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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Oktoberheft
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Schröder, Bruno: Lebende Antiken
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Donath, Adolph: Die Galerie des neunzehnten Jahrhunderts in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0056

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Gestus jetzt von den Fascisten als „römischer Gruß“
populär gemacht worden.
Der Grieche hatte keine Hosentaschen, in die er
ausruhend die Hände hätte versenken können. Wenn
er untätig stand, legte er einen Arm auf den Kopf oder
eine Hand auf die Schulter. Das ist mir immer unwahr-
scheinlich vorgekommen. Aber seitdem ich nun in
Athen einen Burschen so habe stehen sehen, die linke
Hand auf seiner rechten Schulter, muß ich wohl daran
glauben.
Aniikisch. ohne daß man sicli an bestimmte Antiken
erinnern miißte, diinken einem auch Ruhestellungen,

z. B. von Hirten, die auf iliren Stab gelehnt stehen, ja
selbst von Arbeitern, die beim Hacken oder Schaufeln
innehalten. So fühlt man sich allerorten — das Ange-
führte gibt nur ein paar Proben — an das klassische
Altertum und seine Kunst erinnert, und man wird sich
bewußt, wie der südiiche Menschenschiag sich nocli
heute durcli eine eigene plastische Schönheit von dem
nordischen unterscheidet, der dem Künstler andere An-
regungen bietet. Das ist gerade keine neue Erkenntnis,
aber sie beiwegelang selber zu gewinnen, ist eine
Freude, die fiir die Mühen der Gelehrsamkeit ent-
schädigt.


Die Qaletne des rteunEebnten dabrbunderts tn IDten
non
Adolpb Donatb

Weit dem 30. September 1924 hat Wien ein neues Mu-
^ seum: die Gaelrie des neunzehnten Jahrhunderts.
Der Name besagt alles. Und doch nicht alles. Diese
Galerie des neunzehnten Jahrhunderts ist nämlich ein
E r 1 e b n i s.
Sie beherrscht das ObereBelvedere, diesen
märchenhaften Abschluß des Sommerschlosses, das sich
Prinz Eugen, der edle Ritter vor 200 Jahren erbaut
hatte, und umfaßt einen Teil der Bilderbestände aus dem
ehemaligen kaiserlichen Besitz und einen Teil der Bilder
aus der Staatsgalerie, die wenige Jahre nach der Grün-
dung der Wiener Sezession (1897) vom damaligen Mi-
nister Dr. von Hartel errichtet worden ist. P/2 Jalire
lang dauerten die Arbeiten. Hofrat Dr. Haberditzl,
der auch das reizvolie österreichische Barockmuseum
im Unteren Belvedere geschaffen, bante hier mit Hilfe
seiner Mitarbeiter Bruno G r i m s c h i t z und Heinrich
S c h w a r z ein Museum der Moderne auf, das bei all
dem Ernste an künstlerischer Sichtung und wissen-
schaftlicher Anordnung von einer melodischen Be-

schwingtheit sondergleichen ist. Nennen wirs mit dem
richtigen Worte: diese Galerie des neunzehnten Jahr-
hunderts in Wien hat die echte w i e n e r i s c h e Be-
schwingtheit.
Die wienerische Kunst steht da im Vordergrund.
Und aas ist gut. Denn es deutet eiu Programm nicht
nur an, sondern deutet es. Flier erfühlt mau die gnaden-
reiche Fülle der W a 1 d m ü 11 e r ’ schen Gestaltungs-
und Farbenkräfte — mehr als 40 Ißildnisse, Landschaf-
ten und Genrestücke des Meisters sind im Oberen Bel-
vedere vereint — hier erfühlt man die vibrierende Ko-
loristik derer von Alt (Jakob, der Stammvater, war
übrigens ein gebürtiger Frankfurter), den gemütvollen
Vortrag der A m e r 1 i n g , E y b 1 und des verwiener-
ten Badensers A g r i c o 1 a. Amerlings „Franz I. in
preußischer Generalsuniform“ ist ein Kabinettstück.
Das Bild wurde 1834 fiir die „Franzer“ in Berlin ge-
malt, mußte aber in Wien bleiben. Der Künstler, der
es für 200 Dukaten — 960 fl„ 40 pünktlich abgeliefert
hatte, bemerkt in seinem „Tagebuch“, daß es von der

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