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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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Römischer Kunstbrief / Vom Wiener Kunstmarkt / Tauts Berliner Gewerkschaftshaus / Londoner Kunstschau / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Künstler und Kunstgelehrte / Neue Kunstbücher / Vierte Breslauer Kunstmesse / Kleine Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0180

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Tauts ßedtneü Qeiüet^kfcbaftsbaus.
Der Allgemeine deutsche Gewerkschaftsbund hat sich von
Bruno T a u t, dem ehemaligen Stadtbaumeister, in Berlin an der
Kreuzung der Wall- und Inselstraße ein neues Verwaltungshaus
bauen lassen. Dabei ist die bedeutendste architektonische Lei-
stung entstanden, die Deutschland aus den letzten .Jahren aufzu-
weisen hat. Das Gewerkschaftshaus beansprucht deshalb Inter-
esse auch außerhalb des Kreises seiner unmittelbaren Nutznießer.
Schon die Ueberwindung der technischen Schwierigkeiten impo-
niert. Das sechsgeschossige Gebäude ruht, weil der Tunnel der
Untergrundbahn gerade unter ihm hinwegführt, auf riesigen Beton-
pfeilern, deren Seiten je anderthalb Meter messen. Aus diesen


Hans Kohl, Blick von der goldenen Waage auf den Frankfurter
Dom, Radierung. Verlag Heinrich Trittler, Frankfurt a. M.
Pfeilern steigt in zusammenhängender Masse das Gerippe des
Baues auf, das im Außenbau dadurch sinnfällig gemacht worden
ist, daß die Vertikalglieder als Pilaster und die Horizontalglieder
als Gesimse aus der Wand herausgezogen sind. Das Haus ist
eine Summierung gleichförmiger Würfel, und deren Stirnseiten in
Fassade als gleich großer Quadrate zu Tage treten. Die Fassade
ist also gewissermaßen durchsichtig, sie drückt die Binnengliede-
rung des Baues aus. Die Dekoration ist aus der Konstruktion ent-
wickelt. Die Quadratflächen stehen braunrot zwischen den grauen
Betonrahmen, dnrch schwarze Ziegelleisten von ihnen abgesetzt.
Mit dieser Tönung erreicht Taut auch seine Absicht, bunte Akzente
in das Straßenbild zu setzen, ohne dabei doch in die grelle Laut-
heit zu verfallen, die an seinen Magdeburger Fassadenbemalungen
mitunter verstimmt. Nach der Hofseite sind die Quadrate weiß
und durch rote Ziegel von den Betonrahmcn abgesetzt. Die
Fensterrahmen sind hier saftrot und schwarz. Nur im obersten
Geschoß sind die Würfel kleiner, um das Gebäude nach oben ab-
klingen zu lassen. Dies oberste Geschoß liegt auch ein wenig zu-
rück, so daß die Pilaster, die strebepfeilerartig vor der Fassade
aufsteigen, in der Form von Strebebogen gegen das flache Dach
zurückspringen. Seit der Gotik, an die ja auch diese Einzelheiten

erinnern, ist eine solche Einheit von Konstruktion und Dekoration
nicht mehr geschaffen worden, denn Renaissance, Barock und die
von ihnen abhängenden Bauweisen des 19. Jahrhunderts legen
Fassaden vor ihre Bauten, die ein eigenes und mit dem Ganzen
nur lose oder gar nicht zusammenhängendes System haben. Der
ästethische Gehalt des Baues ist dabei völlig ungotisch, ja anti-
gotisch. Nichts ist nachempfunden, alles ist sachlich aus der ge-
stellten Aufgabe entwickelt. Nirgends herrscht die golische Trans-
zendenz, das gotische Verschmelzen aller I'eile zu mächtigem
Strom in unendlichen Höhen, sondern überall klares in sich Ruhen,
in sich Geschlossensein, das in der festen Rahmung und Scheidung
der Fassadenquadrate seinen Ausdruck findet.
Nur an einer Seite gibt das Gebäude das Prinzip dcr Würfel-
summierung auf: Zwei große Sitzungssäle reichen durch zwei
Geschosse und treten auch nach außen als hohe Giebelfelder in
Erscheinung. Innen sind alle Räume durch ihre Farbe differenziert,
in der Form aber einheitlich. Der einzige nicht durch die Kon-
struktion bedingte Schmuck sind kubistische Formen an den
Decken der Sitzungssäle, teils plastisch, teils in farbigen Flächen.
Sonst ist alles von eherner Sachlichkeit, nirgends mildert eine
weiche, schwingende oder gar spielende und iiberflüssige Linie die
harte Nüehternheit. Und doch wirkt der Bau blutvoll und mächtig,
nieht arm und leer wie so oft der preußische Klassizismus der
Schinkelzeit, so verwandt dieser auch dem Stile Tauts in seiner
unerbittlichen Strenge und seinem Purismus ist. Der Prozeß der
Reinigung unserer Architektur von willkürlichem Schmuck und
überflüssigen Zutaten, der mit dem Jugendstil einsetzte, scheint
in diesem Bau Tauts sein Ziel endgiiltig erreicht zu haben. Der
große Reduktionsvorgang ist am Ende, die Beschränkung auf das
technisch Notwendige vollzogen, die klare Sachlichkeit nicht mehr
zu überbieten. Auf dieser neuen Grundlage, für die freilich dies
Gebäude nur ein Beispiel ist, aber wohl eins seiner allerkonse-
quentesten und allerwertvollsten, wird eine neue Periode archi-
tektonischer Entwicklung beginnen.
Während hier eine sozialistische Gewerkschaft einen künstle-
risch so außerordentlich bedeutenden Bau errichtet, baut eine
bürgerliche Regierung das Weimarer Bauhaus ab, das Zentrum
der Bestrebungen, denen auch Taut mit seinem neuen Bau Aus-
druck gegeben hat!
Dr. H a n s W e i g e r t.
londonetJ Kunltßbau.
Die Londoner N a t i o n a 1 G a 11 e r y liat Louis Tocques
Bildnis eines jungen französischen Kavaliers aus den Geidern der
Temple West Stiftung erworben. Ferner erstand sie bei Christies
einen Karel F a b r i t i u s. Das Gemälde stellt einen jungen
Mann in brauner Tracht mit Brustschild ünd schwarzer Mütze dar
und ist vom Künstler signiert und datiert, 1654. Nach Hofstede
de Groot ist dies das Todesjahr des Künstlers. Fabritius karn bei
einer Explosion um. Die National Gallery besitzt bereits ein Werk
des kaum dreißigjährig verstorbenen Holländers.
*
Bei S o t h e b y ’ s wurde, wie man uns aus London meldet,
die Sammlung historischer französischer Dokumente und Briefe
Napoleons, die dem verstorbenen Lord Crawfor.d ge-
hörte, versteigert. Gebrüder Maggs kauften die Handschrift von
Chenier’s „Ode zum Andenken Charlotte Cordays“, Juli 1793,
In denselben Räumen wurde altenglisches und irisches G 1 a s
versteigert. Den höchsten Preis, 80 Pf., zahlter Stern für eine
sehr schöne Karaffe mit dem Wappen Georg des Dritten und aem
Datum: Mai 19. 1777. Ein Plaque aus englischem Alabaster, Ar-
beit des 15. Jahrhunderts, ging an Duman für 55 Pf.
Ferner wurden Bücher, Manuskripte und I n k u n a b e 1 n
bei Sotheby’s zur Versteigerung gebracht. Maggs erwarb für
110 Pf. eine herrliche Handschrift aus dem 15. Jahrhundert, einen
Psalter, der einst dem Bischof Audley von Salisbury gehörte.
Später, etwa 1504, schenkte der Kirchenfiirst das üebetbuch seiner
Nichte Anne, die Nonne im Benediktinerin Kloster zu Shaftesbury
war. Ein „Livre d’Amis“ aus dem 17. Jahrhundert mit vielen Mi-
niaturen wurde gleichfalls von Maggs erworben (61 Pf.), ebenso

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