DIE MÜNCHENER AUSSTELLUNG FÜR ANGEWANDTE KUNST
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den Rausch der Töne. Das Intarsia-Ornament des
Flügels ist recht kleinlich, unangenehm ärmlich wirkt
das Muster der graugelben Sofas. Die als Beleuch-
tungskörper dienenden herabhängenden kleinen Einzel-
glocken, der gar nicht dekorierte, weiß getünchte
Plafond erscheinen ebenfalls kärglich, während die
dunkelolivengraue Holzverkleidung der Wand, der
hellgrüne Bespannstoff, einzelne Vogelfriese in grün,
blau und violett als Hauptfarben, und der hohe
graue Fliesenmantel des Kamins wenigstens in den
unteren Regionen einige Wärme aufkommen lassen.
Der ruhigste und stimmungsvollste Raum der
Ausstellung ist wohl das von P. Haustein entworfene
Schlafzimmer. Weiße Bettstellen, weiße Möbel mit
braunem Bezug. Die untere Wandhälfte grau be-
malt und ganz leicht plastisch ornamentiert. Hübsche
mattbraune Vorhänge, in denen weiße Quadrate mit
einem inneren grünen Flecken, schwarz eingefaßt,
das einzige das erwachende Auge beschäftigende
Muster bilden. Das Ganze hat etwas freundlich
Lähmendes, hier wird man gerne von dem Farben-
trubel des Tages ausruhen.
Frisch und eigenartig anregend tritt Meta Honig-
mann mit einem Kinderspielzimmer auf. Wir sehen
hier einen prachtvollen schmalen Fries in aufgenähten
Stoffen, der mit leuchtenden Farben, vielem Violett
und Gelb, allerhand Märchengestalten vorführt: die
ganze schwere Karikaturenhaftigkeit des deutschen
Märchens ist in diesen untersetzten, scharfumrissenen
Figuren überraschend greif lieh geworden. Gut ist
hier auch ein Bild von J. Diez, ein dürerisierender
Engel mit großen, riesengroßen Schmetterlingsflügeln.
Das Reizvolle an dem nun folgenden »Zimmer
einer Dame« (Entwurf: K. Bertsch, München) ist der
angenehme, fast fleischfarbige Ton der in einfachen
rundlichen Formen gehaltenen Möbel (Birnbaumholz).
Freilich muß nun auch eine Dame von ähnlich rosiger
Frische der Erscheinung darin hausen. Gut steht zu
dieser lebhaften Holzfarbe der einfach dunkelblaue
Stoffbezug der Möbel. Die Wandbespannung ist
grüngrau mit senkrechtem blauen Muster. Besonders
einladend wirkt die hübsche Tee-Ecke.
Aus den letzten beiden Räumen, einem Wohn-
und Arbeitszimmer von W. v. Beckerath, und einem
in Grün und Weiß gehaltenen Schlaf- und Frühstücks-
zimmer von A. Niemeyer, seien nur einige hoch-
geschwellte Möbel, die mit ihren mattgraubraunen
Sammetbezügen fatal an die Unbehaglichkeiten des
Eisenbahnwaggons erinnern, ein Bücherschrank mit
eingelassener Bank, ein Kamin mit rötlich violetten
Fliesen und ein in kräftig massigen Ölstrichen hin-
geworfenes Gemälde eines Hyazinthentopfes hervor-
gehoben, das von weitem als das Ergebnis einer
unmutigen Stunde Vincent van Goghs erscheinen
würde, in der Tat aber die Künstlerbezeichnung
»Jablensky« trägt.
Da ich eben Vincent van Gogh nenne: etwas von
der prahlenden Kraft der Farben, von jenem unbe-
kümmerten Aussprechen der inneren Vision, wie sie
diesem holländischen Pfarrersohn eigen war, möchte
ich den Künstlern der »Ausstellung für angewandte
Kunst« zu ihrem nächsten Erscheinen wünschen. Die
Erregung des künstlerischen Erlebnisses braucht nicht,
wie bei jenem armen Selbstverstümmler und Selbst-
töter, alle schützenden Wände und Wälle zu zer-
sprengen, aber wärmend und ergreifend soll sie aus
jedem Stück herausleuchten, das ein Künstler als sein
Werk darbietet, und sei es auch »nur« der Entwurf
einer Zimmereinrichtung.
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den Rausch der Töne. Das Intarsia-Ornament des
Flügels ist recht kleinlich, unangenehm ärmlich wirkt
das Muster der graugelben Sofas. Die als Beleuch-
tungskörper dienenden herabhängenden kleinen Einzel-
glocken, der gar nicht dekorierte, weiß getünchte
Plafond erscheinen ebenfalls kärglich, während die
dunkelolivengraue Holzverkleidung der Wand, der
hellgrüne Bespannstoff, einzelne Vogelfriese in grün,
blau und violett als Hauptfarben, und der hohe
graue Fliesenmantel des Kamins wenigstens in den
unteren Regionen einige Wärme aufkommen lassen.
Der ruhigste und stimmungsvollste Raum der
Ausstellung ist wohl das von P. Haustein entworfene
Schlafzimmer. Weiße Bettstellen, weiße Möbel mit
braunem Bezug. Die untere Wandhälfte grau be-
malt und ganz leicht plastisch ornamentiert. Hübsche
mattbraune Vorhänge, in denen weiße Quadrate mit
einem inneren grünen Flecken, schwarz eingefaßt,
das einzige das erwachende Auge beschäftigende
Muster bilden. Das Ganze hat etwas freundlich
Lähmendes, hier wird man gerne von dem Farben-
trubel des Tages ausruhen.
Frisch und eigenartig anregend tritt Meta Honig-
mann mit einem Kinderspielzimmer auf. Wir sehen
hier einen prachtvollen schmalen Fries in aufgenähten
Stoffen, der mit leuchtenden Farben, vielem Violett
und Gelb, allerhand Märchengestalten vorführt: die
ganze schwere Karikaturenhaftigkeit des deutschen
Märchens ist in diesen untersetzten, scharfumrissenen
Figuren überraschend greif lieh geworden. Gut ist
hier auch ein Bild von J. Diez, ein dürerisierender
Engel mit großen, riesengroßen Schmetterlingsflügeln.
Das Reizvolle an dem nun folgenden »Zimmer
einer Dame« (Entwurf: K. Bertsch, München) ist der
angenehme, fast fleischfarbige Ton der in einfachen
rundlichen Formen gehaltenen Möbel (Birnbaumholz).
Freilich muß nun auch eine Dame von ähnlich rosiger
Frische der Erscheinung darin hausen. Gut steht zu
dieser lebhaften Holzfarbe der einfach dunkelblaue
Stoffbezug der Möbel. Die Wandbespannung ist
grüngrau mit senkrechtem blauen Muster. Besonders
einladend wirkt die hübsche Tee-Ecke.
Aus den letzten beiden Räumen, einem Wohn-
und Arbeitszimmer von W. v. Beckerath, und einem
in Grün und Weiß gehaltenen Schlaf- und Frühstücks-
zimmer von A. Niemeyer, seien nur einige hoch-
geschwellte Möbel, die mit ihren mattgraubraunen
Sammetbezügen fatal an die Unbehaglichkeiten des
Eisenbahnwaggons erinnern, ein Bücherschrank mit
eingelassener Bank, ein Kamin mit rötlich violetten
Fliesen und ein in kräftig massigen Ölstrichen hin-
geworfenes Gemälde eines Hyazinthentopfes hervor-
gehoben, das von weitem als das Ergebnis einer
unmutigen Stunde Vincent van Goghs erscheinen
würde, in der Tat aber die Künstlerbezeichnung
»Jablensky« trägt.
Da ich eben Vincent van Gogh nenne: etwas von
der prahlenden Kraft der Farben, von jenem unbe-
kümmerten Aussprechen der inneren Vision, wie sie
diesem holländischen Pfarrersohn eigen war, möchte
ich den Künstlern der »Ausstellung für angewandte
Kunst« zu ihrem nächsten Erscheinen wünschen. Die
Erregung des künstlerischen Erlebnisses braucht nicht,
wie bei jenem armen Selbstverstümmler und Selbst-
töter, alle schützenden Wände und Wälle zu zer-
sprengen, aber wärmend und ergreifend soll sie aus
jedem Stück herausleuchten, das ein Künstler als sein
Werk darbietet, und sei es auch »nur« der Entwurf
einer Zimmereinrichtung.
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