schließlich längere Zeit in der Sammlung- Steengracht
im Haag verweilen kann, in deren Auktion (Paris 1913)
es jedoch 1400 Pfund erhält und nach einiger Zeit in den
Besitz der Galerie Paul Bottenwieser in Berlin
iibergeht.
Wir können aber nicht bloß die alten Meisterbilder
auf ihrer Wanderung verfolgen, sondern auch die Sel-
tenheiten der tibrigen Kunstgebiete. Manchmal sind
diese Wege genau wahrnehmbar, manchmal nur mit
Uuterbrechungen.
Jvlax JHecttnann
oon
Cavt Baueti
I—< s ist kein schlechtes Zeichen der Zeit, wenn man
*—' der Oeffentlichkeit einen Künstlcr vorstellen kann,
dessen Werk sich nicht durch diese oder jene Zeitrich-
tung, sondern lediglich durch die Persönlichkeit charak-
terisiert. Im allgemeinen sehen wir heute auch den
künstlerisch tätigen Menschen sich trotz seiner Sucht
nach Originalität geistigen Massenbewegungen an-
schließen, die ihm — sei es unter dem Stichwort des
Expressionismus oder des Impressionismus — schließ-
lich doch seine Arbeitsmethode vorschreiben. In der
Kunst früherer Epochen gab es nur e i n e Richtung,
von der sich mehr oder minder stark die großen Per-
sönlichkeiten abhoben. In der modernen Kunst gibt
es viele Richtungen, aber wenig Persönlichkeiten, die
außerhalb dieser oder jener Richtung als eine in sich
geschlossene Einheit bestehen könnten. Alles sucht der
große Zeitstrom oft bis auf die absurdesten Wege mit
sich zu reißen, und nur selten ist ein neutraler Punkt zu
finden, an dem seine kapriziösen Wellen abprallen. Ich
glaube behaupten zu dürfen, daß Max Neumann solcli
eine auf sich selbst gestellte Persönlichkeit bildet, die
nur aus dem eigenen Wesen, aber aus keiner Richtung
lieraus zu verstehen ist. Freilich soll damit nicht ge-
sagt sein, daß dieser Künstler an der Zeit vorüberge-
gangen wäre. Ebenso wie er von der Kunst der Renais-
sance die strenge Eorm gelernt ha-t, wußte er sich die
Licht- und Farbenfreudigkeit, das breite Sehen des Im-
pressionismus, gelegentlich sogar die das äußere Pa-
tinabild übertönende Visionskraft des Expressionismus
anzueignen. Es ist leicht, die Formen der Natur bis zur
Unkenntlichkeit zu deformieren, um so in einer eigenen
Sprache zu stammeln. Andrerseits läßt es sicli nicht
allzu schwer erlernen, die Natur objektiv richtig nach-
zuahmen. Die Schwierigkeit der wahren Kunst beginnt
eben erst. wo die Abweichungen des inneren Sehens
sich in einer Weise darzustellen wissen, daß der äußere
Sinn an die objektive Richtigkeit des Dargestellten zu
glauben vermag. Die Vereinigung beider Extreme macht
ein Handwerk erst zum Kunstwerk. Jede Entgleisung,
sei es nach der einen oder der anderen Richtung, bleibt
Halbkunst.
Bereits hinsichtlich des Objekts tritt uns Max Neu-
mann als ein universell veranlagter Künstler entgegen.
Den breitesten Teil seines Schaffens füllte das religiöse
Historienbild aus. Auf dieser Grundlage vollzog sicli
ein weiter Weg seiner Entwicklung. Voraus ging ein
längerer Aufenthalt des Künstlers in Holland und Bel-
gien, der ihn namentlich mit der Wesensart Rembrändts
in Fühlung brachte. Jenes goldige Helldunkel, von kon-
zentriertem Licht durchflutet, ist auch ein Kennzeichen
der zahlreichen biblischen Darstellungen Max Neu-
manns aus dieser Periode. Dazü gesellt sicli jedoch cin
229
im Haag verweilen kann, in deren Auktion (Paris 1913)
es jedoch 1400 Pfund erhält und nach einiger Zeit in den
Besitz der Galerie Paul Bottenwieser in Berlin
iibergeht.
Wir können aber nicht bloß die alten Meisterbilder
auf ihrer Wanderung verfolgen, sondern auch die Sel-
tenheiten der tibrigen Kunstgebiete. Manchmal sind
diese Wege genau wahrnehmbar, manchmal nur mit
Uuterbrechungen.
Jvlax JHecttnann
oon
Cavt Baueti
I—< s ist kein schlechtes Zeichen der Zeit, wenn man
*—' der Oeffentlichkeit einen Künstlcr vorstellen kann,
dessen Werk sich nicht durch diese oder jene Zeitrich-
tung, sondern lediglich durch die Persönlichkeit charak-
terisiert. Im allgemeinen sehen wir heute auch den
künstlerisch tätigen Menschen sich trotz seiner Sucht
nach Originalität geistigen Massenbewegungen an-
schließen, die ihm — sei es unter dem Stichwort des
Expressionismus oder des Impressionismus — schließ-
lich doch seine Arbeitsmethode vorschreiben. In der
Kunst früherer Epochen gab es nur e i n e Richtung,
von der sich mehr oder minder stark die großen Per-
sönlichkeiten abhoben. In der modernen Kunst gibt
es viele Richtungen, aber wenig Persönlichkeiten, die
außerhalb dieser oder jener Richtung als eine in sich
geschlossene Einheit bestehen könnten. Alles sucht der
große Zeitstrom oft bis auf die absurdesten Wege mit
sich zu reißen, und nur selten ist ein neutraler Punkt zu
finden, an dem seine kapriziösen Wellen abprallen. Ich
glaube behaupten zu dürfen, daß Max Neumann solcli
eine auf sich selbst gestellte Persönlichkeit bildet, die
nur aus dem eigenen Wesen, aber aus keiner Richtung
lieraus zu verstehen ist. Freilich soll damit nicht ge-
sagt sein, daß dieser Künstler an der Zeit vorüberge-
gangen wäre. Ebenso wie er von der Kunst der Renais-
sance die strenge Eorm gelernt ha-t, wußte er sich die
Licht- und Farbenfreudigkeit, das breite Sehen des Im-
pressionismus, gelegentlich sogar die das äußere Pa-
tinabild übertönende Visionskraft des Expressionismus
anzueignen. Es ist leicht, die Formen der Natur bis zur
Unkenntlichkeit zu deformieren, um so in einer eigenen
Sprache zu stammeln. Andrerseits läßt es sicli nicht
allzu schwer erlernen, die Natur objektiv richtig nach-
zuahmen. Die Schwierigkeit der wahren Kunst beginnt
eben erst. wo die Abweichungen des inneren Sehens
sich in einer Weise darzustellen wissen, daß der äußere
Sinn an die objektive Richtigkeit des Dargestellten zu
glauben vermag. Die Vereinigung beider Extreme macht
ein Handwerk erst zum Kunstwerk. Jede Entgleisung,
sei es nach der einen oder der anderen Richtung, bleibt
Halbkunst.
Bereits hinsichtlich des Objekts tritt uns Max Neu-
mann als ein universell veranlagter Künstler entgegen.
Den breitesten Teil seines Schaffens füllte das religiöse
Historienbild aus. Auf dieser Grundlage vollzog sicli
ein weiter Weg seiner Entwicklung. Voraus ging ein
längerer Aufenthalt des Künstlers in Holland und Bel-
gien, der ihn namentlich mit der Wesensart Rembrändts
in Fühlung brachte. Jenes goldige Helldunkel, von kon-
zentriertem Licht durchflutet, ist auch ein Kennzeichen
der zahlreichen biblischen Darstellungen Max Neu-
manns aus dieser Periode. Dazü gesellt sicli jedoch cin
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