Mir allerdings scheint es mehr Wahrscheinlichkeit zu
haben, wenn man annimmt, daß die Höchster Modelle
nach den Frankenthaler Yorbildern entstanden sind,
weil jene nur vereinzelt vorkommen, während es zahl-
reiche Frankenthaler Lückmodelle gibt.
Doch die beiden neu aufgefrischten Höchster Musi-
kanten haben jedenfalls nichts mit diesem Meißen-Fran-
kenthaler Joh. Friedrich Lück zu tun, in Betracht
kommt nur der immer noch rätselhafte Ludwig von
Lück, doppel rätselhaft, weil es von ihm eine relativ
recht beträchtliche Anzalil von signierten Arbeiten in
Elfenbein und Porzellan usw. gibt. Es scheint sich aber
immer melir herauszustellen, daß bei Ludwig von Lück
von einer künstlerischen Individualität im tieferen Sinhc
nicht die Rede sein kann, er war vielseitig und wechsel-
reich wie der seiige Proteus, also kurz gefaßt, ein kalter
aber sehr tüchtigerRoutinier, dessenWerke jedoch sehr
häufig durch die ausgezeichneteMache, die gefälligeMo-
dellierung manchmal sogar (wie bei der entzückenden
schlafenden Schäferin in Elfenbein, die das Bayr. Na-
tionalmuseum besitzt) durch den hinreichenden Wohl-
laut der Formen und außerordentliche Grazie fesseln.
Ludwig von Lücke war Anfang 1750 in Wien als
Modellmeister angestellt worden, doch wurde der Ver-
trag nach Jahresfrist gelöst. Fine Reihe plastischer Ar-
beiten aus Wiener Porzellan mit seiner Signatur sind
erhalten, in drei Fällen sind die letzteren so angebracht,
wie es die Plastiker zumeist tun, nämlich ein-
gegraben in die nocli ungebrannte Masse, ein-
mal finden wir jedoch auf einem bemalten figuralen
Stockgriff die aufgemalte Bezeichnung ,,L. v. Lück
inven:“ Schon durch diese Fassung ergibt sich zur Ge-
wißheit, daß Lück das Modell als sein Werk bezeichnen
wollte; die Bemalung des Stückes ist nebenbei eine
sichere Arbeit von Anreiter und scheidet schon dadurch
ftir Lück aus. Von Wien aus zog der Unruhevolle nach
Bremen, von wo aus er etwa in der Mitte Mai 1751 mit
der Fürstenberger Fabrik wegen seines Eintritts ver-
handelte. Aus der Sache wurde nichts, doch einige
Jahre darauf kam Lücke nach Stegmann4) mit einem
4) Die fiirstl. Braunschweigische Porzelianfabrik zu Fürsten-
berg. 1893. S. 23.
jüngeren Bruder ungerufen nach Fürstenberg, wo
Beide Unterkommen als Modelleure suchten. Leider
sagt Stegmann nicht, wann dies war und Scherer
erwähnt Lück in seinem „Verzeichnis der Fürstenber-
ger Fabrikanten“ überhaupt nicht. Doch endete auch
dieses Debut ganz plötzlich und rasch. Die kleine
Höchster Figur, auf der Lück genau wie bei dem Sig-
num am Stockgriff seine künstlerische Urheberschaft
durch die aufgemalte Signatur dokumentieren wollte,
zwingt uns zur Annahme, daß der Bildahuer entweder
kurz vor oder nach den Verhandlungen mit Fürsten-
berg, aber schon v o r Mai 1753, in Höchst ein paar
Modelle geschaffen hat. Daß sein Name in den Höch-
ster Akten nicht vorkommt, besagt Nichts gegen unsere
Annahme, denn dieselben sind recht lückenhaft erhal-
ten und für die Monogramme von ein paar der früheren
tüchtigen Maler finden wir beispielsweise in den Ur-
kundenbeständen keine Auflösung, ein sicherer Beweis
dafür, daß gerade die Listen der Künstler unvollständig
sind und ein Teil der Personalakten verloren gegangen
sein muß.
Im Höchster Warenverzeichnis von 1766 werden
als vorrätig sechs Stück „stehende Musikanten“ ä 3 fl.
angeführt; ob dieselben mit den beiden neuaufgetanch-
ten Modellen identisch sind, ist vorläufig nicht beweis-
bar. Stlistisch lassen die zwei Figuren eine starke
Anhängigkeit von gleichzeitigen Meißner Modellen des
Peter Reinicke erkennen, so daß die Vermutung be-
rechtigt ist, Lücke habe zwei Modelle Reinickes kopiert.
Wer nicht so weit gehen will, muß aber zugeben, daß
der Stil Reinickes mit der unruhigen wellig-fluktuieren-
den Modellierung, welche die Oberf'äche d.er Gewan-
dung in zahlreiche kleine spiegelnde Höhen und Tiefen
zerlegt, für den Höchster Modelleur vorbildlich par.
Auch die raschen Kopfwendungen, die Vorliebe für star-
ke Bewegung der Arme und Beine hat auf Lück einge-
wirkt. Zum Vergleiche sehe man sich in dem Auktions-
katalog der Sammlung C. LI. Fischer-Dresden (Hugo
Helbing 1918) mit Ernst Zimmermanns vortrefflicher
Beschreibung, anf Tafel 5 die beiden Figuren Nr. 31
und 32 an.
Toulouse-Lautrec
Balleteusen
Besitzer: F. M. Z., München
Ausstellung in der
Galerie Matthiesen,
Berlin
1C4
haben, wenn man annimmt, daß die Höchster Modelle
nach den Frankenthaler Yorbildern entstanden sind,
weil jene nur vereinzelt vorkommen, während es zahl-
reiche Frankenthaler Lückmodelle gibt.
Doch die beiden neu aufgefrischten Höchster Musi-
kanten haben jedenfalls nichts mit diesem Meißen-Fran-
kenthaler Joh. Friedrich Lück zu tun, in Betracht
kommt nur der immer noch rätselhafte Ludwig von
Lück, doppel rätselhaft, weil es von ihm eine relativ
recht beträchtliche Anzalil von signierten Arbeiten in
Elfenbein und Porzellan usw. gibt. Es scheint sich aber
immer melir herauszustellen, daß bei Ludwig von Lück
von einer künstlerischen Individualität im tieferen Sinhc
nicht die Rede sein kann, er war vielseitig und wechsel-
reich wie der seiige Proteus, also kurz gefaßt, ein kalter
aber sehr tüchtigerRoutinier, dessenWerke jedoch sehr
häufig durch die ausgezeichneteMache, die gefälligeMo-
dellierung manchmal sogar (wie bei der entzückenden
schlafenden Schäferin in Elfenbein, die das Bayr. Na-
tionalmuseum besitzt) durch den hinreichenden Wohl-
laut der Formen und außerordentliche Grazie fesseln.
Ludwig von Lücke war Anfang 1750 in Wien als
Modellmeister angestellt worden, doch wurde der Ver-
trag nach Jahresfrist gelöst. Fine Reihe plastischer Ar-
beiten aus Wiener Porzellan mit seiner Signatur sind
erhalten, in drei Fällen sind die letzteren so angebracht,
wie es die Plastiker zumeist tun, nämlich ein-
gegraben in die nocli ungebrannte Masse, ein-
mal finden wir jedoch auf einem bemalten figuralen
Stockgriff die aufgemalte Bezeichnung ,,L. v. Lück
inven:“ Schon durch diese Fassung ergibt sich zur Ge-
wißheit, daß Lück das Modell als sein Werk bezeichnen
wollte; die Bemalung des Stückes ist nebenbei eine
sichere Arbeit von Anreiter und scheidet schon dadurch
ftir Lück aus. Von Wien aus zog der Unruhevolle nach
Bremen, von wo aus er etwa in der Mitte Mai 1751 mit
der Fürstenberger Fabrik wegen seines Eintritts ver-
handelte. Aus der Sache wurde nichts, doch einige
Jahre darauf kam Lücke nach Stegmann4) mit einem
4) Die fiirstl. Braunschweigische Porzelianfabrik zu Fürsten-
berg. 1893. S. 23.
jüngeren Bruder ungerufen nach Fürstenberg, wo
Beide Unterkommen als Modelleure suchten. Leider
sagt Stegmann nicht, wann dies war und Scherer
erwähnt Lück in seinem „Verzeichnis der Fürstenber-
ger Fabrikanten“ überhaupt nicht. Doch endete auch
dieses Debut ganz plötzlich und rasch. Die kleine
Höchster Figur, auf der Lück genau wie bei dem Sig-
num am Stockgriff seine künstlerische Urheberschaft
durch die aufgemalte Signatur dokumentieren wollte,
zwingt uns zur Annahme, daß der Bildahuer entweder
kurz vor oder nach den Verhandlungen mit Fürsten-
berg, aber schon v o r Mai 1753, in Höchst ein paar
Modelle geschaffen hat. Daß sein Name in den Höch-
ster Akten nicht vorkommt, besagt Nichts gegen unsere
Annahme, denn dieselben sind recht lückenhaft erhal-
ten und für die Monogramme von ein paar der früheren
tüchtigen Maler finden wir beispielsweise in den Ur-
kundenbeständen keine Auflösung, ein sicherer Beweis
dafür, daß gerade die Listen der Künstler unvollständig
sind und ein Teil der Personalakten verloren gegangen
sein muß.
Im Höchster Warenverzeichnis von 1766 werden
als vorrätig sechs Stück „stehende Musikanten“ ä 3 fl.
angeführt; ob dieselben mit den beiden neuaufgetanch-
ten Modellen identisch sind, ist vorläufig nicht beweis-
bar. Stlistisch lassen die zwei Figuren eine starke
Anhängigkeit von gleichzeitigen Meißner Modellen des
Peter Reinicke erkennen, so daß die Vermutung be-
rechtigt ist, Lücke habe zwei Modelle Reinickes kopiert.
Wer nicht so weit gehen will, muß aber zugeben, daß
der Stil Reinickes mit der unruhigen wellig-fluktuieren-
den Modellierung, welche die Oberf'äche d.er Gewan-
dung in zahlreiche kleine spiegelnde Höhen und Tiefen
zerlegt, für den Höchster Modelleur vorbildlich par.
Auch die raschen Kopfwendungen, die Vorliebe für star-
ke Bewegung der Arme und Beine hat auf Lück einge-
wirkt. Zum Vergleiche sehe man sich in dem Auktions-
katalog der Sammlung C. LI. Fischer-Dresden (Hugo
Helbing 1918) mit Ernst Zimmermanns vortrefflicher
Beschreibung, anf Tafel 5 die beiden Figuren Nr. 31
und 32 an.
Toulouse-Lautrec
Balleteusen
Besitzer: F. M. Z., München
Ausstellung in der
Galerie Matthiesen,
Berlin
1C4