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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Novemberheft
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Walter, Friedrich: Die Sammlung Carl Baer in Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0092

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Die Sammlung Cact ßaeü tn Jvtannbeim
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Professor Dr. Friedrich Walter, der Direktor des
Historischen Museums in Mannheim, der die Anregung
zur Erwerbung der Sammlung Baer gab, schrieb auf die
Bitte des „Kunstwanderers“ den nachstehenden Aufsatz
über die Sammlung.

I wei Ereignisse von aigemeinem Interesse sind aus
Mfimheim zu berichten: Eine an die Wiederkehr
des 200. Geburtstages des Kurfürsten Carl Theodor von
der Pfalz, des großen Martnheimer Kunstmäzens, an-
knüpfende Carl-Theodor-Feier des M a n n -
h e i m e r A 11 e r t u m s v e r e i n s , die in einem
glanzvollen Festspiel „Frankenthaler Porzellan“ gip-
felte, und der Übergang der Baer’schen S a m m -
1 u n g in das E i I e n t u m d e r S t a d t M a n n -
h e i m. Die Stadt Mannheim hätte das Andenken an
ihre Carl-Theodor-Blütezeit nicht besser feiern können,
als durch die Erwerbung dieser an wertvollem Fran-
kenthaler Porzellan so reichen Sammlung.
Es war ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß
am gleichen Tage, als der Vertrag mit Herrn Carl Baer
unterzeichnet wurde, bei demselben Notar das Testa-
ment des zweiten bedeutenden Mannheimer Porzellan-
sammlers, des kürzlich verstorbenen Herrn Jean Wurz,
eröffnet wurde und damit auch die Entscheidung über
diese Sammlung fiel. Während Wurz letztwillig ver-
fügte, daß seine Porzellane in Serlin*) versteigert wer-
den sollen, ist es der Stadt Mannheim gelungerl sich
die Sammlung Carl Baer zu sichern.
Seit langem war sie bei Museumsfachleuten und
Kunstfreunden als kostbares Stück Mannheimer Kunst-
besitzes bekannt, und es ist freudig zu begrüßen, daß
dieses Werk langjährigen Sammlerfleißes, außerge-
wöhnlichen Sammlergliickes und hervorragender
Kennerschaft, diese durch immerwährende Auslese zu
hoher Wirkungskraft ausgereifte und einheitlich abge-
rundete Sammlung nicht in alle Winde zerstreut wird,
sondern der Stätte ihrer Entstehung dauernd erhalten
bleibt. Die Erwerbung gewinnt erhöhte Bedeutung im
Hinblick auf die geplante Neuaufstellung der Sammlun-
gen des Historischen Museums im Mannheimer Schloß,
das kürzlich von den Franzosen geräumt wurde. Schon
oft ist bedauert worden, daß Mannheim als ehemalige
kurpfälzische Hauptstadt nicht ebenso wie Heidelberg
und Speyer einen ansehnlichen Museumsbesitz in Fran-
kenthaler Porzellan sein eigen nennen konnte. Es er-
fiillt uns mit besonderer Genugtuung, daß diesem Man-
gel nun abgeholfeu ist, und daß die Schätze der Samm-
lung Carl Baer gerade in den ehemaligen Residenz-
räumen des Kurfürsten Carl Theodor Aufstellung fin-
den werden.
Seitdem der Mannheimer Altertumsverein 1899 in
einer Aussteilung von Frankenthaler Porzellan — es
war die erste dieser Art in Deutschland — und 1802 in
*) Rudolph Lepkes Kunstauktionshaus.

einer Carl-Theodor-Ausstellung zum ersten Male mit
anderen wertvollen Leihgaben aus Mannheimer Privat-
besitz Porzellan der Sammlung Carl Baer öffenntlich
zeigte, ist diese Sammlung ständig erweitert, verbessert
und zu ihrer heutigen Bedeutung ausgebaut worden.
Ihre Hauptstärke und Eigenart beruht in der großen
Zahl wundervoller Erzeugnisse der ehemaligen kurpfäl-
zischen P o r z e 11 a n m a n u f a k t u r F r a n k e n -
t h a 1. Sie umfaßt unter rund 700 Nummern etwa 340
Nummern Frankenthaler Porzellan feinster und selten-
ster Art und gibt einen vollständigen Überblick über
diese feinsten Schöpfungen der pfälzischen Rokoko-
kleinplastik von der frühesten Zeit der Fabrik bis in ihre
letzten Jahre. Frankenthals Blüte in den 1760er und
1770er Jahren ist durch herrliche Figuren und Gruppen
in Zeitkostüm, durch allegorische und mythologische
Figuren geradezu glänzend vertreten. Soweit Service,
Tassen, Teller und andere Geschirre in die Sammlung
aufgenommen sind, handelt es sich nur um ganz außer-
gewöhnliche Stücke. Glanznummern der Sammlung
sind: Der Jäger auf Kurpfalz mit seinem Jagdgefolge,
die große Flora, der Tanzmeister, die schlafende Venus,
die Figuren aus der italienischen Komödie, ein Schach-
spiel, zwei große Prunkvasen mit Schlachtenmalereien
von Magnus und anderes mehr.
In harmonischer Weise wird diese Frankenthaler
Sammlung durch erstklassige Erzeugnisse anderer Ma-
nufakturen des 18. Jahrhunderts, wie Ludwigsburg,
N^miphenburg, Ansbach, Meißen und Höchst ergänzt.
Die Beschäftigung mit der Kleinkunst des Por-
zellans führte Herrn Baer zu dem anderen Hauptgebiet
seiner Sammeltätigkeit, zum K 1 e i n b i 1 d n i s. Auch
da ist es ihm gelungen. seine Sammlung zu hohem Ran-
ge emporzuheben und ihr eine scharf umrissene Phy-
siognomie zu verleihen. Er sammelte Kleinbildnisse
aller Arten und aller Techniken — modellierte wie Re-
liefs und Büsten, gemalte wie Miniaturen auf Elfenbein,
Fmaille- und Porzellanbildnisse, Porträts auf Tassen,
Dosen usw. Auch dieser zweite Hauptbestandteil der
Sammhmg Baer bevorzuet die kunstfreudige Zeit des
18. Jahrhunderts, In ihrer eindrucksvollen Geschlossan-
heit und Abrundung werden nur wenige gleichartige
Privatsammlungen auf annahernd gleicher Stufe stehen
wie die Sammlung Baer.
Die Neuaufstellung der Sammlung CaH Baer im
Schloß wird voraussichtlich im nächsten Frühiahr statt-
finden; erst d.ann kann sie der allgememen Besichtip-nnfr
zugän.glich gemacht werden. Fs ist geplant, in Ver-
bindung damit auch die von seinem verstorbenen Bm-
der Otto Baer testamentarisch dem Mannheimer Altei--
tumsverein vermachte Sammlung von etwa 170 kunst-
vollen T a s c h e n u h r e n auszustellen, die noch ie
sicherem Gewahrsam ru.ht und noch nicht öffentlicü
gezeigt werden konnte.

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