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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Dezemberheft
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Baudissin, Klaus von: Ein wiedergefundenes Bild von Gillis van Coninxloo
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Kunststätten in neuen Rußland / Aus Amerikas Kunstleben / Londoner Kunstschau / Wiener Kunstbrief / Vom holländischen Kunstmarkt / Schweizerische Kunstchroik / Neuerwerbungen des Museums in Brüssel / Leipziger Herbstmesse 1924 / Aus der Museumswelt / Kunstausstellungen / Neue Graphik / Kunstauktionen / Neue Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0131

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kommenste Teil des Bildes ist das in der Mitte, auf der
spitz zulaufenden Landzunge gelegene Dorf und das
rechts davon zwischen Bäumen sichtbar werdende und
aus Bämen sich erhebende Klostergebäude im biauen,
morgenlichen Dunst der kühlen, feuchten, fruchtbaren
Niederung — der vorgeschrittenste Punkt, der im Bild

erreicht wurde, dessen malerische Güte keinen Zweifel
an der Echtheit aufkommen lassen.
Das Bild wird, dank dem Entgegenkommen des
Besitzers M. Hansen-Kiel, zusammen mit anderen Wer-
ken alter Kunst in der Kieler Kunsthalle zur Ausstellung
gelangen.


Kuaßffättcn im neuen Rußland.

In Rußland, mehr als in andren Ländern, lebten die Schätze
der Kunst in den Hauptstädten, häuften sic’n Köstlichkeitcn von
Kunstwerten in den Galerien von Moskau und Leningrad, bargen
sich in gerühmten Samnilungen reicher Mäzene dieser beiden
Städte. Als man nach der Revolution die alten Landsitzc und ver-
lassenen Schlösser nach Kunstwerken durchforschte, die man der
Nation schenken und zugänglich rrachen wollte, trat dieser Um-
stand klar zutage. Der erwartete Segen blieb aus; man fand
einige schöne, alte Möbel, die man ais Museumsstiicke werten
konnte, manch gutes Porträt bekannter Meister, aber keinen ein-
zigen Fund, der einen Triumph fiir den Kunstgenießer bedeutet
hätte. Immerhin galt es dieses Forschen nach Kunstschätzen, das
Sammeln und Sichten zu organisieren und man schuf zu diesem
Zwecke ein Zentrum in Moskau, das Glawmusei — das Hauptamt
fiir Museumsangelegenheiten und zugleich eine Stelle zum Schutze
der Kunst-, Altertums- und Naturdenkmäler. Hier ist das Sammel-
becken fiir alie Bereicherungen, die dcn Galerien bcstimmt sind
und hier werden die Pläne für Umformungen in der Darbietung
der Kunstschätze begutachtet und genehmigt, ebenso die päda-
gogischen Bestrebungen, die im neuen Rußland reichlich mit dem
Gewähren des Kunstgenusses verbunden werden.
Schon in den ersten Tagen nach dem Ausbruch des Welt-
krieges hatte man begonnen, die Schätze der Petersburger
Eremitage in Sonderzügen nach Moskau zu bringen und nach
der Einnahme Rigas durch die deutschen Truppen setzte man die
Bergung eilig fort. Drei Jahre mußten diese Kunstwerke in unge-
heizten Räumen beherbergt und der Lagerort dauernd gewechselt
werden. Gliicklicherweise wurden sie trotzdem unverletzt ge-
rettet. Als der größte und beste Teil fortgeschafft war, brach die
Oktobcr-Revolution aus und verhinderte aile weitere Vorsorge.
Aber das Kostbarste hatt man doch schon am sicheren Orte und
man verwandte die Zeit, da das Personal die fast leeren Wände
in der Eremitage bewachte, um Pläne fiir eine Neuorganisation
auszuarbeiten und durch Fachkommissionen neues wissenschaft-
iiches Personal wählen zu lassen.
Nachdem in den unsichersten Zeiten von 1917 bis 192U alle
historischen und künstlerischen Museen geschlossen worden
waren, wurde im Herbst 1920 der Riicktransport von der Regie-

rung gewagt. In der Nacht vom 19. November trafen die mehr
als 1 000 Kisten mit der Sammlung der Eremitage an ihrem Aus-
gangsort ein; eine Woche darauf war der Rembrandt-Saal wjeder
eröffnet und kurze Zeit später die Bildergalerie. Ein Teil des
Winterpalais, der friiher zur Beherbergung ausländischer Fiirst-
lichkeiten gedient hatte, wurde fiir die Sammlungen der Eremitage
benutzt und im Jahre 1923 waren mehr als 80 Säle zur Besichti-
gung freigegeben. Somit wurde die Sammlung der Erernitage,
sicher eine der reichsten der Welt, in neuer systematischer An-
ordnung wieder ihrem Zwecke zugefiihrt. Die historische Bilder-
galerie im Winterpalais gestaltete sich besonders interessant und
der Stolz der Eremitage wurde die hellenisch-skytische Sammlung.
Das Russische Museunr in Leningrad behält seine Räume
ausschließlich der russischen Kunst vor und den Werken solcher
Künstler, die in Rußland arbeiteten. Von Rossi erbaut, birgt dieses
Haus architektonische Feinheiten und Köstlichkeiten, die durch
eine verständnislose Restauration in den neunziger Jahren erstickt
wurden. Die Gliederung der Wände durch sehr schöne Friese,
die kanellierten Decken wurde in graue Oede getaucht. Jetzt
wurden Wände und Decken nach noch vorhandenen Plännen Ros-
sis in Form und Farbe wieder herzustellen gesucht. Die Auf-
stellung der Kollektionen wurde chronologisch angeordnet und
innerhalb der Epochen die Kunstwerke gleicher Richtungen zu-
sammengehängt.
Dieses Museum hatte das Glück, durch Geschenke und Zu-
wendungen mit wertvollen Neu-Erwerbungen bedacht zu werden.
Von der Gesellschaft zur Förderung der Kunst erhielt es das Por-
trät des Baron S. G. Stroganow von Iwan Nikitin gemalt und ein
Selbstporträt von E. P. Tschamesow. Eine interessante Ergän-
zung fand der Ausländersaal: Die Gräfin Woronzow von Tacke,
ein Bild der Lady Hervey von Tischbein, ein Porträt des Fürsten
Gagarin von der Hand der Vigee-Lebrun, auch ein Selbstporträt
von Rotari.
Den Saal von Lewitzky schmücken die Bildnisse der Zög-
lingc des Smolni-Instituts, der einstigen adligen Erziehungsanstalt.
Auch die Kollektion Rokotow wurde aufgefiillt.
Aus der bekannten Sammlung Schwarz kamen die Arbeiten
des Malers Kiprensky. Ein bisher nur nach einer Lithographie be-

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