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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

DOI issue:
1./2. Januarheft
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1./2. Märzheft
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Bauer, Curt: Max Neumann
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0264

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Max Neumann, Lots Flucht

gewisser harmonischer Zug herber Vereinfachung im
Ausdruck der Farben und des Stiches, der modernem
Empfinden entspringt und diesen Bildern bei aller fein
gesponnenen Anlehnung einen durchaus persönlichen
Stempel aufdrückt, der immer stärker durchdringt, je
mehr die Farben zur Entfaltung eines freien Lichtspiels,
das sich aufsteigend in die Plusseite des Spektrums
dehnt, gelangen. Vom Historienbilde aus entwickelte
sich in der Kunst Max Neumanns das landschaftliche
Element, das bald selbständiges Darstellungsobjekt
wird: ein Schaffensfeld, auf dem dieser Maler seine
reiche Farbenskala am glücklichsten zur Reife gelangen
lassen konnte. Neumanns Landschaften sind unmittel-
bar vor der Natur gemalt, daher bei aller Eigenartigkeit
des Sehens die objektive Richtigkeit im Zusammenstel-
len der Farben und Formen. Dasselbe ist von der Por-
trätkunst Neumanns zu sagen: auch hier eine feinkulti-
vierte subjektiv nuaucierte Auffassung, die gleichzeitig
demDarstellungsobjekt gerecht zuwerden sichbestrebt.
Das auf dem Gebiete der Farbenmischung Erworbene
kommt in symphonischer Fülle dem Stilleben des Malers
zugute, dessen malerische Worte aus reinsten Akkorden
zusammenklingen. Ist Max Neumann auch in erster
Linie Maler, so zeigt er jedoch in der Illustrationskunst
ebenfalls eine leichte geschickte Hand, die dem Schwun-
ge einer zart bewegten Phantasie ausdrucksvoll zu fol-
gen vermag. Die Vielseitigkeit des Künstlers erstreckt
sich aber nicht nur auf das Darstellungsobjekt, sondern
auch auf die Technik. Neben der Anwendung der Oel-
technik, der Tempera und des Aquarells hat er aucli in
der Handzeichnung und der Radierung eine erstaunliche
Produktivität entwickelt.
Der Grundzug seiner rhythmischen Bewegung in-
dessen gelit von der Farbe aus. Die Einwirkung ihrer
Schwingungen auf das seelische Fülüen bildet die Basis
für sein gesamtes künstlerisches Gestalten. Wohl hatte
er auf der Akademie zu Königsberg unter Leitung Dett-
manns eine technische Grundlage, eine handwerks-
mäßige Ausrüstung für sein weiteres Studium erworbeu,
das sich aber vor allem selbständig unter der Einwir-
kung der auf der Renaissancelinie stehenden großen

Meister vollzog. Namentlich wurde ihm Rembrandt der
Ausgangspunkt für die erste Stillung seiner Sehnsucht
nach Farbe, die aber hier nicht stehen blieb, sondern
nach und nach aus dem goldigeu Dunkel ins helle Frei-
licht strebte und sich schließlich, alle Ketten der Tradi-
tion sprengend, in die satte Lichtfülle des landschaft-
lichen Aquarells ergoß. Vom geheimnisvollen Schimmer
des dännuerigen Interieurs gelangte der Maler zur be-
rauschenden Farbenfülle des orientalischen Himmels,
um hier sein eigenstes, innerstes Erleben zu erreichen
und in seiner Kunst zu manifestieren. In diesem Zusam-
menhange darf nicht vergessen werden, Max Neumann
als den Maler des italienischen Südens hervorzuheben.
Schon als Jüngling hatte den Künstler auf seiueu See-
fahrten der Orient in seinen farbenglühenden Zauber-
bann getan. Diese Erinnerungen tauchten mit neuer
Macht aus dem Unterbewußtsein empor, als er später
einen längeren Aufenthalt in Sizilien nahm. Was aber
vorher nur Eindruck gewesen war, wurde jetzt Gestal-
tung. Ihm wurde dieser Himmelsstrich zur künstleri-
schen Heimat, in dem das Fremde wie alt Vertrautes
anmutete. Noch stärker wurde diese Einfühlung wäh-
rend eines zweiten Aufenthaltes, den ein Ausflug nach
Afrika beschloß. Das war eine Zeit intensivster Pro-
duktivität. Eine ganz erstaunliche Menge köstlicher
Aquarelle entströmte in wenigen Monaten seinem ruhe-
losen Fleiße und zwar mit einem Erfolg, der alles
Frühere überbot. Seine Augen hatten sich voll und ganz
der orientalischen Lichtfülle geöffnet. Nie zuvor ist
die sizilianische Landschaft mit soviel eigenartigem
Stimmungszauber und zugleich in ihrer ganzen Natur-
wahrheit festgehalten worden. Die so schwer zu umge-
hende Gefahr, jene glühende Farbenwelt mit ihren blau-
en und rosigen Reflexlichtern ins Süßliche und Weich-
liche zu wandeln, an der selten ein Künstler vorüber-
kam, hat Neumann mit einer Meisterschaft zu überwin-
den gewußt, die ihn als einzig dastehenden Maler dieses
sinnesverklärenden Landstriches erscheinen läßt.
Es liegt mir jedoch fern, Max NeumamVs Kunst als
eine Milieukunst hinstellen zu wollen. Ihr wesentlichstes


Max Neumann, Kreuztragung

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