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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Märzheft
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Schottmüller, Frida: Tierbronzen der italienischen Renaissance in Berliner Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0259

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docli erscheint das Ganze selbstverständlich. Mittel-
alterliche Acquamanilien mögen die Anregung gegeben
haben, aber keins von ilmen hat das Tragische, das
Menschliche und zugleich Übernatürliche der Ghimäre
so zum Ausdruck gebracht. —
Im Lauf der Cinquecento ist es auch gelungen, die
naturalistische Darstellung- des Tiers gelegentlich ins
Heroische zu steigern. Seinem Wesen nach war der
König der Wüste hierfür das gegebene Motiv. Aber nur
selten kommt seine herschermäßige Würde und sein
verhaltener Zorn so unmittelbar zur Wirkung, wie in
dem Löwen der Sammlung Dr. Simon in Berlin (Abb. 5).
Das mähnenumwallte, leicht erhobene Haupt entwächst
einem schlanken, energiegeladenen Körper, der auf star-
ken Füßen wie auf Säulen ruht. Die Kontur ist über-
raschend einfach, dazu nach hinten wirkung'svoll be-
schlossen durch den langen, schmalen Schweif. Der
Künstler brauchte diese Kurve. Einen ganz andern Ty-
pus vertritt der überschlanke Löwe, der mit vorge-
strecktem Haupte zum plötzlichem Angriff heran-
schleicht, in der einstigen Sammlung Pierpont Morgan
in New York 1G). Im Gegensatz zu der großzügig-male-
rischen Gestaltung des zornigen Wüstenkönigs liier die
Glätte florentinischer Bildnerei; dazu eine ganz persön-
liche Note in dem Linienrythmus des geschmeidigen
Raubtiers. Eine dritte Gruppe wird durch die Löwen
des Louvre, Berliner Museums u. a. a. 0. repräsen-
tiert ^1); müde Tiere in Gefangenschaft beobachtet, trotz
offenen Maules und großer Mähne keineswegs schreck-
haft. Zu ihnen gehört auch die jüngere Schöpfung ins
Wiener Museum, die durch überreiche Innenmodellie-
rung und wirkungsvollen Kontur sich von jenen unter-
scheidet, aber trotz barocker Unruhe nicht den Eindruck
des Königlichen, Beherrschenden erzwingt18). Etwas
Jli) Abb. im Bronze-Katalog dieser Samrnlung von Bode Bd. I
Nr. 75 Taf. XLVI und Bode, Ital. Bronzestatuettcn, 1. Aufl. II S. 12,
2. Aufl. S. 83.
17) Bode: Ital. Bronzestatuetten, 1. Aufl. Bd. S. und F.
Qoldschmidt, Ital. Bronzestatuetten, Nr. 203. Eine schreitende
Löwin in der Sammlung Leopold Goldschmidt in Frankfurt a. M.,
im Louvre (Abb. Bode a. a. 0., 2. Aufl. Taf. 97) u. a. a. 0.
1S) Abb. bei Planiscig a. a. 0. Nr. 266. Dort Aufführung noch
anderer Löwenbronzen.

Müdes liegt im Gang, und man wird unversehens an den
alten Löwen im Märchen erinnert. Die verschiedenen
Typen sind hier so ausführlich besprochen, weil grade
die Mannigfaltigkeit in der Interpretation desselben Tie-
res Auffassung und Können des Cinquecento deutlich
macht.
In Italien erlosch im 17. Jahrhundert das Interesse
an Tierbronzen kleinen Formats. Das Erbe traten die
Niederländer an, wenn es auch dort zu keiner so reichen
und vielartigen Produktion wie in Italien gekommen ist.
In dem Stier der Sammlung Garbaty zu Berlin 1!l), mehr
noch in dem der Sammlung L. Silten, ebenda Ju), verrät
die spiegelnde Politur noch etwas Tradition der Gian
Bologna-Werkstatt, aber zugleich beweist die so natura-
listische Durchbildung des muskulösen Rumpfes und das
dem Leben abgelauschte Bewegungsmotiv das gänz-
liche Fernsein von antiken Vorbildern. Viel zusammen-
gefaßtcr in Umriß und Oberflächenbehandlung sind diese
Huftiere — Beispiele im Berliner Museum und vielen
anderen Sammlungen — von italienischen Künstlern
dargestellt worden.
Noch ausgeprägter erscheint der Barockstil in der
Stierjagd der Sammlung Garbaty21) mit nicht
weniger als fünfzehn Figuren von Reitern, Läu-
fern, Hunden und dem gejagten Wild. Springende
Pferde rennende Menschen, ausgreifende Bewegun-
gen, flatternde Röcke, Mähnen und Schweife. Frei-
lich nicht alle Gesten sind überzeugend, manche
konventionell, und die Modellierung ziemlich derb;
aber das Ganze wirkt wie ein Getümmel. Grade
ein Vergleich mit diesem Werk läßt die hohe Qualität
und die Gebundenheit der italienischen Renaissance er-
kennen. Selbst ihre bewegtesten Kompositionen haben
etwas von klassischer Ruhe neben dieser vielgestalti-
gen Scene.

lü) Eine Wiederholung in der einstigen Sammlung Pierpont
Morgan (Abb. in Bodes Katalog II Taf. 154).
20) Abb. bei Volbach, Die Sammlung Silten, S. 11.
21) Abb. in Lepkes Auktions-Katalog Nr. 1783, Skulpturen aus
Berliner Privatbesitz (15. 5. 1917) Nr. 45—59.


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