuren und
der sitzende Aventinus, dem, wie Dürr nach-
gewiesen hat, Schwind irrtümlicherweise die
Dichtung zuschreibt, schliessen den Cyclus ab.
Die letzte Folge von Bildern behandelt das
Ritterleben im Mittelalter: den ersten Reitunterricht
des Knaben, die Fahnenwacht des Jünglings, die
Dankerteilung nach dem Turnier, den Abschied
des Ritters von dem Weibe, bevor er in den
Kreuzzug zieht, eine Heldenthat des Kreuzfahrers,
das Wiedersehen und häusliches Glück. — Den
Beschluss des Werkes bildet eine Darstellung aus
der Edda: der Besuch des Frühlingsgottes bei
Hertha, der Tochter des Meeres.
Eine Fülle von anmutigen Zügen und Motiven
macht die Betrachtung dieser hiermit dem grossen
Publikum bekannt gemachten Fresken zu einer
sehr erfreuenden. In mancher Familie, der die
Liebe und das Verständnis für solche sinnige,
naive Romantik noch nicht abhanden gekommen
ist, wird Dürrs verdienstvolle Publikation als
Weihnachtsgeschenk ihren Einzug halten.
H. Thode
ÜBER EINIGE ALTE ITALIENISCHE
HOLZSCHNITTE
Im Jahre 1864 verkauften die Erben der alten
modenesischen Typographie des Bartolomeo Soliani
viele Holzstöcke, die sich seit Jahrhunderten in
ihren Magazinen befanden. Nicht alle gehörten der
Buchdruckerei Soliani, sondern viele auch älteren
Dietrichs von Bern, der, von Ermanrich überfallen,
die Stadt heimlich verlassen musste, ferner wie zur
Hülfe Dietrichs die Königin Erka ihre Söhne Erp
und Ortwin in den Kampf aussendet, endlich die
Rabenschlacht, in welcher der Held von Bern
Sieger blieb.
Ein zweiter Cyclus schildert in acht Bildern
die Episode: »Rinaldo und Armida« aus Tässo’s
Befreitem Jerusalem. Rinald ist verschwunden,
da erhalten die Ritter Karl und Ubald von einem
Zauberer den demantnen Schild und die goldene
Gerte, ihn wiederzufinden. Indessen aber hat
Armida den schlafenden Helden erblickt und auf
ihrem Drachenwagen entführt. Vergebens suchen
Sirenen die helfenden Freunde zu bethören, sie
gelangen zum Zaubergarten und gewahren Rinald,
wie er das Haupt im Schosse der Armida süsser
Vergessenheit pflegt. Sie warten den Zeitpunkt
ab, da er allein ist, und halten ihm plötzlich den
Schild vor, der ihn zum Bewusstsein seiner Lage
und zu neuen Thaten bringt. Auf dem letzten
Bilde sehen wir ihn knieend im Gebet sich von
der Schuld reinigen. Reizend ist vor Allem jene
Darstellung, in der sich Armida, eine andere Selene,
zu dem schlafenden Rinald - Endymion neigt,
dann schwungvoll und frei bewegt auch die Fahrt
auf dem Drachenwagen.
In fünf Bildern erzählt Schwind weiter jene
Erzählung von der Brautwerbung des Longobarden-
königs Autharis um des Bayernherzogs Garibald
Tochter Theodelinde. Da gewahrt man zuerst,
wie der als werbender Gesandter verkleidete König
Autharis den Becher entgegennimmt, den Theode-
linde ihm reicht. »Er berührte dabei ihre Hand
und führte ihre Rechte über seine Stirn, Nase
und Wange.« Tief beschämt über solchen Schimpf
sehen wir dann die Königstochter ihr Leid der
Amme klagen, eine höchst einfache, grossartige
Komposition. Die kluge Frau hat das Geheimnis
erraten und giebt ihr den süssesten Trost. Autharis
aber zieht von dannen, und als er an die Grenze
gelangt ist, wirft er mit Gewalt seine Streitaxt in
einen Baum und ruft aus: »Solche Hiebe pflegt
Autharis zu führen.« Erstaunt gewahren es die
Bayern, die, zu Garibald heimgekehrt, ihm die
Axt zeigen, und berichten, dass der Bote Autharis
selbst gewesen, indes Theodelinde in die Ferne
schaut, als erwarte sie den heimlich erkannten
Geliebten zurückkehren zu sehen als König.
Die Legende der Geburt Karls des Grossen
ist in elf Wandbildern dargestellt, welche das
»Berthazimmer« in Hohenschwangau schmücken.
König Pipin hatte einen Gesandten ausgeschickt,
der Berchta, des Königs von Britannien Tochter,
als seine künftige Gattin zu ihm führen sollte. Der
356
trügerische Bote aber übergab seinen Knechten
die Jungfrau, dass sie dieselbe töteten, und brachte
an ihrer Stelle seine eigene Tochter dem Fürsten.
Berchta aber war am Leben geblieben und fand
bei einem Müller, im waldigen Thale, Zuflucht.
Das erste Wandgemälde zeigt uns den grünen
Wald, in dem Hirsche und Hasen, Vögel und
Eichhörnchen des ungestörten Friedens geniessen,
das zweite den Empfang Berchta’s durch den
Müller. Dann wird uns der fröhliche Jagdzug
vorgeführt, den Pipin unternimmt. Indessen die
Jäger ruhen, hat Pipin sich verirrt und findet die
Königstochter, wie sie Wäsche spült. Zu Pferd
gestiegen, nimmt er Abschied von ihr, nachdem
er die Vorgänge erfahren. Berchta bleibt noch im
Walde und beschäftigt sich mit Sticken. Auf dem
letzten Bild sehen wir, wie Pipin die eingeholte
Gattin in sein Schloss geleitet. Sie wendet den
Blick zurück auf das Kind, das sie geboren: Karl
den Grossen, den festlich geschmückte Knaben
einhertragen. Einige allegorische Figuren und
der sitzende Aventinus, dem, wie Dürr nach-
gewiesen hat, Schwind irrtümlicherweise die
Dichtung zuschreibt, schliessen den Cyclus ab.
Die letzte Folge von Bildern behandelt das
Ritterleben im Mittelalter: den ersten Reitunterricht
des Knaben, die Fahnenwacht des Jünglings, die
Dankerteilung nach dem Turnier, den Abschied
des Ritters von dem Weibe, bevor er in den
Kreuzzug zieht, eine Heldenthat des Kreuzfahrers,
das Wiedersehen und häusliches Glück. — Den
Beschluss des Werkes bildet eine Darstellung aus
der Edda: der Besuch des Frühlingsgottes bei
Hertha, der Tochter des Meeres.
Eine Fülle von anmutigen Zügen und Motiven
macht die Betrachtung dieser hiermit dem grossen
Publikum bekannt gemachten Fresken zu einer
sehr erfreuenden. In mancher Familie, der die
Liebe und das Verständnis für solche sinnige,
naive Romantik noch nicht abhanden gekommen
ist, wird Dürrs verdienstvolle Publikation als
Weihnachtsgeschenk ihren Einzug halten.
H. Thode
ÜBER EINIGE ALTE ITALIENISCHE
HOLZSCHNITTE
Im Jahre 1864 verkauften die Erben der alten
modenesischen Typographie des Bartolomeo Soliani
viele Holzstöcke, die sich seit Jahrhunderten in
ihren Magazinen befanden. Nicht alle gehörten der
Buchdruckerei Soliani, sondern viele auch älteren