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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902

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Leistikow, Walter: Moderne Tapeten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4880#0093

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MODERNE TAPETEN

VON WALTER LEISTIKOW

INITIAL
OEZ. VON

LLES Sträuben, alles Wegleugnen hilft nichts! Die moderne Bewegung im
Kunstgewerbe entsprang einem Bedürfnis, das fast mit elementarer Macht
sich Bahn und Weg zu schaffen suchte. Mochte auch manches mit unter-
laufen, das nicht Stich hielt, mag auch mancherlei Firlefanz und äusserer
Schnickschnack mitgenommen sein — den zu verdammen ich so bereit bin
wie nur irgend einer — hier heisst es noch lange nicht: mitgefangen -
mitgehangen. "Aus thörichtem Mitthun und charakterlosem Auchgerndabeisein
kann dieser berechtigten Bewegung kein Strick ^gedreht werden.

Ich verkenne durchaus nicht, dass dieser mit so grossem Enthusiasmus
und ungeheuchelter Freude seitens der Neuerer begrüssten Bewegung
augenblicklich lauere, flauere, wenn man will, verlegnere Heilrufe zutönen.
Mich stört das nicht, mein Glauben ist wankellos und überzeugter denn je.
Ja, ich will gern zugeben, ich habe sogar diese Stockung, dies scheinbare
Rückwärtsdrängen erwartet, erhofft. Deutschland hat sich nach langem
zurückhaltenden Abwarten so plötzlich und mit solcher Wucht auf die
Suche nach dem neuen Stil geworfen, dass ein Einhalten, ein Überdenken
und danach ein Abschütteln all der Mitläufer sicher sehr am Platze ist.

Was heute der urteilsloseren Menge Secessionsstil, Jugendstil, moderner
Stil, oder wie Tietz dergleichen benennt, ist ja fürwahr so gruslich, so
gott- und kunstverlassen, dass man all dem das tiefe Grab der baldigen
Vergessenheit gönnen und von Herzen wünschen muss. Herr, erlöse uns

von dem Übel!-------Dies alles wird und soll die neue Bewegung hinter

sich lassen, dann wird sie wie ein Phönix neu erstehen und in ruhigem,
überlegenem Fluge — nicht mehr überhastet, von allen Seiten gespornt
und getrieben — soll sie ihren Weg weiter verfolgen, das Ziel im Auge,
unserem Volke wieder eine persönliche Berührung mit der Kunst zu er-
obern. Dass es hierauf wesentlich ankommt, dass alles Andere,
z. B. das Wie und Was des neuen Stils untergeordnete Fragen
sind, über die vorzeitig den Kopf sich niemand zerbrechen sollte,
ist mir höchste Wahrheit. Diese persönliche Berührung, dies
persönliche Gefühl für Kunst muss mit der Notwendigkeit des
Naturgesetzes den Stil gebären, dem wir heute nachträumen und
nacharbeiten.

Ausser jener urteilslosen Menge, die alles in einen Topf wirft,
Tietz nicht von Van de Velde, Eckmann und mich nicht von
Ramsch und Bazar zu scheiden vermag, giebt es andere Feinde
des Fortschrittes, die weniger gutmütig, weniger harmlos mit
Mund und Feder alles zu diskreditieren versuchen, was sie nicht
früher selber gemacht haben. Doch diese Leute haben von ihrem
Standpunkte ganz recht. Sie sehen eine Konkurrenz und fühlen
sie feindlich, da ihr Wasser abgegraben wird. Vordem war es
bequem und friedlich, Neues entwerfen, es brauchte nur Altes an
Älteres gestückelt, Vergessenes an Ausgegrabenes geknüpft werden
— ein jeder konnte mit Sitzfleisch und Ausdauer diesen Anfor-
derungen genügen. Das geht heute nicht mehr. Und je mehr
die neue Kunst siegt, je weniger wird es gehen.

Das Bedürfnis, von dem ich eben sprach, dürfte kaum in
einem Fache dringender empfunden, stärker bemerkt worden sein,
wie in den Tapeten, die unsere Wohnräume schmückten und noch
schmücken. »Da wendet sich der Gast mit Grausen« —

Endlich aber ging die deutsche Industrie entschlossen und ziel-
bewusst vor. In den wenigen Jahren, die seither verflossen, hat
sie es mit Hilfe deutscher Kunst zu so achtunggebietenden Resul-
taten gebracht, dass sie schon heute eine erste Stelle in der

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J. DIEZ,

MÜNCHEN
 
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