Meisters eines. Die Tatsache, daß in den böhmischen
Urkunden Hans von Kolin neben einem Jakob von Nim-
burg g-enannt wird, welch letzterer für die Kuttenberger
Barbarakirche einen Hauptaltar gearbeitet hat, vou dem
ein geschnitzter Flügel erhalten ist, macht es wahr-
scheinlich, daß der Meister H. W. auch nach Böhmen
geliefert hat, wenn nicht gar dort vorübergehend tätig
gewesen ist. Ich glaube Werke des Meisters H. W.
auch in Böhmen nennen zu können, so in Prag über dem
Eingang zur Maltheser Kirche (Madonna mit Kind) fer-
ner eine Maria in der Komotauer Stadtkirche, eine Figur
in Osseg u. a. in seiner Richtung.
Ihn mit einem aus Böhmen zugewanderten Hans
Wotzek von Kolin zu identifizieren, würde die vielen
Hypothesen um eine neue vermehren, ohne daß das Be-
weismaterial schärfster Prüfung standhielte; aber der
vorzügliche Kenner der nordböhmischen Kunst, Prof.
Dr. Jos. Opitz-Prag glaubt die böhmische Herkunft des
Meisters H. W. bejahen zu können.
Wir jedoch müssen uns angesichts der nicht von der
Hand zu weisenden latenten Stilverwandschaft
zwischen Riemenschneider und dem Meister H. W. auf
die Vermutung beschränken, daß entweder der letztere
ein Schüler des großen Wiirzburgers ist, oder beide der
gleichen Heimat, dem Harz entstammend aus derselben
lokalstilistischen Quelle ihre ersten Eindrücke und An-
regungen empfingen. Kennern der braunschweigischen
Plastik und der des Harzgebirges um Osterode dürfte es
nicht schwer fallen diese Vermutungen gegebenenfalls
zur Wahrscheinlichkeit zu erheben. In den dank der
günstigen Konjunktur, will sagen: als- Resonanz des
gotisch erschütterten modernen Intellektualismus zahl-
reich erschienenen Veröffentlichungen mittelalterlicher
Bildwerke vermißt man immer noch diesen Einmaligen
unter den Vielen, diesen romantischen Sonderling unter
der Schar von Meistern, die virtuose Technik und
Schönheitssinn zur höchsten Höhe des Handwerks und
der Kunst zu vereinigen wußten. Der Meister H. W.,
den jenen anzureihen wenn auch nicht gleichzuwerten
ein nobile officium der jüngeren Kunstgeschichtsfor-
schung ist, ist zum mindesten stilpsychologisch ein
Künstler, dessen dialektisch merkwürdiges „zurück zur
Natur“ (oder ist es ein mittelalterlicher Aggregatzu-
stand des „Jugendstils“?) der spätgotischen Plastik
Sachsens eine prämature Renaissance zu verheißen
schien, die allerdings unter Georg dem Bärtigen und
bei den Fortschritten der Wittenberger Reformation in
den albertinischen Landen nicht entwicklungsfähig sein
konnte, die vielmehr durch die italienisierenden Ma-
nieristen ein gänzlich der deutschen Gestaltungskraft
wesensfremdes Gepräge erhielt. Jenen Nosseni, Walter,
Schicketanz, Hegewald u. a., die mit oft nicht geringem
formalen Können die italienische Renaissance einzu-
deutschen bemtiht waren, und sei es auch nur in der
Verwendung renaissancistischer Schmuckmotive, steht
in Sachsens letztem Gotiker ein Meister gegenüber,
dessen vielseitige Tätigkeit schon die latenten Anfänge
der Meißener Porzellan-Manufaktur und der ganzen
lebhaften Bildnerei Sachsens im 18. Jahrhundert in sich
beschließt.
Annaberg: „Scliöne 'Fiir“
In Sandstein
polyc’nromiert
1512 vollendet
Ursprünglich am
Franziskanerkloster
Jetzt Annenkirche
220
Urkunden Hans von Kolin neben einem Jakob von Nim-
burg g-enannt wird, welch letzterer für die Kuttenberger
Barbarakirche einen Hauptaltar gearbeitet hat, vou dem
ein geschnitzter Flügel erhalten ist, macht es wahr-
scheinlich, daß der Meister H. W. auch nach Böhmen
geliefert hat, wenn nicht gar dort vorübergehend tätig
gewesen ist. Ich glaube Werke des Meisters H. W.
auch in Böhmen nennen zu können, so in Prag über dem
Eingang zur Maltheser Kirche (Madonna mit Kind) fer-
ner eine Maria in der Komotauer Stadtkirche, eine Figur
in Osseg u. a. in seiner Richtung.
Ihn mit einem aus Böhmen zugewanderten Hans
Wotzek von Kolin zu identifizieren, würde die vielen
Hypothesen um eine neue vermehren, ohne daß das Be-
weismaterial schärfster Prüfung standhielte; aber der
vorzügliche Kenner der nordböhmischen Kunst, Prof.
Dr. Jos. Opitz-Prag glaubt die böhmische Herkunft des
Meisters H. W. bejahen zu können.
Wir jedoch müssen uns angesichts der nicht von der
Hand zu weisenden latenten Stilverwandschaft
zwischen Riemenschneider und dem Meister H. W. auf
die Vermutung beschränken, daß entweder der letztere
ein Schüler des großen Wiirzburgers ist, oder beide der
gleichen Heimat, dem Harz entstammend aus derselben
lokalstilistischen Quelle ihre ersten Eindrücke und An-
regungen empfingen. Kennern der braunschweigischen
Plastik und der des Harzgebirges um Osterode dürfte es
nicht schwer fallen diese Vermutungen gegebenenfalls
zur Wahrscheinlichkeit zu erheben. In den dank der
günstigen Konjunktur, will sagen: als- Resonanz des
gotisch erschütterten modernen Intellektualismus zahl-
reich erschienenen Veröffentlichungen mittelalterlicher
Bildwerke vermißt man immer noch diesen Einmaligen
unter den Vielen, diesen romantischen Sonderling unter
der Schar von Meistern, die virtuose Technik und
Schönheitssinn zur höchsten Höhe des Handwerks und
der Kunst zu vereinigen wußten. Der Meister H. W.,
den jenen anzureihen wenn auch nicht gleichzuwerten
ein nobile officium der jüngeren Kunstgeschichtsfor-
schung ist, ist zum mindesten stilpsychologisch ein
Künstler, dessen dialektisch merkwürdiges „zurück zur
Natur“ (oder ist es ein mittelalterlicher Aggregatzu-
stand des „Jugendstils“?) der spätgotischen Plastik
Sachsens eine prämature Renaissance zu verheißen
schien, die allerdings unter Georg dem Bärtigen und
bei den Fortschritten der Wittenberger Reformation in
den albertinischen Landen nicht entwicklungsfähig sein
konnte, die vielmehr durch die italienisierenden Ma-
nieristen ein gänzlich der deutschen Gestaltungskraft
wesensfremdes Gepräge erhielt. Jenen Nosseni, Walter,
Schicketanz, Hegewald u. a., die mit oft nicht geringem
formalen Können die italienische Renaissance einzu-
deutschen bemtiht waren, und sei es auch nur in der
Verwendung renaissancistischer Schmuckmotive, steht
in Sachsens letztem Gotiker ein Meister gegenüber,
dessen vielseitige Tätigkeit schon die latenten Anfänge
der Meißener Porzellan-Manufaktur und der ganzen
lebhaften Bildnerei Sachsens im 18. Jahrhundert in sich
beschließt.
Annaberg: „Scliöne 'Fiir“
In Sandstein
polyc’nromiert
1512 vollendet
Ursprünglich am
Franziskanerkloster
Jetzt Annenkirche
220