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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

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Schlie, Friedrich: Aus den Grossherzoglichen Kunstsammlungen zu Schwerin, [3]: die Sammlung Thormann
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https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0196

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AUS DEN GROSSHERZOGLICHEN KUNSTSAMMLUNGEN ZU SCHWERIN.

Von blendender Wirkung ist ferner die Fülle
schöner Porzellane, welche jetzt in sechs großen,
auf allen vier Seiten mit Spiegelscheiben versehenen
und auch inwendig horizontal durch solche Scheiben
abgeteilten Schränken untergebracht sind. Der erste
Schrank enthält ausschließlich ältere und neuere
Hizen-Porzellane in reichem, zwischen Rot und Blau
ausgebreiteten Golddekör. Es befindet sich darunter
ein ganzes Tafelservice, wie es in Japan selbstver-
ständlich nur für europäischen Gebrauch gearbeitet
ist. Interessant ist auch eine ebenfalls daher stam-
mende große Schüssel mit dem Wappen der Artois.
Zweifellos sehr altes Arita-Porzellan präsentirt sich uns
in den beiden großen Vasen des Schrankes, welche
von jeher zum Bestände der Großherzoglichen Samm-
lung gehört haben. Die großen Vorzüge ihrer Deko-
ration vor den jüngeren Stücken der Sammlung wird
man bei eingehender Betrachtung bald gewahr, wenn-
gleich man bemerken wird, dass die genannte
Dekoration in Gold, Rot und Blau nicht bloß mit
großer konservativer Zähigkeit, sondern auch mit
vielem Geschick in der Provinz Hizen seit nahezu
dreihundert Jahren festgehalten worden ist. Den
zweiten Schrank füllen chinesische Porzellane mit
stark in Relief aufliegender Emaildekoration. Auch
darunter giebt es viele erlesene Stücke und wieder-
um, wie im ersten Schrank, ein großes, in seiner
ganzen Fülle gar nicht auszubreitendes Service, in
welchem jedes Stück einen Blumengarten und in
einiger Entfernung davon ein Kranichspaar zeigt.
Wie wir im ersten Schrank die Vorbilder für die
schönsten Delfter Fayenceschüsseln der beiden Py-
nacker, de Keyser und anderer niederländischer Kunst-
töpfer finden, so sehen wir in diesem zweiten Schrank
unter anderem die chinesischen Vorbilder zu jener
Art eigentümlicher Fayenceteller, welche im vorigen
Jahrhundert zu Castell in Franken ausgeführt wurden
und deren die Großherzogliche Sammlung mehrere
besitzt. Von großem Interesse sind auch zwei weiße
starkwandige Porzellanvasen, bei denen die aus allerlei
Nachbildungen von Geräten, Blumen und Insekten
bestehende Dekoration in fast vollfigurigem Relief
aufliegt und stark an jene im zweiten Bande von
Rein's Werk über Japan abgebildete merkwürdige
Vase erinnern, welche der Stadt Arita zugeschrieben
wird. Im dritten Schrank mischen sich chinesische
und europäische Porzellane, der vierte enthält bereits
ausschließlich die letzteren. Beide Schränke beher-
bergen zugleich den Thorrnann'sehen Porzellan-
figurenschatz, in welchem Meißen und Berlin über-
wiegen, aber auch von anderswoher manches Be-

achtenswerte vorhanden ist, z. B. von Kopenhagen
die Biskuitbüsten Christians VIII. und seiner Gemahlin.
Unter mehreren kleineren Frühstücksservices in diesen
Schränken sind besonders drei Meißener Services
zu nennen, von denen das eine mit kleinen vielfarbigen
Bildchen nach David Teniers, die beiden anderen
mit Wouwerman-Scenen in violettrotem Camaieu
verziert sind. Der fünfte Schrank enthält ein ganzes
Meißener Service der klassizirenden Zopfzeit, dessen
Dekoration in vielfarbigen Blumenbouquets besteht,
der sechste ein großes Fürstenberger Service von
gleichem Dekor, welches es mit dem Meißener Fabri-
kat im fünften Schrank aufnehmen kann. Im sechsten
Schrank befinden sich außerdem die Hauptrepräsen-
tanten eines Fürstenberger Service mit feiner Louis-
Seize-Dekoration und außerdem ein an französisches
Frittenporzellan erinnerndes kleines Frühstücks-
service aus dem Haag, das mit verschiedenen, aus
Gemüsearten zuammengestellten Stilllebengruppen im
Geschmack des siebzehnten Jahrhunderts verziert ist.

Außer dem in diesen sechs Vitrinen unterge-
brachten Porzellan giebt es in dem Thormann-
Saal noch eine ganze Reihe chinesischer und japa-
nischer Einzelvasen und sogenannter Fünfsätze, wo-
mit die Möbel besetzt sind, und unter denen viele als
hervorragende Prachtstücke bezeichnet werden dürfen.

Hinter den Porzellanen stehen die Fayencen an
Zahl zurück, die Thormann'sche Sammlung enthält
deren im ganzen nur achtzehn. Dafür erseheinen
sie um so hervorragender in Form und Dekor. JEs
sind vier große wohlerhaltene Delfter Vasen, ein
Hamburger Becken in Muschelform, eine Rörstran-
der Servirplatte, eine außerordentlich große, mit far-
bigen Blumen dekorirte Kieler Bratenschüssel, eine
große Stockelsdorffer Vase mit blaugrünem Dekor,
zwei Leuchter mit Blattverzierungen, welche anschei-
nend holsteinischen Ursprungs sind, eine Rörstrander
Tischplatte mit reichem vielfarbigen Blumendekor,
eine zweite wahrscheinlich Kopenhagener Tischplatte
mit einer Landschaft vom Sunde (Tri Kroner), und
endlich eine Dose in Form einer Ente aus der im
vorigen Jahrhundert einige Jahre hindurch auf dem
Gute Gr. Stieten bei Wismar betriebenen Fayence-
fabrik. Letzteres Stück ist selbstverständlich für
das Schweriner Museum von großem Interesse. Wir
werden darauf an besonderer Stelle zurückkommen.

Ein Dutzend geschliffener Glaspokale bereichert
den nicht großen Gläservorrat des Schweriner Mu-
seums, und fünf ganz erhebliche Reste von Glas-
malereien aus der Nikolaikirche zu Wismar, welche
die Höhe der Fenster des Museumssaales haben und
 
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