Jahrhunderts nicht widersprechen und die ihren Ehrgeiz darein
setzen, richtungweisend fiir die Landbau- und Siedlungsbaukunst
der Nachbarschaft zu werden. Es wäre auch für die keramischen
Werkstätten vielleicht mit Glück die Erzeugung von gebrannten
und glasierten Formsteinen zu versuchen, die als Zierstücke
serienweise hergestellt fiir Neubauten im Lande verwendbar wären.
Sind uns doch gerade in diesem Teile der Mark noch reizende
Denkmäler von Versatzstücken aus gebranntem Ton an den Back-
steinbauten des ausgehenden Mittelalters erhalten, wie z. B. an
der Armenhauskapelle in Neuruppin selbst.
Das Entscheidende für die Fortentwicklung eines derartigen
kunsthandwerklichen Betriebes liegt vor allem in der Erkenntnis
der Bedürfnisse, wodurch der Erzeugung feste Ziele gesetzt
werden. Hermann Schmitz.
Das Datum auf dem Kt^euEigungs^
bttde des Ifenbetmet? Altavs.
In Ergänzung meines Berichts im diesjährigen Augustheft des
„Kunstwanderer“ über das Datum auf dem Kreuzigungsbilde des
Isenheimer Altars habe ich Folgendes nachzutragen:
Die arabischen Ziffern auf dem Salbgefäß hat bereits in den
80er Jahren Niedermayer bemerkt. Er erkannte dabei treffend,
daß in diesen Ziffern ein Entstehungsdatum von der Hand Grüne-
walds gegeben sei, es gelang ihm aber nicht, sie richtig zu lesen.
Wie ich letzthin dargelegt habe, handelt es sich um zwei neben-
einander angebrachte Daten, von denen heute nur das eine voll
erhalten ist, während von dem zweiten nur die ersten zwei Stellen
15 . . . lesbar sind. Niedermayer beging den Irrtum, diese beiden
Daten zu vermischen. Er hielt die dritte und vierte Stelle des
ersten Datums für bloße Schnörkel, und verband die erste und
zweite Stelle 15 . . . des letzten Datums mit der ersten und zwei-
ten Stelle 15 . . . des zweiten Datums zu einer Zahl 1515, die er
dann auch als das von ihm entdeckte Datum des Isenheimer Altars
veröffentlichte. Repertorium für Kunstwissenschaft, 1884, Bd. VII,
Seite 147).
Die spätere Griinewaldforschung hat sich bisher damit be-
gnügt, das von Niedermayer gegebene Datum abzulehnen. So
Eleurent („Der Isenheimer Altar und die Gemälde G’s“, Coimar
1903, Anm. 1 zu Seite 20) der meint, daß die von Niedermayer an-
gebene Zahl „beim besten Willen nicht herauszulesen sei“, und
dann Schmid in seinem großen Grünewaldwerk. (Heinr. Alfr.
Schmid, „Die Gemälde und Zeichnungen von Matthias Grünewald“,
Straßburg 1911). Schmid schreibt auf Seite 138, 139 seines Text-
bandes: „Das Salbgefäß ist weiß mit blauem Dekor. Die Schnörkel
aus denen man die Jahreszahl 1515 hat herauslesen wollen, be-
finden sich links in dem Ornamentband über dem Fuß. Die Deu-
tung ist wohl heute für immer erledigt, obwohl die Ähnlichkeit
mit arabischen Zahlen nicht zu verkennen ist.“
Es ist äußerst bezeichnend für die durchgehende Abhängig-
keit, in der sich die so stark angeschwollene Grünewald-Literatur
des letzten Jahrzehntes von Schmid befindet, daß in dieser Lite-
ratur, nach Ablehnung des Datums durch Schmid von diesem Da-
tum überhaupt nicht mehr die Rede ist.
Dem ablehnenden Urteil Schmids gegenüber möchte ich be-
haupten:
1. Daß es sich am untercn Rande des Salbgefäßes der Mag-
dalena auf dem Kreuzigungsbilde des Isenheimer Altars nicht
um Schnörkel, sondern fraglos um arabische
Zahlen handelt, und daß diese arabischen Zahlen, wie schon
Niedermayer richtig erkannt hat, sicher keine zufälligen
sind, sondcrn ein Entstehungsdatum enthalten.
2. Wic ich bereits Gelegenheit hatte darzulegen, handelt es
sich um zwei nebeneinander angebrachte Daten, von denen das
zweite, heute nicht mehr lesbare, höchst wahrscheinlich das
gleiche wie das erste war. Die Wiederholung bezweckte die or-
namentale Einordnung in das iibergeornamentale Dekor des Salb-
gefäßes. Dieses bcsteht aus deutlich unterscheidbaren
Strich-, Punkt- und Rankenornamenten, zu
denen die Zahlen hinzutreten.
3. Lesbar ist heute nur das erste der beiden Daten. Die drei
ersten Stellen desselben ergeben mit Sicherheit 151. Die an vier-
ter Stelle stehende Zahl ist als solche deutlich zu erkennen, doch
bietet ihre Lesung Schwierigkeit. Ihre Gestalt ist am besten einem
vertikal gestellten accent circonflexe zu vergleichen. Ich hatte
letzthin vorgeschlagen, sie als 0 zu lesen. Herr Stadtbibliothekar
Dr. Nikolaus Busch in Riga, der die Freundlichkeit hatte, die Zah-
len auf einem ilnn von mir vorgelegten Photo zu prüfen, machte
mich darauf aufmerksam, daß es sich am ehesten um eine 2 han-
deln dürfte. Dazu lassen sich Vergleiche aus dem Lexicon Diplo-
maticum aus Waltherii (Göttingen 1745) heranziehen, ebenso wie
aus Cappelli’s Lexicon Abbreviaturarum (Leipzig 1901). In F.
Leist’s Urkundenlehre (2. Aufl. Leipzig 1893) findet sich auf Seite
112 eine 2 abgebildet, die der fraglichen Zahl des Isenheimer Da-
tums überaus ähnlich ist. Ich möchte aber vorläufig noch nicht
Salbgefäß der Magdalena. Ausschnitt aus dem Kreuzigungs-
bilde des Isenheimer Altars. (Nach Schmid, Taf. 11.)
von meiner ursprünglichen Lesart 1510 abweichen, und stelle 1512
vor der Hand nur als begründbar hin.
4. Ich möchte noch bemerken, daß die in Frage kommenden
Daten sicher von Grünewalds Hand und völlig in die umgebende
Malerei einbezogen sind. Warum Grtinewald sie im Dekor des
Salbgefäßes versteckt und warum er sie ohne Monogramm ange-
bracht hat, während Diirer doch alle seine Bilder mit Monogramm
und Jahreszahl an sichtbarer Stelle signierte, darüber können wir
nur Vermutungen haben. Man kann sich ebenso vorstellen, daß
tiefe Scheu vor der Erhabenheit des Dargestellten Grünewald zu-
rückhielt — wie man annehmen könnte, daß er in einem Zuge ro-
mantischer Ironie die Jahreszahl an unerwarteter Stelle hineinge-
heimnißt hat. Wie dem nun auch sei — e i n D a t u m b e s i t z e n
w i r s i c h e r 1 i c h , durch das der Isenheimer Altar nun auch
dokumentarisch eingereiht wird in jenen hohen europäischcn Au-
genblick, der, wie Schmid das schön hervorhcbt, Dürers große Ge-
mälde, Massy’s Altar der Sippe in Brtissel und seinen Johannes-
altar in Antwerpen, die Sixtinische Decke, die Segnatura und
Tizian’s Himmlische und Irdische Liebc zugleich hervorbrachte.
Riga, 10. September 1924. Dr. P h i 1 i p p S c h w e i n f u r t h.
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setzen, richtungweisend fiir die Landbau- und Siedlungsbaukunst
der Nachbarschaft zu werden. Es wäre auch für die keramischen
Werkstätten vielleicht mit Glück die Erzeugung von gebrannten
und glasierten Formsteinen zu versuchen, die als Zierstücke
serienweise hergestellt fiir Neubauten im Lande verwendbar wären.
Sind uns doch gerade in diesem Teile der Mark noch reizende
Denkmäler von Versatzstücken aus gebranntem Ton an den Back-
steinbauten des ausgehenden Mittelalters erhalten, wie z. B. an
der Armenhauskapelle in Neuruppin selbst.
Das Entscheidende für die Fortentwicklung eines derartigen
kunsthandwerklichen Betriebes liegt vor allem in der Erkenntnis
der Bedürfnisse, wodurch der Erzeugung feste Ziele gesetzt
werden. Hermann Schmitz.
Das Datum auf dem Kt^euEigungs^
bttde des Ifenbetmet? Altavs.
In Ergänzung meines Berichts im diesjährigen Augustheft des
„Kunstwanderer“ über das Datum auf dem Kreuzigungsbilde des
Isenheimer Altars habe ich Folgendes nachzutragen:
Die arabischen Ziffern auf dem Salbgefäß hat bereits in den
80er Jahren Niedermayer bemerkt. Er erkannte dabei treffend,
daß in diesen Ziffern ein Entstehungsdatum von der Hand Grüne-
walds gegeben sei, es gelang ihm aber nicht, sie richtig zu lesen.
Wie ich letzthin dargelegt habe, handelt es sich um zwei neben-
einander angebrachte Daten, von denen heute nur das eine voll
erhalten ist, während von dem zweiten nur die ersten zwei Stellen
15 . . . lesbar sind. Niedermayer beging den Irrtum, diese beiden
Daten zu vermischen. Er hielt die dritte und vierte Stelle des
ersten Datums für bloße Schnörkel, und verband die erste und
zweite Stelle 15 . . . des letzten Datums mit der ersten und zwei-
ten Stelle 15 . . . des zweiten Datums zu einer Zahl 1515, die er
dann auch als das von ihm entdeckte Datum des Isenheimer Altars
veröffentlichte. Repertorium für Kunstwissenschaft, 1884, Bd. VII,
Seite 147).
Die spätere Griinewaldforschung hat sich bisher damit be-
gnügt, das von Niedermayer gegebene Datum abzulehnen. So
Eleurent („Der Isenheimer Altar und die Gemälde G’s“, Coimar
1903, Anm. 1 zu Seite 20) der meint, daß die von Niedermayer an-
gebene Zahl „beim besten Willen nicht herauszulesen sei“, und
dann Schmid in seinem großen Grünewaldwerk. (Heinr. Alfr.
Schmid, „Die Gemälde und Zeichnungen von Matthias Grünewald“,
Straßburg 1911). Schmid schreibt auf Seite 138, 139 seines Text-
bandes: „Das Salbgefäß ist weiß mit blauem Dekor. Die Schnörkel
aus denen man die Jahreszahl 1515 hat herauslesen wollen, be-
finden sich links in dem Ornamentband über dem Fuß. Die Deu-
tung ist wohl heute für immer erledigt, obwohl die Ähnlichkeit
mit arabischen Zahlen nicht zu verkennen ist.“
Es ist äußerst bezeichnend für die durchgehende Abhängig-
keit, in der sich die so stark angeschwollene Grünewald-Literatur
des letzten Jahrzehntes von Schmid befindet, daß in dieser Lite-
ratur, nach Ablehnung des Datums durch Schmid von diesem Da-
tum überhaupt nicht mehr die Rede ist.
Dem ablehnenden Urteil Schmids gegenüber möchte ich be-
haupten:
1. Daß es sich am untercn Rande des Salbgefäßes der Mag-
dalena auf dem Kreuzigungsbilde des Isenheimer Altars nicht
um Schnörkel, sondern fraglos um arabische
Zahlen handelt, und daß diese arabischen Zahlen, wie schon
Niedermayer richtig erkannt hat, sicher keine zufälligen
sind, sondcrn ein Entstehungsdatum enthalten.
2. Wic ich bereits Gelegenheit hatte darzulegen, handelt es
sich um zwei nebeneinander angebrachte Daten, von denen das
zweite, heute nicht mehr lesbare, höchst wahrscheinlich das
gleiche wie das erste war. Die Wiederholung bezweckte die or-
namentale Einordnung in das iibergeornamentale Dekor des Salb-
gefäßes. Dieses bcsteht aus deutlich unterscheidbaren
Strich-, Punkt- und Rankenornamenten, zu
denen die Zahlen hinzutreten.
3. Lesbar ist heute nur das erste der beiden Daten. Die drei
ersten Stellen desselben ergeben mit Sicherheit 151. Die an vier-
ter Stelle stehende Zahl ist als solche deutlich zu erkennen, doch
bietet ihre Lesung Schwierigkeit. Ihre Gestalt ist am besten einem
vertikal gestellten accent circonflexe zu vergleichen. Ich hatte
letzthin vorgeschlagen, sie als 0 zu lesen. Herr Stadtbibliothekar
Dr. Nikolaus Busch in Riga, der die Freundlichkeit hatte, die Zah-
len auf einem ilnn von mir vorgelegten Photo zu prüfen, machte
mich darauf aufmerksam, daß es sich am ehesten um eine 2 han-
deln dürfte. Dazu lassen sich Vergleiche aus dem Lexicon Diplo-
maticum aus Waltherii (Göttingen 1745) heranziehen, ebenso wie
aus Cappelli’s Lexicon Abbreviaturarum (Leipzig 1901). In F.
Leist’s Urkundenlehre (2. Aufl. Leipzig 1893) findet sich auf Seite
112 eine 2 abgebildet, die der fraglichen Zahl des Isenheimer Da-
tums überaus ähnlich ist. Ich möchte aber vorläufig noch nicht
Salbgefäß der Magdalena. Ausschnitt aus dem Kreuzigungs-
bilde des Isenheimer Altars. (Nach Schmid, Taf. 11.)
von meiner ursprünglichen Lesart 1510 abweichen, und stelle 1512
vor der Hand nur als begründbar hin.
4. Ich möchte noch bemerken, daß die in Frage kommenden
Daten sicher von Grünewalds Hand und völlig in die umgebende
Malerei einbezogen sind. Warum Grtinewald sie im Dekor des
Salbgefäßes versteckt und warum er sie ohne Monogramm ange-
bracht hat, während Diirer doch alle seine Bilder mit Monogramm
und Jahreszahl an sichtbarer Stelle signierte, darüber können wir
nur Vermutungen haben. Man kann sich ebenso vorstellen, daß
tiefe Scheu vor der Erhabenheit des Dargestellten Grünewald zu-
rückhielt — wie man annehmen könnte, daß er in einem Zuge ro-
mantischer Ironie die Jahreszahl an unerwarteter Stelle hineinge-
heimnißt hat. Wie dem nun auch sei — e i n D a t u m b e s i t z e n
w i r s i c h e r 1 i c h , durch das der Isenheimer Altar nun auch
dokumentarisch eingereiht wird in jenen hohen europäischcn Au-
genblick, der, wie Schmid das schön hervorhcbt, Dürers große Ge-
mälde, Massy’s Altar der Sippe in Brtissel und seinen Johannes-
altar in Antwerpen, die Sixtinische Decke, die Segnatura und
Tizian’s Himmlische und Irdische Liebc zugleich hervorbrachte.
Riga, 10. September 1924. Dr. P h i 1 i p p S c h w e i n f u r t h.
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