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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Schumann, Paul: Die dritte deutsche Kunstgewerbeausstellung Dresden 1906, [3]: Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0237

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206

DIE DRITTE DEUTSCHE KUNSTGEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN 1906

Spielnische, Fensternische, Kamin und Wandbrunnen,
gemalten Glasfenstern von Goller, der geschmackvollen
Ornamentik von dem vielseitigen und zielbewußten
Karl Groß, dem wir an vielen Stellen der Ausstellung
als stets bereitem Helfer von feinem künstlerischen
Empfinden begegnen. Noch reicher und vornehmer
ist die Diele mit Erker, Vorraum und kleinem Vor-
garten von Max Hans Kühne, ein hoher, prächtiger
Raum für ein herrschaftliches Wohnhaus (ausgeführt
von Udluft & Hartmann-Dresden). Wand- und Decken-
verkleidung, Treppe, Fenster und Türen sind in
dunklem Cottonwood ausgeführt mit Füllungen aus
Ulme-Maser und mit reichen Schnitzereien versehen.
Mag das nun im Sinne des modernen Stils liegen
oder nicht, jedenfalls ist die prächtige Diele mit großem
Geschick als Raum sowohl wie im Sinne material-
freudiger Pracht entworfen und mit mannigfachen
Reizen, wie dem Blick in den Garten, der behaglichen
Nische, der hölzernen Treppe, dem Kamin in Siena-
marmor und der prachtvollen und großen Lichtkrone
in geschliffenem Glas und Messing (K. M. Seifert & Co.-
Dresden) zu einem wirkungsvollen Ganzen zusammen-
gestimmt.

Folgt ein Wohnzimmer in naturfarbenem poliertem
Kirschbaumholz von Professor Fritz Schumacher, aus-
geführt von Bernhard Göbel-Freiberg i. S. Aus diesem
Raum spricht der reife, feine Geschmack des Archi-
tekten, der schon so viele individuell gestaltete Land-
häuser erbaut und ausgestattet hat. Die tiefe Nische
mit den sieben hochgelegten niedrigen Fenstern, in der
der breite Tisch zwischen den Wandsofas steht, der
Zusammenschluß der Schränke links und rechts mit
diesem Nischenbau, die Einfügung von Bilderschmuck
in das Getäfel, all das ist vortrefflich modernem Be-
dürfnis gemäß erdacht und mit Geschmack ausgeführt.
Die Möbel, vor allem der Flügel von Ernst Kaps-
Dresden, sind bis ins Kleinste sorgsam durchgeführt.
Ein feines Stück ist auch der Kachelofen, ausgeführt
von Ernst Teichert-Meißen.

Zu diesen hervorragenden Räumen des sächsischen
Hauses gehört weiter das Sitzungszimmer der städti-
schen Sparkasse, entworfen vom Architekten Stadtbaurat
Hans Erlwein (ausgeführt von Udluft & Hartmann-
Dresden). Das Zimmer vereinigt das Gepräge eines
Bureauraumes, wo Beamte walten, mit Behaglichkeit
und künstlerischem Geschmack. Auch der Humor
ist nicht ganz ausgeschaltet. Vertäfelung und Möbel
in dunklem Holz, Wandschränke mit Türen in blauem
Kunstglas, mit Maß und Geschmack verwendete Intar-
sien, eine eigenartige kassettierte Eisenbetonstampfdecke,
eine keramische Heizverkleidung mit laufendem Wasser
und zwei sitzenden Figuren, endlich zwei treffliche
stilstrenge Sopraportenbildnisse des Oberbürgermeisters
Beutler und des zweiten Bürgermeisters Leupold —
all das gibt dem Raum sein besonderes Gepräge; er
wird im neuen Dresdener Rathause ein gutes Denkmal
des um 1906 modernen Stiles abgeben.

Hervorzuheben ist sodann das bürgerliche Fest-
zimmer von Erich K^inhcmpel, das den Stempel des
Feiertäglichen, Breitbehäbigen an sich trägt, und so-
zusagen eine Wiedergeburt der guten Stube ist, aber

unter Vermeidung der stickigen kalten Pracht dieser
abgetanen Räume unserer Großväter. In diesem Sinne
bietet das Zimmer in allen Einzelheiten — dem mas-
sigen Tisch, den hochlehnigen Stühlen, den hohen
Gläsern, bemalten hölzernen Gefäßen usw. viele cha-
rakteristische Einzelheiten.

Nennen wir weiter das sehr ansprechende Damen-
zimmer (mit Möbeln in Kirschbaumholz mit Intarsien
und aufgeleimten Verzierungen) von Max Günther,
ferner das schlicht sachliche, nüchterne, aber nicht
charakterlose Herrenzimmer von Heinrich Lassen-
Königsberg, ein Musikzimmer von Erich Kleinhempel
und einen etwas unruhigen, aber gut ausgeführten
Gartensalon von Fritz Kleinhempel. Durchaus ge-
diegene Leistungen sind sodann das Gartenzimmer
in Osagonpineholz, sowie ein Schlafzimmer in grau-
durchbeiztem Ahornholz von Margarete Junge, sowie
ein Speisezimmer in prachtvollem Ulmenholz von
Gertrud Kleinhempel, den beiden Künstlerinnen, die
sich durch ihre Entwürfe für die Werkstätten für
deutschen Hausrat Theophil Müller-Dresden längst
einen guten Namen gemacht haben. Von M. A. Nikolai-
Mügeln stammt noch ein Damenzimmer in weiß-
poliertem Ahorn, von Ernst H. Walther ein treffliches
Speisezimmer in prachtvollem Birkenholz sowie ein
schlicht bürgerliches Töchterzimmer in Mahagoni, und
von Oswin Hempel-Dresden ein gut durchgebildetes
Musikzimmer mit interessanter Deckengestaltung in
Stuck von Ernst Hottenroth-Dresden, sowie eigenartig
durchgebildeten Möbeln in Eichenholz. Das Emp-
fangszimmer eines Jagdschlosses von Paul Perks-
Meißen dient nur dazu, die drei großen Temperabilder
vorzuführen, welche Perks nach seinen Fresken für die
Biel-Stiftung in Schloß Kötitz ausgeführt hat. Sie stellen
Heinrich des Finklers Königswahl dar. Erwähnens-
wert ist die stattliche Hausuhr, die Uhrmachermeister
Robert Pleißner-Dresden ausgeführt hat. Endlich ist
ein Boudoir zu erwähnen, worin Frau Oberstleutnant
Hottenroth ihre vortrefflichen künstlerischen Nadel-
arbeiten ausgelegt hat.

Ein besonderes Haus für Raumkunst haben end-
lich die Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst
aufgeführt. Es birgt nicht weniger als 17 fertige
Zimmer nach Entwürfen von Richard Riemerschmid,
und dazu eine vollständige Werkstatt, wo die Her-
stellung von Möbeln durch Maschinen gezeigt wird.
Der Besitzer der Dresdener Werkstätten Herr Karl
Schmidt hat sich seit Jahren die Aufgabe gestellt, die
Maschine der Kunst im besten Sinne des Wortes
dienstbar zu machen. Das erscheint in mehr als
einer Beziehung zunächst als ein Widerspruch. Denn
wir sind ja gewohnt, Maschinenarbeit als lieblos und
gedankenlos, die Maschine geradezu als kunstfeindlich
anzusehen; ihr schreiben wir den größten Teil der
Schuld zu an dem verlogenen Prunk, an dem par-
venuhaften Dekorationsschwindel, der unser Kunst-
gewerbe ein paar Jahrzehnte beherrscht hat. Aber
nicht die Maschine trifft diese Schuld, sondern nur
ihre falsche Verwendung. Man hat die Maschine gar
nicht gefragt: worin besteht die Eigenart deiner Ar-
beit, deines Könnens, was kannst du Besonderes leisten,
 
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