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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Septemberheft
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Landau, Rom: Neue italienische Malerei: Primo Conti
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0020

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P r i m o C o n t i, der als Wunderkind seine Lauf-
bahn begann, mit 10 Jahren impressionistische Gemälde
malte, mit 12 und 13 futuristische Bilder von sich in
großen Ausstellungen hängen sah; den Manierismus
Anderer iibernahm und in festem Glauben an die Ehr-
lichkeit und Originalität seines Bemühens zuerst mit
kindischem Trotz und dann jünglinghafter Versenkung
Jalire hindurch seine futuristischen Gemälde schuf
und dabei Aufbau, Organik, Balange, Komponieren
lernte — gelangte endlich nach iiber zehnjähriger
Schule des Herumexperimentierens, Suchens und Fehl-

bau, das gegenseitige Abstimmen, das Betonen der einen
und Zurücktretenlassen der anderen Farbe, das interes-
sante Beleben einheitiich matt behandelter Fiäche durch
einen geschickt gewählten Ton. Er liebt die Valeurs.
Aber er liebt nicht nur diese Dinge, sondern da er sie
mit überaus feinem Geschmack und Kultiviertheit be-
herrscht, freut er sich an ihnen, ist in sie verliebt, ilire
gelungene Lösung schmeichelt seinem Farbensinn und
er vergißt darüber manches Andere. Bis vor einem
Jahre etwa bestand deshalb für Conti die Gefahr iin
Geschmäcklertum fein abgewogener Farbe, in der

Primo Conti
Florenz 1923


Christus und die
Schriftgelehrten

schlages zu einer Gesundung der Ursprungszelle und
dadurch einheitlichen Verfassung, die wir mit dem
Worte „umanita“ bezeichneten. Er ist, mit den An-
dern, von eincr fast programmhaften Begrenztheit des
Horizontes und Literaturgeschwätzigkeit zur pro-
grammlosen Natürlichkeit und allmenschlicher Vertie-
fung gekommen.
Conti ist vor allem Maler, das heißt Farbbildner,
für den Ausdruck erst in zweiter Linie im Vorwurf,
Form, Komposition, Zeichnung liegt. Über all’ dem
steht für ihn immer und überall das Wesen der Farbe.
Farbe, die seine angeborene Ausdrucksmöglichkeit und
Hauptstärke ist, — ist aber auch gleichzeitig seine
einzige große Gefahr. Conti liebt nämlich den Reiz
der schönen Farbe, den geschmackvollen Farbenauf-

Äußerlichkeit einer raffiniert zusammengebauten Ton-
skala selbstgefällig zu versinken und somit nicht weiter
zu kommen. 1m selben Augenblick aber da diese Ge-
fahr am stärksten bestand, beginnen sich in ihm diejeni-
gen Seiten zu regen, deren Ursprung wir in den Folgen
der Kriegsjahre und der allgemeinen Geistesvertiefung
Italiens zu finden glauben. Er beginnt sich zu besinnen,
in sich hineinzuhorchen, wird ernst und erblickt plötz-
lich andere Horizonte, andere Möglichkeiten und andere
Ziele, als nur die der schön zusammengestellten Farbe.
Aus dem nur-Maler entwickelt er sich zum Menschen.
Und da er eine unerhörte Sensibilität, Empfindsamkeit,
Feinhörigkeit und innere Erregbarkeit besitzt, so wird
er sich der Gefahr sofort klar und erfühlt gleichzeitig
ganz andere Notwendigkeiten. Seine Farbe beginnt

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