Namen der neun verschiedenen Arten von „Fliegen“.
La passionnee wurde am Augenwinkel, la majestueuse
etwa auf der Mitte der Stirn, l’enjouee neben dem Wan-
Bildnismedaillon eines jungen Mädchens. Buchsbaumholz. 1653
Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.
gengrübchen, la galante mitten auf der Wange, la bai-
seuse arn Mundwinkel, la gaillarde auf der Nasenspitze,
la coquette iiber den Lippen, la discrete auf dem Kinn,
la voleuse auf dem Busen getragen.
An beiden Stellen aber vermissen wir die Schläfe
als Träger der mouche, und gerade hier, bald auf der
rechten, bald auf der linken Seite — vielleicht auf bei-
den, denn fast immer ist uns auf den Darstellungen je
nur die eine Seite des Gesichts zugewendet — erscheint
regelmäßig unser P f 1 a s t e r auf den holländischen
Gemälden der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts.
Und ist es niclit auch docli z u g r o ß , um noch
schön zu sein, um den raffinierten Zweck des verführe-
rischen Schönheits pflästerchens wirklich noch
erfüllen zu können, das die Aufmerksamkeit nicht selbst
absorbieren, sie nur auf den Reiz des Auges, des Mun-
des, des Wangengrübchens hinlenken soll?
Überdies wird das große Pflaster auch gar nicht
einmal von eigentlichen Modedamen getragen, denen
man Verführungsktinste und Verführungsabsichten zu-
trauen dürfte. Schon zu der bescheidenen Haltung des
sanften, auf unserem Buchsmedaillon dargestellten We-
sens will diese Deutung nicht stimmen.
Mehrfach beobachten wir das Pflaster ganz im
Gegenteil gerade bei älteren, sehr würdigen Damen, so
z. B. bei C a s p a r Netscher’s (1639—1684) Bild-
nis einer dunkel gekleideten Dame vom Jahre 1670 mit
Fächer und schwarzem Kopfschleier in Cassel (No. 293),
bei dem A b r a h a m v a n d e n T e m p e 1
(1622—1672) zugeschriebenen Bildnis einer Dame in der
Sammlung des Freiherrn Fr. W. v. Bissing (abgebildet
im Münchener Jahrbuch für bildende Kunst VI [1911]
S. 106) oder bei dem von Wenzel Hollar radier-
ten Porträt der Gräfin Arundel (Katalog der Sammlung
Paul Davidsohn, Berlin, II. Teil, No. 251, Taf. 9), einer
älteren Dame mit leidendem Gesichtsausdruck.
Ferner, und das fällt vielleicht noch stärker ins
Gewicht: das Schläfenpflaster wurde auch von Mädchen
niederen Standes, ja von dienenden Mägden getragen —
und gleich im Aufkommen der capriziösen Mode wird
diese Caprice der vornehmen Welt doch gewiß nicht
auch schon in die Niederungen des Lebens hinabgesun-
ken und dadurch diskrediert, ja „unmöglich“ gemacht
worden sein.
Nur ein paar Beispiele. Auf dem St. Petersburger
Gemälde von Pieter de Hoogh (1630—1677)
„Vor der Tür“ (abgebild. in E. A. Seemann Alte Meister,
No. 185) zeigt die Magd ihrer auf dem mit großen
schwarzen und weißen Steinplatten belegten Platz vor
dem Hause sitzenden Herrin den blanken messingnen
Milcheimer, und beide, Herrin und Magd tragen das
gleiche Pflaster, die Herrin auf der sichtbaren rechten,
die Magd auf der sichtbaren linken Schläfe, und ebenso
— wieder ist hier nur die linke Schläfe sichtbar — die
auf dem Londoner, vom Jahre 1665 datierten Hofbilde
P i e t e r d e H o o g h ’ s am Boden hockende Magd,
die einen Fisch auf die irdene Schüssel legt, während
ihr die Hausfrau im Sammetjäckchen mit erhobener
Rechten eine Anweisung gibt. Dagegen trägt ein sitzen-
Kaspar Netscher, Bildnis. Galerie Kassel.
des Mädchen auf dem Jan Steen der Hamburger Kunst-
halle (No. ) offenbar auf beiden Schläfen eines der
bewußten scliwarzen Pflaster.
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La passionnee wurde am Augenwinkel, la majestueuse
etwa auf der Mitte der Stirn, l’enjouee neben dem Wan-
Bildnismedaillon eines jungen Mädchens. Buchsbaumholz. 1653
Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.
gengrübchen, la galante mitten auf der Wange, la bai-
seuse arn Mundwinkel, la gaillarde auf der Nasenspitze,
la coquette iiber den Lippen, la discrete auf dem Kinn,
la voleuse auf dem Busen getragen.
An beiden Stellen aber vermissen wir die Schläfe
als Träger der mouche, und gerade hier, bald auf der
rechten, bald auf der linken Seite — vielleicht auf bei-
den, denn fast immer ist uns auf den Darstellungen je
nur die eine Seite des Gesichts zugewendet — erscheint
regelmäßig unser P f 1 a s t e r auf den holländischen
Gemälden der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts.
Und ist es niclit auch docli z u g r o ß , um noch
schön zu sein, um den raffinierten Zweck des verführe-
rischen Schönheits pflästerchens wirklich noch
erfüllen zu können, das die Aufmerksamkeit nicht selbst
absorbieren, sie nur auf den Reiz des Auges, des Mun-
des, des Wangengrübchens hinlenken soll?
Überdies wird das große Pflaster auch gar nicht
einmal von eigentlichen Modedamen getragen, denen
man Verführungsktinste und Verführungsabsichten zu-
trauen dürfte. Schon zu der bescheidenen Haltung des
sanften, auf unserem Buchsmedaillon dargestellten We-
sens will diese Deutung nicht stimmen.
Mehrfach beobachten wir das Pflaster ganz im
Gegenteil gerade bei älteren, sehr würdigen Damen, so
z. B. bei C a s p a r Netscher’s (1639—1684) Bild-
nis einer dunkel gekleideten Dame vom Jahre 1670 mit
Fächer und schwarzem Kopfschleier in Cassel (No. 293),
bei dem A b r a h a m v a n d e n T e m p e 1
(1622—1672) zugeschriebenen Bildnis einer Dame in der
Sammlung des Freiherrn Fr. W. v. Bissing (abgebildet
im Münchener Jahrbuch für bildende Kunst VI [1911]
S. 106) oder bei dem von Wenzel Hollar radier-
ten Porträt der Gräfin Arundel (Katalog der Sammlung
Paul Davidsohn, Berlin, II. Teil, No. 251, Taf. 9), einer
älteren Dame mit leidendem Gesichtsausdruck.
Ferner, und das fällt vielleicht noch stärker ins
Gewicht: das Schläfenpflaster wurde auch von Mädchen
niederen Standes, ja von dienenden Mägden getragen —
und gleich im Aufkommen der capriziösen Mode wird
diese Caprice der vornehmen Welt doch gewiß nicht
auch schon in die Niederungen des Lebens hinabgesun-
ken und dadurch diskrediert, ja „unmöglich“ gemacht
worden sein.
Nur ein paar Beispiele. Auf dem St. Petersburger
Gemälde von Pieter de Hoogh (1630—1677)
„Vor der Tür“ (abgebild. in E. A. Seemann Alte Meister,
No. 185) zeigt die Magd ihrer auf dem mit großen
schwarzen und weißen Steinplatten belegten Platz vor
dem Hause sitzenden Herrin den blanken messingnen
Milcheimer, und beide, Herrin und Magd tragen das
gleiche Pflaster, die Herrin auf der sichtbaren rechten,
die Magd auf der sichtbaren linken Schläfe, und ebenso
— wieder ist hier nur die linke Schläfe sichtbar — die
auf dem Londoner, vom Jahre 1665 datierten Hofbilde
P i e t e r d e H o o g h ’ s am Boden hockende Magd,
die einen Fisch auf die irdene Schüssel legt, während
ihr die Hausfrau im Sammetjäckchen mit erhobener
Rechten eine Anweisung gibt. Dagegen trägt ein sitzen-
Kaspar Netscher, Bildnis. Galerie Kassel.
des Mädchen auf dem Jan Steen der Hamburger Kunst-
halle (No. ) offenbar auf beiden Schläfen eines der
bewußten scliwarzen Pflaster.
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