Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

DOI issue:
1./2. Januarheft
DOI issue:
1./2. Aprilheft
DOI article:
Zülch, Walther Karl: Ein moderner Goldschmied: Karl Berthold
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0301

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stn modemev 60 Idfcbmied
Kat?t Bßctbold
oon
lD. K. ECilcb

I n allen stilstarken Epochen der Kunstgeschichte blüht
* das edle Handwerk der Goldschmiede, deren kunst-
fertiger Hand die kostbarsten Materialien der Erde zur
Formung anvertraut sind. Während wir in den fiihren-
den Goldschmiedestädten Nürnberg:, Straßburg', Augs-
burg, Breslau und Frankfurt in Zeiten kultureller
Prachtentfaltung bis fünfzig gleichzeitige Meister, in
der Barockzeit gar hundert in einer Stadt zählen kön-
nen, sind heute die wenigen schöpferischen deutschen
Goldschmiede schnell zu nennen. Das Zeitalter der
Maschinenwirtschaft, die lange Periode der Stilimita-
tion und des Eklektizismus, nicht zuletzt das verwor-
rene Signum der Gegenwart trägt daran die Scliuld.
Wir besitzen wohl ein regsames Juweliergewerbe, hin-
ter dem namenlos eine Schar Edelmetallarbeiter ge-
teilt in Spezialhandwerker steht, wir besitzen große


Siegelring mit Lapislazüli in
Gold verschnitten (vergrößert)
Gold- und Silberwarenfabriken, aber uns fehlt die
Goldschmiedekunst mit Werkstattradition. Es war auf
der großen Münchener Gewerbeschau, daß wieder ein-
mal deutsche Goldschmiedekunst mit hervorragenden
Leistungen Aufsehen erregte und in bemerkenswerter
Übereinstimmung dem Goldschmied Karl Berthold an
schöpferischer Begabung bei höchster technischer
Vollendung die Führung zuerkannt wurde. Seitdem hat
Karl Berthold sich in Frankfurt angesiedelt, nach kur-
zem Verweilen als Lehrer an der alten Hanauer G»old-
schmiedeschule sicli im vom Cronstettenschen Park
eine Werkstätte aufgebaut, die auf werkgerechter
Grundlage eingerichtet unter der Eührung eines nicht
nur Künstlers, sondern in allen technischen Zweigen
vollendeten Meisters zu großen Hoffnungen berechtigt.
Der Leiter des Frankfurter Kunstgewerbemuseums
Prof. Dr. Schmidt gab in einer Sonderausstellung einen
Überblick auf das zehnjährige Schaffen des Künstlers;
Führungen durch die in vollstem Betriebe befindliche
Werkstatt waren damit verbunden. Anschließend wird
die gleiche Ausstellung im Mai dieses Jahres in Stutt-
gart von Prof. Dr. Pazaurek vorgezeigt werdeu. Bert-
hold stammt aus alter bayrischer Goldschmiede-Eami-

lie, sein Weg ging über Darmstadt und Hanau nach
Frankfurt. In Frankfurt beginnt eben unter Prof. Dr.
Wicherts Leitung das zentralisierte und neuorganisierte
Kunstschulwesen außerordentlich lebendig und viel-
verheißend sich zu entwickeln. Noch ohne Verbindung
damit, doch im inneren Zusammenhang mit dieser
Strömung schreitet Berthold zielbewußt vorwärts auf
dem Wege einer Wiederbelebung der Goidschmiede-
kunst. Die Bertholdwerkstätte kennt keine Maschine,
sie beruht lediglich auf den alten Grundlagen: Kenntnis
des Werkzeugs, Kenntnis des Materials, der geschulten


Döschen, Silber mit Goldbelötung,
Email und Smaragden

Hand, dem schöpferischen Fonnwillen des Meisters,
der Pflege des Werkstattgeistes. Wer aber die große
Reihe der oft sehr kostbaren Schöpfungen überschaut,
erkennt noch eine Voraussetzung, die wohl in der Per-
sönliclikeit des Meisters wurzelt, doch von außen
kommt: das Vertrauen feinsinniger Auftraggeber,
früher eine Selbstverständlichkeit und heute etwas
Seltenes.
Da liegt ein kostbarer Bücheinband, würdig, in
einer Reilie mit hervorragenden Museumsstücken ge-
nannt zu werden, der von deutschen Pilgern im Jubel-
jahre 1925 dem Papste überreicht wird. Wir sehen
aus einem Mannesmannrohr in zierliche Ornamentik
von größter Lebendigkeit aufgelöst, erdiclitet, eine Do-
kumentenkapsel. Eine in Silber getriebene Tisch-
lampe, prunkvolle Gefäße und die Gruppe der fabulösen
Ziergegenstände. Gerade diese Dinge von absoluter
Zwecklosigkeit, walire Kleinode, die nur da sind, um
schön zu sein und um ilirer bezaubernden Pliantastik
willen geliebt zu werden, sind im iiöclisten Sinne Zeugen

263
 
Annotationen