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KLEINE MITTEILUNGEN.
Mehrzahl der ornamentalen Formen den tierischen und pflanz-
liehen Organismen entnommen sind. Redner schildert dann,
wie die alten Völker, besonders die Griechen, die Bauhütten
des Mittelalters und in der Renaissance besonders die Schule
Raffael's in ausgiebigster Weise von der Benutzung der
Naturformen Gebrauch gemacht haben. Unser heutiges Kunst-
gewerbe besteht in dem Weiterbilden der überlieferten For-
men, es basirt auf Sammeln und Nachahmen, und darüber
haben wir das Naturstudium verloren. Die Bequemlichkeit
der Benutzung unserer Museen und Bibliotheken hat viel
dazu beigetragen. Auch in den kunstgewerblichen Schulen
wird der Unterricht einseitig nach überlieferten archäolo-
gischen. Formen geleitet, und das Naturstudium in diesen
Schulen nimmt dort nicht den Platz ein, den es einnehmen
müsste, es kommt dem Maler zu gute, aber nicht dem Hand-
werker. Die Hauptsache sei, Pflanzen und Tiere auf die
Punkte hier anzusehen, die für Kunstformen interessant und
geeignet sind. Erst wenn man die alten Stilformen ver-
gleicht mit den Naturformen, aus denen sie entsprungen
sind, kann man den Schüler anleiten, selbst zu schaffen und
zu stilisiren. Durch Unterstützung des Kultusministeriums
hat der Vortragende das Naturstudium in vergleichendem
Sinne zum Nutzen des Kunsthandwerks begonnen. Durch
Stipendien des Handelsministeriums wurden jüngere Kräfte
gewonnen, um dabei mitzuwirken und später als Lehrer
thätig sein zu können. Rom wurde als Ort der gemein-
samen Arbeit gewählt, weil die Flora dort eine beständigere
ist und weil die dortigen Museen die Vergleichung mit den
Stilformen ermöglichen. Zunächst wurden die Pflanzen unter-
sucht, die Tierformen werden später vorgenommen werden.
Die Pflanzen wurden zuerst getrocknet, hiernach gezeichnet
und in starker Vergrößerung modellirt und in Bronze ge-
gossen. Durch diese Vergrößerung erreicht man es, die Pflan-
zen stabil und benutzbarer zu machen, und man erkennt
erst, welcher Reichtum in der Natur, selbst in den kleinsten
Formen steckt. Daran schlössen sich Abgüsse nach der Natur
selbst. So wurde die Entwickelung der Pflanze in ihrem
architektonischen Aufbau und ihrer Gliederung hergestellt,
wie sie für das Kunstgewerbe von Nutzen sein kann. Aber
es wurden auch Formen gewählt, die für die Vergleichung
mit früheren Stilformen nützlich sind. Dadurch ist ein Ma-
terial entstanden, das direkt zum Nachzeichnen oder als
vergleichendes Lehrmittel für den Unterricht dienen kann.
Der Endzweck ist, neben den Kunstformensammlungen der
Museen eine Naturformensammlung anzulegen, in der Schüler
und Handwerker Formen finden, die sie nicht zu suchen
Zeit haben. Daneben müssen besondere Kunstformensamm-
lungen für die Unterrichtsanstalten bestehen. Der Unter-
richt selbst ist folgendermaßen zu denken. Die unteren
Klassen sollen nur kopiren mit Hinzunahme der Naturblätter,
die Gipsklasse vergrößert die Formen in plastischer Dar-
stellung, dann erst folgt die Kompositionsklasse. Am könig-
lichen Kunstgewerbemuseum ist zunächst eine neue Natur-
studienklasse eingerichtet, die. aus zwei Abteilungen besteht;
in der ersten soll nach den Naturstudien nur gezeichnet
und etwas Botanik getrieben werden, in der zweiten sollen
die Formen verwertet werden für künstlerische Zwecke und
die Beziehungen der Naturformen zu den Kunstformen ge-
lehrt werden. Das Ganze soll also nicht bloß ein botani-
sches Zeichen sein, sondern eine lebendigere Gestaltung des
ganzen Unterrichts, wodurch der Schüler fähig wird, diese
Formen selbst in der Natur zu suchen und nutzbar zu
machen. Alle anderen Nationen haben die Bedeutung des
Naturstudiums seit Jahren erkannt. Was die Engländer
darin geleistet haben, zeigt besonders die Walter Crane-
Ausstellung im Kunstgewerbemuseum. Die englische Tapete
mit ihrem eigenartigen Flachornament fängt mehr und mehr
an, die deutsche zu verdrängen. Ebenso hat Frankreich sich
schon längst mit diesen Studien beschäftigt, das zeigte die
Weltausstellung in genügender Weise; und was Amerika
darin geleistet, das haben z. B. die Goldschmiedearbeiten
des Tiffany auf der Pariser Weltausstellung gezeigt. Es sei
nicht zu leugnen, dass unser Publikum durch die alten histo-
rischen Formen ermüdet ist und dass das Naturstudium zu
einem Umschwünge von großem Nutzen sein kann. Dabei
sei die Mitwirkung der Schulen unerlässlich. Die Schüler
müssen angeleitet werden zum Sehen, Beobachten und selb-
ständigen Formendenken, zum Beleben und Erfrischen der
überlieferten Formen. Denn es ist sehr schwer, neue For-
men zu finden, und doch bieten diese erst ein befriedigen-
deres Schaffen, als das ewige Nachahmen der alten Formen.
Besonders aber der Staat habe die Pflicht, durch Stellung
von Aufgaben und Aufträgen dahin zu wirken, dass das
Kunstgewerbe auf selbständige Bahnen geleitet werde. Es
sei zu beklagen, dass überhaupt diese Künste bei uns eben-
sowenig wie ihre Vertreter die Stellung und Bedeutung im
öffentlichen Leben hätten, die ihnen gebühre und die man
der Wissenschaft einräume. Kein Künstler sei bisher ins
Parlament gewählt worden, wo die Kunst immer als Stief-
kind betrachtet werde.
— Malle a. S. In der Generalversammlung des Kunst-
gewerbevereins im Monat April wurde der Jahresbericht er-
ledigt, der die günstigen finanziellen Verhältnisse des Ver-
eins und seine rege Thätigkeit feststellte. Für das nächste
Jahr ist die Einrichtung der kunstgewerblichen Mustersamm-
lung geplant, und sind für diesen Zweck vorläufig 1000 M.
bereit gestellt. Für den Monat Juni ist eine Spezialaus-
stellung in den Räumen der alten Knabenbürgerschule in
der Poststraße geplant. Wandbekleidungen und Dekors aller
Art und Herkunft sollen es zunächst sein, welche in ge-
schmackvoller Weise zusammenzustellen sind. Dazwischen
kann dann auch allerlei sonst zur Zimmerausstattung Ge-
höriges mit untergebracht werden; eine Sammlung interes-
santer Möbel aus Privatbesitz ist bereits zugesagt. Ferner
werden für den Sommer geplant ein Ausflug nach Halber-
stadt und ein Besuch des archäologischen Museums in Halle.
— Hamburg. Der Kunstgewerbeverein hielt am
18. April seine 61. Sitzung unter dem Vorsitze des Herrn
Bauinspektors Necker ab. Das Vermögen der Vereinsstiftung
betrug am 1. April 11035,65 M. Die Verkündigung des Er-
gebnisses der Preisbewerbung für den Entwurf zu einem Um-
schlag für die Vereinszeitschrift wurde bis zur nächsten Ver-
sammlung vertagt, da das Preisrichterkollegium seine
Arbeiten noch nicht beenden konnte. Ausgestellt waren in
der Sitzung Blätter aus dem internationalen Musteraustausch
des deutschen Buchdruckervereins, über welche Herr
0. Sehlotice eine kurze Übersicht gab. An eine Ausstellung
von Gelegenheitsblättern, Skizzen und photographischen Auf-
nahmen aus Nürnberg, Karlsruhe, Maulbronn und Wertheim
schloss Herr 1F. Weimar einen Vortrag über das Kunst-
leben in Süddeutschland. An eine begeisterte Schilderung
der Kunstschätze Nürnbergs schloss sich eine Würdigung der
Thätigkeit der Königlichen Kunstgewerbescbule und ihres
Einflusses auf die moderne Kunstentwickelung der Stadt. In
gleicher Weise besprach Redner die Thätigkeit und den Ein-
fluss der großherzoglich badischen Kunstgewerbeschule in
Karlsruhe in Stadt und Land, und konnte zum Schluss mit
Befriedigung hervorheben, dass auch das Hamburger Kunst-
handwerk in Süddeutschland volle Anerkennung erfahre. —
Vom Verein ist für seine Mitglieder ein Preisausschreiben
KLEINE MITTEILUNGEN.
Mehrzahl der ornamentalen Formen den tierischen und pflanz-
liehen Organismen entnommen sind. Redner schildert dann,
wie die alten Völker, besonders die Griechen, die Bauhütten
des Mittelalters und in der Renaissance besonders die Schule
Raffael's in ausgiebigster Weise von der Benutzung der
Naturformen Gebrauch gemacht haben. Unser heutiges Kunst-
gewerbe besteht in dem Weiterbilden der überlieferten For-
men, es basirt auf Sammeln und Nachahmen, und darüber
haben wir das Naturstudium verloren. Die Bequemlichkeit
der Benutzung unserer Museen und Bibliotheken hat viel
dazu beigetragen. Auch in den kunstgewerblichen Schulen
wird der Unterricht einseitig nach überlieferten archäolo-
gischen. Formen geleitet, und das Naturstudium in diesen
Schulen nimmt dort nicht den Platz ein, den es einnehmen
müsste, es kommt dem Maler zu gute, aber nicht dem Hand-
werker. Die Hauptsache sei, Pflanzen und Tiere auf die
Punkte hier anzusehen, die für Kunstformen interessant und
geeignet sind. Erst wenn man die alten Stilformen ver-
gleicht mit den Naturformen, aus denen sie entsprungen
sind, kann man den Schüler anleiten, selbst zu schaffen und
zu stilisiren. Durch Unterstützung des Kultusministeriums
hat der Vortragende das Naturstudium in vergleichendem
Sinne zum Nutzen des Kunsthandwerks begonnen. Durch
Stipendien des Handelsministeriums wurden jüngere Kräfte
gewonnen, um dabei mitzuwirken und später als Lehrer
thätig sein zu können. Rom wurde als Ort der gemein-
samen Arbeit gewählt, weil die Flora dort eine beständigere
ist und weil die dortigen Museen die Vergleichung mit den
Stilformen ermöglichen. Zunächst wurden die Pflanzen unter-
sucht, die Tierformen werden später vorgenommen werden.
Die Pflanzen wurden zuerst getrocknet, hiernach gezeichnet
und in starker Vergrößerung modellirt und in Bronze ge-
gossen. Durch diese Vergrößerung erreicht man es, die Pflan-
zen stabil und benutzbarer zu machen, und man erkennt
erst, welcher Reichtum in der Natur, selbst in den kleinsten
Formen steckt. Daran schlössen sich Abgüsse nach der Natur
selbst. So wurde die Entwickelung der Pflanze in ihrem
architektonischen Aufbau und ihrer Gliederung hergestellt,
wie sie für das Kunstgewerbe von Nutzen sein kann. Aber
es wurden auch Formen gewählt, die für die Vergleichung
mit früheren Stilformen nützlich sind. Dadurch ist ein Ma-
terial entstanden, das direkt zum Nachzeichnen oder als
vergleichendes Lehrmittel für den Unterricht dienen kann.
Der Endzweck ist, neben den Kunstformensammlungen der
Museen eine Naturformensammlung anzulegen, in der Schüler
und Handwerker Formen finden, die sie nicht zu suchen
Zeit haben. Daneben müssen besondere Kunstformensamm-
lungen für die Unterrichtsanstalten bestehen. Der Unter-
richt selbst ist folgendermaßen zu denken. Die unteren
Klassen sollen nur kopiren mit Hinzunahme der Naturblätter,
die Gipsklasse vergrößert die Formen in plastischer Dar-
stellung, dann erst folgt die Kompositionsklasse. Am könig-
lichen Kunstgewerbemuseum ist zunächst eine neue Natur-
studienklasse eingerichtet, die. aus zwei Abteilungen besteht;
in der ersten soll nach den Naturstudien nur gezeichnet
und etwas Botanik getrieben werden, in der zweiten sollen
die Formen verwertet werden für künstlerische Zwecke und
die Beziehungen der Naturformen zu den Kunstformen ge-
lehrt werden. Das Ganze soll also nicht bloß ein botani-
sches Zeichen sein, sondern eine lebendigere Gestaltung des
ganzen Unterrichts, wodurch der Schüler fähig wird, diese
Formen selbst in der Natur zu suchen und nutzbar zu
machen. Alle anderen Nationen haben die Bedeutung des
Naturstudiums seit Jahren erkannt. Was die Engländer
darin geleistet haben, zeigt besonders die Walter Crane-
Ausstellung im Kunstgewerbemuseum. Die englische Tapete
mit ihrem eigenartigen Flachornament fängt mehr und mehr
an, die deutsche zu verdrängen. Ebenso hat Frankreich sich
schon längst mit diesen Studien beschäftigt, das zeigte die
Weltausstellung in genügender Weise; und was Amerika
darin geleistet, das haben z. B. die Goldschmiedearbeiten
des Tiffany auf der Pariser Weltausstellung gezeigt. Es sei
nicht zu leugnen, dass unser Publikum durch die alten histo-
rischen Formen ermüdet ist und dass das Naturstudium zu
einem Umschwünge von großem Nutzen sein kann. Dabei
sei die Mitwirkung der Schulen unerlässlich. Die Schüler
müssen angeleitet werden zum Sehen, Beobachten und selb-
ständigen Formendenken, zum Beleben und Erfrischen der
überlieferten Formen. Denn es ist sehr schwer, neue For-
men zu finden, und doch bieten diese erst ein befriedigen-
deres Schaffen, als das ewige Nachahmen der alten Formen.
Besonders aber der Staat habe die Pflicht, durch Stellung
von Aufgaben und Aufträgen dahin zu wirken, dass das
Kunstgewerbe auf selbständige Bahnen geleitet werde. Es
sei zu beklagen, dass überhaupt diese Künste bei uns eben-
sowenig wie ihre Vertreter die Stellung und Bedeutung im
öffentlichen Leben hätten, die ihnen gebühre und die man
der Wissenschaft einräume. Kein Künstler sei bisher ins
Parlament gewählt worden, wo die Kunst immer als Stief-
kind betrachtet werde.
— Malle a. S. In der Generalversammlung des Kunst-
gewerbevereins im Monat April wurde der Jahresbericht er-
ledigt, der die günstigen finanziellen Verhältnisse des Ver-
eins und seine rege Thätigkeit feststellte. Für das nächste
Jahr ist die Einrichtung der kunstgewerblichen Mustersamm-
lung geplant, und sind für diesen Zweck vorläufig 1000 M.
bereit gestellt. Für den Monat Juni ist eine Spezialaus-
stellung in den Räumen der alten Knabenbürgerschule in
der Poststraße geplant. Wandbekleidungen und Dekors aller
Art und Herkunft sollen es zunächst sein, welche in ge-
schmackvoller Weise zusammenzustellen sind. Dazwischen
kann dann auch allerlei sonst zur Zimmerausstattung Ge-
höriges mit untergebracht werden; eine Sammlung interes-
santer Möbel aus Privatbesitz ist bereits zugesagt. Ferner
werden für den Sommer geplant ein Ausflug nach Halber-
stadt und ein Besuch des archäologischen Museums in Halle.
— Hamburg. Der Kunstgewerbeverein hielt am
18. April seine 61. Sitzung unter dem Vorsitze des Herrn
Bauinspektors Necker ab. Das Vermögen der Vereinsstiftung
betrug am 1. April 11035,65 M. Die Verkündigung des Er-
gebnisses der Preisbewerbung für den Entwurf zu einem Um-
schlag für die Vereinszeitschrift wurde bis zur nächsten Ver-
sammlung vertagt, da das Preisrichterkollegium seine
Arbeiten noch nicht beenden konnte. Ausgestellt waren in
der Sitzung Blätter aus dem internationalen Musteraustausch
des deutschen Buchdruckervereins, über welche Herr
0. Sehlotice eine kurze Übersicht gab. An eine Ausstellung
von Gelegenheitsblättern, Skizzen und photographischen Auf-
nahmen aus Nürnberg, Karlsruhe, Maulbronn und Wertheim
schloss Herr 1F. Weimar einen Vortrag über das Kunst-
leben in Süddeutschland. An eine begeisterte Schilderung
der Kunstschätze Nürnbergs schloss sich eine Würdigung der
Thätigkeit der Königlichen Kunstgewerbescbule und ihres
Einflusses auf die moderne Kunstentwickelung der Stadt. In
gleicher Weise besprach Redner die Thätigkeit und den Ein-
fluss der großherzoglich badischen Kunstgewerbeschule in
Karlsruhe in Stadt und Land, und konnte zum Schluss mit
Befriedigung hervorheben, dass auch das Hamburger Kunst-
handwerk in Süddeutschland volle Anerkennung erfahre. —
Vom Verein ist für seine Mitglieder ein Preisausschreiben