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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Zimmermann, Ernst: Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0268

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BEMERKUNGEN ZUR 3. DEUTSCHEN KUNSTGEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN 1906 235

Porzellanfigur von Josef Wackerle. Kgl. Porzellanmanufaktur Nymphenburg

flächen, dort leicht hingestreute Farbenflecke auf
Grund einer festen Ornamentik, dies alles die pla-
stische Gliederung unterstreichend und das schim-
mernde Weiß des Porzellans hebend. Es ist ein
wirkliches Wiederaufleben dieser alten Kunst, die zu-
gleich, da sie nun in annehmbaren Nachbildungen
Tausenden gewährt, was bisher nur wenige besonders
Begüterte als Originale erwerben konnten, einer wirk-
lichen Popularisierung dieser Kunst gleichkommt, zu
der sich alle kunstliebenden Kreise Deutschlands nur
Glück wünschen können.

Unter den modernen plastischen Werken Meißens
sind an erster Stelle die Tiere zu nennen, die ja heute,
da es so schwer erscheint, den modernen Menschen in
Porzellan umzusetzen, in der Porzellanplastik einen
so merkwürdig breiten Raum einnehmen. Zwei Stil-
arten fallen hier auf: eine Gruppe von Tieren in ver-
einfachender Stilisierung, und eine mehr naturalistischer
Natur. Jene steht den bekannten Kopenhagener Tieren
näher, ohne sich jedoch irgendwie mit jenen zu
decken — jene sind viel markiger, noch viel detail-
reicher als diese — letztere dem alten Stil der Meißener
Manufaktur, den ihr berühmtester Plastiker Kandier
geschaffen hat. Daneben finden sich jedoch auch
Versuche, den modernen Menschen in Porzellan zu
gestalten. Eine ganze Reihe von Kindern und Kin-
dergruppen fallen in die Augen, daneben tanzende
Mädchen usw. Die am besten gelungene Figur jedoch
dürfte eine junge Dame im Straßenkostüm sein, eine
Porträtfigur, die zeigt, daß trotz der großen Schwie-

rigkeiten und trotz der vielen
in dieser Beziehung bisher miß-
glückten Versuche, hier dennoch
selbst im engsten Anschlüsse an
ein gegebenes Vorbild etwas
wirklich Brauchbares geschaffen
werden kann.

Unter den Servicen ist da-
gegen in erster Linie das Eß-
und Kaffeeservice von Riemer-
schmid zu nennen, eine höchst
beachtenswerte Tat, die darauf
ausging, das allmählich trivial
gewordene »Zwiebelmuster«-
service durch ein neues, mit
gleichen kunsttechnischen Mit-
teln wirkendes zu ersetzen.
Seine Farbe ist darum auch
das in unserer europäischen
Keramik noch viel zu wenig
ausgenützte Kobaltblau, seine
Dekorationsart in der Haupt-
sache die Strichlung.

Neben Berlin und Meißen stellt
sich jetzt — wer hätte das noch
vor wenigen Jahren geglaubt? —
die Nymphenburger Manufaktur.
Was war die Nymphenburger
Manufaktur noch vor kurzem?
Ein kleiner, bescheidener Betrieb,
der auf den letzten Ausstellungen
gar keine oder nur geringe Auszeichnungen erhielt.
Da tat man in der Not, was eigentlich alle in glei-
cher Lage sich befindenden Fabriken tun sollten, was
darum geradezu für alle als vorbildlich bezeichnet
werden muß: man wandte sich an Künstler, die den
letzten künstlerischen Fortschritt mitgemacht und er-
hielt so durch den Münchener Maler Niemeyer ein-
fache aber sehr geschmackvolle Service und Vasen,
durch Sieck Teller und Tassen mit reizenden Land-
schaften, die vielleicht bisher nur noch etwas zu na-
turalistisch ausgefallen sind, endlich durch den ganz
jungen Bildhauer Wackerle zwei Porzellanfiguren, die
unstreitig das beste sind, was in der neuen Zeit auf
dem Gebiet der figürlichen Porzellanplastik geschaffen
worden ist. Der Erfolg muß in jeder Beziehung ein
ganzer genannt werden, er wird für viele auf der
Ausstellung auf dem Gebiete der Keramik der über-
raschendste sein. Es ist in der Tat keine keramische
Anstalt so plötzlich künstlerisch emporgeschnellt wie
diese.

Mit der Erwähnung der Nymphenburger Manu-
faktur jedoch ist das, was hier an Porzellan zu nennen
ist, zu Ende. Der Rest möge im Interesse der übrigen
Arbeiten Schweigen sein: es dominiert überall der
»Jugendstil«, das heißt man hat »Musterzeichner«
zum Entwerfen neuer Muster beauftragt, die nur das
Äußerliche des neuen Stils begriffen haben. Man hat
sich an die falschesten Adressen gewandt, und doch
zeigen hier einige Arbeiten von Gertrud Kleinhempel
und Marie Pilz, daß es gar wohl schon in Deutsch-

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