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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

DOI issue:
1./2. Novemberheft
DOI article:
Marfels, Carl: Kostbare Tischuhren in Goldemail
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0095

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Talente, das sind 760 Kilo Gold verwandt wurden; an
den Zeus des gleichen Künstlers in Olympia, der nach
alten Berichten gar über 15 Meter hoch gewesen sein
soll, oder an den goldstrotzenden Tempel des Salomon,
in dem unter anderem zwei mit Gold überzogene Ghe-
rubim von 10 Ellen Höhe standen. Aber von diesen
Werken ist infolge ihres hohen Materialwertes nichts
übrig geblieben.
Wie stark bei der Erstellung voluminöser Kunst-
werke im allgemeinen der Materialwert in Gewicht ge-
iallen ist, ersieht man daraus, daß selbst auf dem Ge-
biete der Tischuhren, auf dem von jeher ein großer
Aufwand getrieben wurde, nur außerordentlich selten
ein Stück zu finden ist, das ganz aus Gold gefertigt
wäre. Wohl gibt es in Museen öfter Tischuhren, die
dem Besucher als goldene bezeichnet werden, aber ge-


Abb. 1.

wöhnlich handelt es sich dabei um vergoldete s i 1 -
berne Uhren, die mit goldenen Ornamenten oder
Figürchen geschmückt sind. Als ausschließlich in Gold
gearbeitete Standührchen sind mir aber nur die hier
abgebildeten vier Exemplare bekannt.
An erster Stelle dürfte das entzückende Ührchen,
Abb. 1, stehen, das zu den Glanzstücken des Grünen
Gewölbes in Dresden zählt. ln einer ausgehöhlten Berg-
kristallkugel, die auf einem zierlich durchbrochenen
goldemaillierten Schaft sitzt, befindet sicli eine trefflich
modellierte Figurengruppe, Orpheus, vor den Tieren
des Waldes singend. Wir sehen eine Anzahl größere
Tiere wie Pferd, Hirsch, Einhorn, Drachc, Löwe, Wid-
der, Eidechse, sowie verschiedene in der Krone eines
Baumes sitzende Vögel. Die allerliebsten Figürchen
sind in verschiedenfarbigem Email gefertigt; dazwi-
schen sind Edelsteine in Tafelform eingesetzt. Auch
der runde Euß ist überaus zierlich durchbrochen, durch
vollrund ausgeführte Tiere und figürliche Darstellun-
gen belebt und mit Diamanten und Rubinen geschmückt.

Auf der großen Bergkristallkugel sitzt eine kleinere
Glaskugel, die ein Uhrwerk birgt, das die Stunde auf
einem sich drehenden Glasreif anzeigt; die gekrümmte
Lanze einer Saturnfigur dient dabei als Zeiger. Unter
dem Htigel, auf dem Orpheus singt und die Laute
schlägt, ist folgende Inschrift angebracht: „Orpheus
kundt lieblich hofieren den Vögeln und wilden Tieren,
das si wurden mild und sanftmiedig und sprungen frolig
und gietig.“ Das wumderbare Stück wird dem
Dresdner Goldschmied Gabriel Gipfel zuge-
schrieben, der ums Jahr 1600 wirkte.
Noch ein anderes goldenes Tischührchen besitzt
das an Kunstwerken so reiche Grüne Gewölbe. Es ist
eine sogenannte Monstranzuhr (Abb. 2). Der Fuß,
Schaft und die Bekrönung sind aus schwarzem orien-
talischem Achat. Die Umrahmung des Zifferblatts, so-


Abb. 2.

wie der Schaft und Fuß sind reich mit goldemaillierten
Blumenranken sowie mit Kameen und Edelsteinen ge-
schmückt. Die Rückseite zeigt graviertes und gepunz-
tes Laub- und Bandornament. Das Uhrwerk ist signiert:
,, Jelian Drouynot, Poictiers“. Wie der Katalog
vermerkt, ist dieses Sttick von einem französischen
Goldschmied (wolil um das Jahr 1700) aus einer Ta-
schenuhr in das vorliegende entzückende Pendelühr-
chen umgewandelt worden. Anscheinend sind im sieb-
zehnten Jahrhundert öfter Taschenuhrenwerke aus
einer früheren Zeit zur Umwandlung in kleine Tisch-
uhren verwandt worden, wobei die Kunst des Gold-
schmieds oft wahre Triumphe feiert; das Grüne Gewöl-
be weist nämlich nocli zwei weitere Standührchen auf,
bei denen laut Angabe des Katalogs eine solche Um-
wandlung stattgefunden hat.
Wir verdanken die Ermächtigung, die beiden
prächtigen Stücke im Bilde zu bringen, der Güte des
Herrn Prof. S p o n s e 1, Direktor der Sammlungen
des Grünen Gewölbes. Ihm und Herrn Konservator

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